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Schlafes Bruder und die weiße Dame
oder warum das Feuer die Strohpuppen nicht erreichte

Dass Jens Dechering nicht vergessen möge,
dass er heute unbedingt noch mal mit ihm reden
muss, schwurbelte es lauwarm bis an die Grundstellungen
im Hotel Alexandra. Gerade ein halbes Jahr
war seit der letzten Begegnung vergangen, und schon
gastierte Leipzig-Südost erneut in Plauen,
in seiner Eigenschaft als Dauerbesucher. Dem SK König
ist zwar die Heimstärke dieser Leipziger Mannschaft,
die 2004 in die erste Landesklasse aufgestiegen war,
noch gänzlich unbekannt, nicht aber verborgen geblieben
ist deren Schwäche für den ausgedehnten Auswärtsaufenthalt,
der zwischen vierstündiger Anreise bei Schnee bis
hin zur vorherigen gemeinsamen Übernachtung in
totaler Teamgeistmeditation variiert. Zwar hatten die
Plauener das letzte Mal 5:3 gewonnen, aber einen Erfolg,
den man umarmen möchte, gab es für sie bisher
noch nicht.
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Erster
Sieg seit Dezember 2003: Christian Hörr
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Zumindest der nominelle Vorteil an nahezu
allen Brettern, die simple Magie der Stammaufstellung,
deutete dieses Mal die Aussicht und die Absicht auf
mehr an. Entscheidungsfreudige Partien, so die ausgelotete
Erwartungshaltung zum Saisonbeginn. Und so sollte das
Auftaktremis zwischen Johannes Titz und Jörg Frowitter
tatsächlich die einzige Punkteteilung bleiben.
Allerdings gab es am Spitzenbrett bereits nach zwei
Stunden Anlass zur Sorge: Schnellspieler Tomas Zeleny
hatte mit Schwarz nicht den Hauch einer Chance, seine
ungeduldige Schlagfrequenz war gegen den gelassenen
Sven Kreigenfeld das falsche Mittel. Wie ein gehetztes
Tier irrte er auf dem Brett letztlich ins strategische
Fiasko und brachte die Plauener Könige bald darauf
in Rückstand. Etienne Engelhardt hatte dagegen
zwischenzeitlich schon zwei Mittelbauern vom Brett genommen,
und nach dem rabiaten Leichtfigurenopfer seines Gegners
war wenigstens der Ausgleich geschafft. Der aber nur
von kurzer Dauer war, denn Sergej Lozovoy sollte an
diesem Tag der zweite Plauener Spieler sein, der mit
den schwarzen Figuren kein Feuer entfachen konnte. Obwohl
Andreas Götz seinen Vorteil im Endspiel fast schon
aus der Hand gegeben hatte, erkämpfte er mit seiner
ganzen Erfahrung, gerade solchen trügerischen Stellungen
noch einen zusätzlichen Schwindel zu verpassen,
den erneuten Ausgleich, der jedoch zweifelsohne ab diesem
Zeitpunkt ein glücklicher war. Denn die drei noch
laufenden Partien verrieten, dass die Plauener Könige
am Rand einer Auftaktniederlage standen. Günter
Leister drohte mit seinen Schwerfiguren in Christian
Hörrs entblößte Königsstellung
einzudringen, während sich Lion Pfeufer, ausgerechnet
im Endspiel seiner Heim- und Hofvariante, mit
Läufer und Springer gegen das Läuferpaar erwehren
musste. Nur bei Christof Beyer zeichnete sich der volle
Punkt ab, als er mit einer Mehrfigur ins Endspiel abwickelte.
Doch dann schüttelte Christian Hörr seinen
Kopf zu einem ganz fulminanten Headbanging, hatte er
doch tatsächlich in den letzten zehn Minuten, die
ihm verblieben waren, in einem anscheinend nur zum Schein
geführten Entlastungsangriff einen Turm erobern
können und kurz darauf die erstmalige Plauener
Führung. Lion Pfeufer, der Rößnitzer
Aspirant auf den Titel Plauener Meister 2006,
musste hingegen seine Verteidigung beenden. Das gegnerische
Läuferpaar hatte sich durchgesetzt, so wie es Andreas
Götz befürchtete, und also vorhergesehen hatte.
Die Tripelnull an den ersten drei Brettern blieb jedoch
ganz kurios ohne Folgen, denn noch mehr
Eindruck hinterließ das Quadrupel an den Brettern
fünf bis acht.
Die Partie schaun wir uns
heute Abend sowieso noch mal an, so Christof Beyers
Gegner. Zu Recht, denn schließlich gehörte
Leipzig-Südost der gefühlte Sieg. Allein
die Partieanalysen reichen für einen langen Abend,
gemeinsame Übernächtigung wahrscheinlich,
gemeinsame Übernachtung keinesfalls ausgeschlossen,
mit einem finalen wehmütigen Blick in die kosmische
Strahlung. Danach müssen wir noch mal reden. Und
Günter Leister wird viel zu erzählen haben.
Nicht nur über die weiße Dame, die ihm erschienen
war, Diagonalzüge tänzelnd von a5 nach c7
mit Schachgebot und danach von eben dort weiter, immer
weiter, ungebremst bis nach f4 zum Turmauslöschungsfeld,
so dass ihm, dem Südostler, die Medusa aus dem
Hemd sprang. Den griechischen Mythos besiegt wie im
Rausch.
Nur, warum hat Thomas
Reiter nicht einfach aufgelegt? Schließlich
hat er doch vorher wunderbar geschlafen.
SK König Plauen
II
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SF Leipzig-Südost
|
4½
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:
|
3½
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Zeleny,
Tomas |
2157
|
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Kreigenfeld,
Sven |
1996
|
0
|
:
|
1
|
Pfeufer,
Lion |
2084
|
|
Alf,
Michael |
1959
|
0
|
:
|
1
|
Lozovoy,
Sergej |
1937
|
|
Dechering,
Jens |
1934
|
0
|
:
|
1
|
Titz,
Johannes |
2013
|
|
Frowitter,
Jörg |
1882
|
½
|
:
|
½
|
Götz,
Andreas |
2062
|
|
Toumanski,
David |
1885
|
1
|
:
|
0
|
Beyer,
Christof |
1957
|
|
Stöckel,
Jens |
1849
|
1
|
:
|
0
|
Engelhardt,
Etienne |
1883
|
|
Andreadakis,
Lutz |
1767
|
1
|
:
|
0
|
Hörr,
Christian |
1873
|
|
Leister,
Günter |
1777
|
1
|
:
|
0
|
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