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Die purpurnen Flüsse der Eröffnungstheorie
oder warum die Könige nicht aufsteigen können

"Die Plauener spielen schon
seit zehn Jahren Schottisches Gambit, und können
es immer noch nicht." (Steffen Ranft, SV Motor
Hainichen 1949)
Als Etienne Engelhardt bei der Deutschen
Vereinsmeisterschaft 2003 in Ditzingen zwei Partien
im 26. und im 32. Zug verlor, weil der raue Gegenwind
kurz nach der Eröffnungsmisshandlung kyrillesk
wütete, so dass kein schwarzer Stein auf dem anderen
blieb, sammelte die gesamte Mannschaft nach dem Turnier
für einen wohltätigen Zweck, um den erlittenen
Sturmschaden wenigstens zu lindern, ihm einen Neuanfang
zu ermöglichen, das Engelhardtsche Selbstbewusstsein
wieder aufzubauen, dafür aber ausgerechnet in dessen
Lieblingseröffnung noch einmal von vorn anzufangen,
blieb unausweichlich, dafür also verhalf ihm die
gesamte Mannschaft zu einem Eröffnungsbuch, welches,
da mit mehrseitigem Inhalt, dem Leser ein kleines
Geheimnis verrät, dass man fundamentale Theoriefaulheit
nicht einmal mehr hinter Horatio Caro und Marcus Kann
verstecken kann, es sei denn, aber das ist doch eher
selten, und also fast schon wieder theoretisch, eine
tote Katze schleicht sich in den Taubenschlag.
Auch wenn die Gäste aus Grimma das
Tabellenende zierten, hatte der SK König schon
erfahrungsgemäß mit einem fidelen Aufsteiger
zu rechnen, denn wie trügerisch sich das Etikett
des Ligadebütanten erweisen kann, war erst in der
vergangenen Oberligapartie der Plauener gegen Merseburg
zu erleben (auch hier spielte ein Aufstiegsaspirant
gegen einen Liganeuling), als Matthias Hörr seine
auf der Kippe stehende Partie unter großen Anstrengungen
unbedingt ins Remis lenken musste, um nach diesem Langlauf
- völlig durchnässt - den denkbar knappen
Mannschaftserfolg zu sichern. Um solche körperlichen
Strapazen zu vermeiden, wurde für den dieses Mal
unwiderruflich verhinderten Johannes Titz Oberligaspieler
Mathias Paul verpflichtet, für den zuletzt glücklosen
Daniel Butzke rutschte Theresa Reh ins Team.
Als Lion Pfeufer am Spitzenbrett nach
reichlich drei Stunden Kampf um Remis im Damenendspiel
die Punkteteilung erreichte (dessen Gegner, Carsten
Collini, hatte das Moskauer System so stark behandelt,
dass aus der häuslichen Rößnitzer
Vorbereitung kein Vorteil zu erlangen war), lagen
zwar Sergej Lozovoy und Theresa Reh in ihren Weißpartien
jeweils mit einer Mehrqualität aussichtsreich vorn,
aber die restlichen drei Schwarzpartien erschienen allesamt
bedenklich. Andreas Götz beklagte sich schon während
der Partie über fehlende Eingebungen, doch seine
Stellung befand sich immerhin noch im Gleichgewicht,
war allenfalls leicht nachteilig. Mathias Paul fühlte
sich hingegen gleich nach wenigen Eröffnungszügen
unwohl, verbrauchte ungewöhnlich viel Zeit, weil
ihm die korrekte Zugfolge in der sizilianischen Variante
mit b3 erst viel später, und also viel zu spät
wieder ins Gedächtnis kam, als der Zeitverbrauch
schon in Richtung Zeitnot marschierte. Und Etienne Engelhardt
schließlich schlug ein neues Kapitel Hauptvariante
im Caro-Kann auf, als wollte er seine Mannschaft
erneut auf ihre karitativen Qualitäten überprüfen,
die auch beinahe angefangen hätte wieder zu sammeln.
