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1. LANDESKLASSE St. B – Saison 2006/2007
 

Die purpurnen Flüsse der Eröffnungstheorie
oder warum die Könige nicht aufsteigen können

"Die Plauener spielen schon seit zehn Jahren Schottisches Gambit, und können es immer noch nicht." (Steffen Ranft, SV Motor Hainichen 1949)

Als Etienne Engelhardt bei der Deutschen Vereinsmeisterschaft 2003 in Ditzingen zwei Partien im 26. und im 32. Zug verlor, weil der raue Gegenwind kurz nach der Eröffnungsmisshandlung kyrillesk wütete, so dass kein schwarzer Stein auf dem anderen blieb, sammelte die gesamte Mannschaft nach dem Turnier für einen wohltätigen Zweck, um den erlittenen Sturmschaden wenigstens zu lindern, ihm einen Neuanfang zu ermöglichen, das Engelhardt’sche Selbstbewusstsein wieder aufzubauen, dafür aber ausgerechnet in dessen Lieblingseröffnung noch einmal von vorn anzufangen, blieb unausweichlich, dafür also verhalf ihm die gesamte Mannschaft zu einem Eröffnungsbuch, welches, da mit mehrseitigem Inhalt, dem Leser ein kleines Geheimnis verrät, dass man fundamentale Theoriefaulheit nicht einmal mehr hinter Horatio Caro und Marcus Kann verstecken kann, es sei denn, aber das ist doch eher selten, und also fast schon wieder theoretisch, eine tote Katze schleicht sich in den Taubenschlag.

Auch wenn die Gäste aus Grimma das Tabellenende zierten, hatte der SK König schon erfahrungsgemäß mit einem fidelen Aufsteiger zu rechnen, denn wie trügerisch sich das Etikett des Ligadebütanten erweisen kann, war erst in der vergangenen Oberligapartie der Plauener gegen Merseburg zu erleben (auch hier spielte ein Aufstiegsaspirant gegen einen Liganeuling), als Matthias Hörr seine auf der Kippe stehende Partie unter großen Anstrengungen unbedingt ins Remis lenken musste, um nach diesem Langlauf - völlig durchnässt - den denkbar knappen Mannschaftserfolg zu sichern. Um solche körperlichen Strapazen zu vermeiden, wurde für den dieses Mal unwiderruflich verhinderten Johannes Titz Oberligaspieler Mathias Paul verpflichtet, für den zuletzt glücklosen Daniel Butzke rutschte Theresa Reh ins Team.

Als Lion Pfeufer am Spitzenbrett nach reichlich drei Stunden Kampf um Remis im Damenendspiel die Punkteteilung erreichte (dessen Gegner, Carsten Collini, hatte das Moskauer System so stark behandelt, dass aus der häuslichen Rößnitzer Vorbereitung kein Vorteil zu erlangen war), lagen zwar Sergej Lozovoy und Theresa Reh in ihren Weißpartien jeweils mit einer Mehrqualität aussichtsreich vorn, aber die restlichen drei Schwarzpartien erschienen allesamt bedenklich. Andreas Götz beklagte sich schon während der Partie über fehlende Eingebungen, doch seine Stellung befand sich immerhin noch im Gleichgewicht, war allenfalls leicht nachteilig. Mathias Paul fühlte sich hingegen gleich nach wenigen Eröffnungszügen unwohl, verbrauchte ungewöhnlich viel Zeit, weil ihm die korrekte Zugfolge in der sizilianischen Variante mit b3 erst viel später, und also viel zu spät wieder ins Gedächtnis kam, als der Zeitverbrauch schon in Richtung Zeitnot marschierte. Und Etienne Engelhardt schließlich schlug ein neues Kapitel Hauptvariante im Caro-Kann auf, als wollte er seine Mannschaft erneut auf ihre karitativen Qualitäten überprüfen, die auch beinahe angefangen hätte wieder zu sammeln. Doch auch Christian Hörr stand in seiner Lieblingseröffnung verlustevident. Nachdem er im Schottischen Gambit die Züge vertauschte, blieb nur noch ein strategischer Scherbenhaufen mit einem Minusbauern übrig. Christof Beyer leistete sich übrigens bereits im dritten Zug einen Fehlgriff, allerdings einen von der Sorte, welche für den Gegner nicht zu erkennen war. Nach 1. e4 c6 2. d4 d5 hatte der Plauener nach langer Zeit wieder einmal zur Durchzugsvariante greifen wollen, hielt aber plötzlich den Damenspringer in seinen Fingern, anstatt dem e-Bauern einen Schritt nach vorn zu verhelfen. Zumindest entwickelte sich nach weiteren acht Zügen hier bereits eine ganz solide Position, in der Peter Könze fast schon überfordert war.

Sonst aber fehlte dem Tabellenzweiten die Leichtigkeit. Theresa Reh konnte dem Dauerschach ihres Gegners nicht mehr entkommen und auch Sergej Lozovoy scheiterte, seinen Qualitätsvorteil über das Remis hinaus zu behaupten. Zwar gewann Christof Beyer kurz vor dem vierzigsten Zug seine Partie, brachte mit diesem Sieg die Plauener auch kurzfristig in Führung, Andreas Götz remisierte unmittelbar darauf, aber die restlichen drei Partien erinnerten an jenes Merseburgfinale in der Oberliga, als in mindestens zwei von drei Partien Niederlagen drohten. Teamchef, Etienne Engelhardt, quälte sich noch bis zum verlorenen Bauernendspiel (als gälte es, die Führung gegen den Aufsteiger so lange wie möglich zu verteidigen), und auch Christian Hörr hoffte noch auf einen finalen Schwindel (wie zum Saisonbeginn gegen Leipzig-Südost), aber die Doppelniederlage an den Brettern fünf und sechs war nicht mehr aufzuhalten, somit die 4:3-Führung des Aufsteigers nicht mehr zu verhindern. Matthias Paul hatte seine Stellung inzwischen saniert, in ruhiges Fahrwasser gelenkt, musste sie aber nun wiederum ins Ungleichgewicht bringen. Beim Lavieren im Endspiel mit Turm, Läufer und Springer erwies sich dessen Gegner aber letztlich um zwei Klassen schwächer. „Sau, 71 Züge habe ich gebraucht, ich muss mich heute für meine Leistung bei Euch entschuldigen.“

An diesem vollen Punkt hat das 4:4 kaum gelegen. Es waren wohl eher die ungenutzten Chancen, die gewonnenen Mehrqualitäten, die später wieder verflossen, und jene eigenwilligen Eröffnungsbehandlungen, bei denen sich Caro-Kann und Schottisches Gambit gemeinsam vor Aufstiegsangst am Ende in Rauch auflösten.

 

SK König Plauen II
SV 1919 Grimma
4
:
4
Pfeufer, Lion
2105
Collini, Carsten
2011
½
:
½
Lozovoy, Sergej
1937
Marquardt, Alexander
1995
½
:
½
Götz, Andreas
2062
Trott, Mario
1993
½
:
½
Beyer, Christof
1957
Könze, Peter
1836
1
:
0
Engelhardt, Etienne
1883
Schröder, Daniel
1818
0
:
1
Hörr, Christian
1869
Schröter, Samuel
1757
0
:
1
Paul, Mathias
2151
Lausch, Steffen
1702
1
:
0
Reh, Theresa
1770
Pohl, Gunnar
1718
½
:
½

 

 

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letzte Änderung: 05.12.2022