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1. LANDESKLASSE St. B – Saison 2005/2006
 

Klassenunterschied. Über Treffer und Fehlschüsse
Wie der SK König und der VSC in der 1. Landesklasse den Tabellenrahmen bauten

Dass es so schnell wieder ein Stadtderby geben würde, war beim Foxtrott tanzenden Ausblick vor knapp zwei Jahren noch nicht zu erkennen, die Zeitkarte lag damals noch sehr unsicher drin, aber dass es sich das nächste Mal alles noch viel tiefer abspielen würde, nicht mehr in der Sachsenliga, sondern in der ersten Landesklasse, war treffsicherer Bestandteil der selbst erfüllten Prophezeiung. Der Treffer hatte sich seitdem nicht verändert, strahlte ein verlässliches Maß alte Schule aus: ein konspirativer Hauch, der hier ganz reizend ins Morbide spielt, so dass es den Blinden wieder sehend macht, den Gast schon an der Eingangstür, die ewig verschlossen wirkt, also beim Eintritt trifft und schließlich in einen Rastenden verwandelt, der Erinnerungen auswirft.

Eingedeckt und serviert wurde im großen Saal, beide Mannschaften präsentierten sich nahezu in Bestbesetzung, wobei die nominelle Favorisierung der Könige dieses Mal unterbrochen wurde, wenn auch nur am achten Brett. (So einen Ersatzspieler wünscht man sich, der jederzeit in der Lage ist, mit leichter Hand gegen die vor ihm spielenden Bretter simultan zu servieren.)

Am vierten Brett zeichneten sich früh deutliche Stellungsunterschiede ab. Während sich Andreas Götz einen schwarzen Tee bestellte, noch einmal prüfte, wie lange wohl der gegnerische König in der luftigen Mitte gehalten werden könne, wurde auf der anderen Seite des Schachbrettes immer wieder einmal periodisch Tabak durch die Nase gezogen, der Hippokampus so richtig durchgeblasen (pulverisierte Rauschmittel gehörten ja zu allen Zeiten zur Lebensführung der Boheme), um zu ergründen, warum, kaum der Aljechin-Verteidigung ausgewichen zu sein, das nahtlose Grollen folgte, das anhielt, als Sergej Lozovoy am ersten Brett remisierte, unzufrieden, dass aus der Eröffnung gegen Stefan Merkel nicht mehr herauszuholen war. "Ich hab' bisher nur Taktik gemacht, aber Taktik ist Scheiße." Präziser lässt es sich kaum formulieren, wenn die Partieanlage ungeduldig mahnt, noch einmal von vorn zu beginnen, sich endlich einmal der Eröffnung an den Hals zu werfen, theoretisch zumindest.

Die ist wiederum ganz Lion Pfeufers Sache. Frank Bicker dachte lange, er hielte wenigstens das Gleichgewicht, ganz getragen seine Züge, aber viel stärker als dessen abwegiger Springer erwies sich der zentralisierte Pfeufer-Läufer, nachfolgende Donnerschläge in die Trutzburg, und alles war sehr schnell vorüber, ließ kaum Zeit zur Beobachtung - die frühe Führung für den SK König. Dass anschließend Mario Tunger den Vorsprung ausbauen würde, gehörte zu den wenigen Überraschungsmomenten dieser Sonntags-Treffer-Begegnung, nachdem der Angriff auf seines Gegners Königsflügel verpuffte, schließlich die Damen getauscht wurden, der Kaffee ein wenig lau zu werden drohte; dann aber ein rüder Kopfschüttelzug in lockerer Fesslung das Geschehen einzügig entschied. Nicht vor der Zeitnot, aber vor dem Kontrollzug beendete Christof Beyer seine Partie. Zwar hatte er nach einem heißen Gefecht im Mittelspiel einen Turm mehr, aber keine Gelegenheit, der forcierten Abwicklung ins Dauerschach zu entkommen. (Auch die nachträgliche Rudelanalyse vermochte daran nichts mehr zu ändern.) Währenddessen teilte Theresa Reh den Punkt mit Andreas Guhl im Endspiel, und als Andreas Götz seine Mehrfigur verwertete, war zwar das Plauener Match bereits entschieden, 4½:1½, aber der Rauch noch nicht verflogen. Christian Hörr musste gegen Stefan Schulze in einem Bauernendspiel - ausgerechnet kurz vor dem Blättchenfall - den richtigen Zug finden. Was passiert wäre, wenn der weiße König nach d3 zurückgekehrt wäre, anstatt auf b5 dem leichten Bauernschmaus zu verfallen, ob also simpel in diesem Zusammenhang sogar superlativiert werden muss, bleibt trotz entschiedener Nachbetrachtung dennoch nur unentschieden. 5:3 soll es zu diesem Zeitpunkt gestanden haben, aber Etienne Engelhardt hatte seine Züge noch nicht alle gemacht. So ein Läufer-gegen-Springer-Endspiel hält manchmal auch einen Doppelbauer aus. Nicht im Gewinnsinne, aber verlieren wollten die Könige auch in diesem Jahr keine Partie.

Nach dem dritten Sieg in Folge gewinnt das Team drei Punkte, zwei Punkte nach dem eigenen Erfolg - und einen zusätzlichen dritten Punkt durch das überraschende 4:4 der Dritten gegen den bis dahin verlustpunktfreien Tabellenführer Wilkau-Haßlau, und klopft an der Tabellenspitze.

Das Südstraßenstrategiepapier konnte bis jetzt jedenfalls noch nicht widerlegt werden. Und wenn die Dritte nicht fingerdick Hornhaut auf der Seele hat, gibt sie beiden Plauener Schachvereinen nach dieser Saison eine gemeinsame Chance, dass auf das nächste Stadtderby nicht erst wieder zwei lange Jahre gewartet werden muss. Draußen gibt es nämlich nur noch Kännchen. Das Konspirative ist eben einfach die Krone.

Fast wäre der überraschende 4½:3½-Erfolg der fünfen Mannschaft unter den Tisch gefallen. Im Roten Zimmer des Treffers wurde die zweite VSC-Auswahl ratz fatz gefoldet. Wann taucht eigentlich Felix Zeuner in Peter Lubans Spielerdecke auf?

 

VSC Plauen 1952
SK König Plauen II
:
Merkel, Stefan
1933
Lozovoy, Sergej
1976
½
:
½
Bicker, Frank
1991
Pfeufer, Lion
2014
0
:
1
Ananev, Vaceslav
1839
Engelhardt, Etienne
1911
½
:
½
Kadner, Siegfried
1955
Götz, Andreas
2053
0
:
1
Schulze, Stefan
1808
Hörr, Christian
1913
½
:
½
Juntke, Steffen
1682
Tunger, Mario
1872
0
:
1
Guhl, Andreas
1636
Reh, Theresa
1770
½
:
½
Klassen, Alexander
2210
Beyer, Christof
1990
½
:
½

 

Christof Beyer
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letzte Änderung: 05.12.2022