Doch auch Christian Hörr stand in seiner
Lieblingseröffnung verlustevident. Nachdem er im
Schottischen Gambit die Züge vertauschte,
blieb nur noch ein strategischer Scherbenhaufen mit
einem Minusbauern übrig. Christof Beyer leistete
sich übrigens bereits im dritten Zug einen Fehlgriff,
allerdings einen von der Sorte, welche für den
Gegner nicht zu erkennen war. Nach 1. e4 c6 2. d4 d5
hatte der Plauener nach langer Zeit wieder einmal zur
Durchzugsvariante greifen wollen, hielt aber plötzlich
den Damenspringer in seinen Fingern, anstatt dem e-Bauern
einen Schritt nach vorn zu verhelfen. Zumindest entwickelte
sich nach weiteren acht Zügen hier bereits eine
ganz solide Position, in der Peter Könze fast schon
überfordert war.
Sonst aber fehlte dem Tabellenzweiten
die Leichtigkeit. Theresa Reh konnte dem Dauerschach
ihres Gegners nicht mehr entkommen und auch Sergej Lozovoy
scheiterte, seinen Qualitätsvorteil über das
Remis hinaus zu behaupten. Zwar gewann Christof Beyer
kurz vor dem vierzigsten Zug seine Partie, brachte mit
diesem Sieg die Plauener auch kurzfristig in Führung,
Andreas Götz remisierte unmittelbar darauf, aber
die restlichen drei Partien erinnerten an jenes Merseburgfinale
in der Oberliga, als in mindestens zwei von drei Partien
Niederlagen drohten. Teamchef, Etienne Engelhardt, quälte
sich noch bis zum verlorenen Bauernendspiel (als gälte
es, die Führung gegen den Aufsteiger so lange wie
möglich zu verteidigen), und auch Christian Hörr
hoffte noch auf einen finalen Schwindel (wie zum Saisonbeginn
gegen Leipzig-Südost), aber die Doppelniederlage
an den Brettern fünf und sechs war nicht mehr aufzuhalten,
somit die 4:3-Führung des Aufsteigers nicht mehr
zu verhindern. Matthias Paul hatte seine Stellung inzwischen
saniert, in ruhiges Fahrwasser gelenkt, musste sie aber
nun wiederum ins Ungleichgewicht bringen. Beim Lavieren
im Endspiel mit Turm, Läufer und Springer erwies
sich dessen Gegner aber letztlich um zwei Klassen schwächer.
Sau, 71 Züge habe ich gebraucht, ich muss
mich heute für meine Leistung bei Euch entschuldigen.
An diesem vollen Punkt hat das 4:4 kaum
gelegen. Es waren wohl eher die ungenutzten Chancen,
die gewonnenen Mehrqualitäten, die später
wieder verflossen, und jene eigenwilligen Eröffnungsbehandlungen,
bei denen sich Caro-Kann und Schottisches
Gambit gemeinsam vor Aufstiegsangst am Ende in Rauch
auflösten.
SK König Plauen
II
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SV 1919 Grimma
|
4
|
:
|
4
|
Pfeufer,
Lion |
2105
|
|
Collini,
Carsten |
2011
|
½
|
:
|
½
|
Lozovoy,
Sergej |
1937
|
|
Marquardt,
Alexander |
1995
|
½
|
:
|
½
|
Götz,
Andreas |
2062
|
|
Trott,
Mario |
1993
|
½
|
:
|
½
|
Beyer,
Christof |
1957
|
|
Könze,
Peter |
1836
|
1
|
:
|
0
|
Engelhardt,
Etienne |
1883
|
|
Schröder,
Daniel |
1818
|
0
|
:
|
1
|
Hörr,
Christian |
1869
|
|
Schröter,
Samuel |
1757
|
0
|
:
|
1
|
Paul,
Mathias |
2151
|
|
Lausch,
Steffen |
1702
|
1
|
:
|
0
|
Reh,
Theresa |
1770
|
|
Pohl,
Gunnar |
1718
|
½
|
:
|
½
|
|
|