Der Terminplan der Oberliga sieht es vor, dass wir nach unserem glücklichen Doppelschlag in Magdeburg zunächst gegen zwei vermeintlich weniger erfahrene Teams antreten müssen. Zum ersten der beiden Termine fuhren wir bekanntlich einen hohen und ungefährdeten Sieg gegen Dessau ein, der auch die erwünschte Tabellenführung einbrachte. Der zweite Streich sollte gegen die gerade im Nachwuchs sehr quirligen Coswiger gelingen. Unsere U20 hatte tags zuvor bereits an gleicher Stelle wichtige Punkte gesammelt und notgedrungen auch unserem Fahrdienst detailreiche Ortskenntnisse beschert. Das musste reichen, um die abermals löchrige Aufstellung zu kompensieren – das Unterhaus speiste sich aus den begehrten Filetstücken der Zweiten und Dritten.
Jochens Partie war beizeiten beendet. Als Schwarzer hatte er eine passive Stellung eingenommen und lud seinen Gegner damit ein, ordentlich Druck zu machen. Das gelang diesem zwar auf dem Brett, nicht jedoch auf der Uhr. In Anbetracht der noch zahlreichen bis zur Zeitkontrolle ausstehenden Züge willigte er in Jochens Remisgebot ein und ersparte diesem so, die Festigkeit seiner Verteidigung unter Beweis stellen zu müssen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Dinge an den anderen Brettern schon prächtig entwickelt. Ich konnte zunächst eine kleine Eröffnungsungenauigkeit meines Gegners nicht sofort bestrafen und führte die Partie mit schematischen Zügen wieder sehr schnell in ausgeglichene Gewässer. Doch just in dem Moment, als die Verwicklungen einsetzten, konnte ich von einem erneuten Patzer profitierten. In sieben Zügen verließen 12 Figuren das Brett, wobei mein Gegner zweimal weniger schlagen durfte als ich und folglich aufgab. Allgemein fielen in diesen Minuten an allen Brettern die wichtigen Entscheidungen.
Tomasz hatte im frühen Mittelspiel einen Bauern stibitzt, tauschte die Dame gegen zwei Türme und konnte nun seine Stellung konsolidieren, was einen gefahrlosen Punkt einbrachte. Schon aus früheren Begegnungen wusste er, dass die schwarze Initiative ihrem optischen Eindruck nicht gerecht wird. Ähnlich besonnen zeigte sich Lutz. Uns Aushilfskräften fielen zwei Veränderungen in seiner Spielweise aus: Die Zeiteinteilung war vorbildlich und der Sizilianer erwies sich als ungewöhnlich fest. Lutz parierte ein Figurenopfer, ohne in Schwitzen zu geraten. Geraucht wurde bereits auf der Hinfahrt, weshalb selbst hier keine Probleme auftraten und sein Gegner mit Minusfigur letztlich auch noch seinen König in aussichtsloser Position wiederfand. Besitzstandswahrung kann offenbar so leicht sein, wenn es sich nur um schwarze und weiße Planquadrate handelt. Opferfreudig ging es auch bei Christof zu, der seinen Läufer thematisch auf h6 einschlagen ließ. Diese Effektivität beeindruckte seinen Gegner derart, dass er die angebotene Figur verschmähte und stattdessen selbiges Motiv anwandte – nur dass es Christof leicht fiel, seinen Laden zusammenzuhalten und das Material zu verwerten.
Sven ging ebenso zielstrebig zu Werke. Die Kiebitze waren sich post mortem uneins, welche Seite zwischenzeitlich ein Remisgebot in die Ring warf. In jedem Fall wurde es abgelehnt (von wem auch immer) und Sven holte den ganzen Punkt. Seine Türme und Läufer hatten dankbare Ziele an der Basis der gegnerischen Bauernkette. In der Folge fiel auch noch eine Qualität, die Sven im Schlussstreich zurückgab, um dann einen seiner Bauern ungefährdet über den Rubikon zu führen.
Letzteren hatte Roland leichtfertig überschritten. In einem Kampfgeschehen, welches das gesamte Brett in Anspruch nahm, übersah er einen simplen Einschlag, der ihn klar in Nachteil brachte. Roland konnte sich im Anschluss zwar nochmals durch die Fluten schlagen, ließ sich dann aber erneut überrumpeln – und gegen Matt hilft leider kein Schwimmabzeichen. Der Spieltag war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon lang gelaufen. Zu guter Letzt trug noch Mathias zum Torverhältnis bei. Seine theoretische Beflissenheit übertrumpfte heute selbst die manches Großmeisters. Selbstsicher hechelte er keine schwachen Bauern hinterher, sondern setzte zunächst seine Figuren schön in Szene, um die Faulenzer erst danach abzuräumen. Im Endspiel behielt er dann nicht nur einen Mehrbauern, sondern auch noch den zweischneidigen Vorteil des Turm-Läufer-Tandems gegenüber dem Turm-Springer-Paar. Der Rest der Mannschaft musste nicht mehr lang warten, da sich die Stellung bei klarem Vorteil zusehends vereinfachte.
Nach Addition der Ergebnisse ergab sich also ein sehr überzeugender 6,5-1,5-Sieg. Ein Resultat, das dem Spielverlauf gerecht wird, wenngleich es doch unerwartet hoch ausfiel. Auch die übrigen Spiele meinten es gut mit uns. Leipzig II und die stark aufspielenden Hoyerswerdaer kamen nicht über ein Remis hinaus. Noch ist der Vorsprung aber zu klein, um sich einen Patzer erlauben zu können.