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Erlanger Erpelreigen
Zwischen Regelignoranz
und Regelwahnsinn
"Des is a Wahnsinn", dass
Egon Bomert dieses Mal seine Frau und seine Tochter
mitgebracht hatte. Da hatte zwar das 18. Internationale
Turnier der Schachschule Erlangen noch nicht begonnen,
aber eben doch der Wahnsinn.
Kurz vor Partieende eine Stellung zu
verderben, also noch zu verlieren, obwohl man schon
fest an einen Gewinn geglaubt hatte, kann bei jedem
Turnier vorkommen; jedoch eine Stellung nach Partieende
zu verderben, also noch zu verlieren, obwohl man schon
gewonnen hatte, kommt nur bei ganz erlesenen Turnieren
vor, wie jenem Open der Schachschule Erlangen, bei dem
bestehende FIDE-Regeln nicht nur kleingedruckt ausgehängt,
religiös verehrt und inquisitorisch überwacht,
sondern neue auch gern schöpferisch generiert werden,
nonchalant aus der Hüfte geschossen, so dass die
Federn fliegen.
Die Gefahr der fremdbestimmten Niederlage
lauert in Erlangen permanent, sei es weil man unbeabsichtigt
den Durchschlag des Partieformulars abgegeben hatte
oder mit seinem Gegner nach geschlagen geglaubter Schlacht
der analytischen Nachbetrachtung frönte. Spielmaterial
aus dem (leeren) Turniersaal entwenden, um gleichzeitig
in ihm zu analysieren, wird als ignorante Regelwerksverletzung
im Rudel betrachtet. Verwarnung allemal, Turnierausschluss
nicht auszuschließen, keinesfalls unangemessen.
Alexander Doerman vom SC Noris Tarrasch
Nürnberg, mit Oberhaus-ELO (2103) und Unterhaus-DWZ
(1853), kam nicht einmal bis zur ersten Analyse. Die
Freitagabendpartie an Brett 13 verriet frühzeitig
einen Hauch von Wahnsinn, womöglich, da Ober- und
Unterhaus aufeinander trafen (obwohl das die naturgemäße
Bestimmung in der ersten Runde nicht nur erlesener Turniere
ist), vielleicht aber auch, weil der Vertreter des Unterhauses
Maslow (DWZ 1575) hieß, beim Gegner jedenfalls
nichts mehr in Butter schien, nachdem er auf Nachfrage
sichtlich verwundert noch dessen Vornamen Wladimir aufnahm
(wenngleich Karl-Heinz hier als Antwort eher Anlass
zur Sorge gegeben hätte), ganz sicher aber deshalb,
weil der vermeintlich bessere Spieler sich immer mehr
in eine schlechter werdende Stellung manövrierte.
Versuchte Doerman anfänglich noch
mit schnell ausgeführten Zügen seinen Gegner
zu verunsichern, hielt er ihm nur wenig später
giftigen Blickes (als wäre er eher ein Meister
der Hypnose statt des Schachspiels) ein rustikales Kaliber,
eine 1-Liter-Pott-Schnapsflasche, zuprostend unter die
Nase, leerte diese mit gierigen Schlucken bis zur knappen
Hälfte, trennte das Original seines Partieprotokolls
vom Durchschlag, um die Rückseite zu beschreiben,
schleuderte kurz darauf den Dienst versagenden Kugelschreiber
seinem Gegenüber entgegen, bediente sich ungefragt
bei dessen Stift, um sich endlich zaghaften Unmut von
Maslow zuzuziehen, dem er in der zweiten Person Plural
mit psychopathisch eingefärbter Stimmlage offenbarte,
dass er noch bekommen werde, was ihm schon lange zustünde
(Integrationshilfe war hierbei nicht gemeint), sich
in diesem Land ohnehin bald einiges ändern werde.
Schiedsrichter Jürgen Müller unterbrach diese
ungemütliche Situation mit einer Verwarnung und
zwei Minuten Zeitstrafe, aber die Metamorphose der Armseligkeit
nahm ihren stetigen Lauf. Wieder begann er auf der Formularrückseite
gehetzt zu schreiben (nachdem seine Krabbelfinger zwischenzeitlich
am Brett zwölf bei Christof Beyer gegrabscht hatten),
ein partietestamentarisches Vermächtnis für
Maslow zu verfassen, dass er nach Fertigstellung diesem
auch zur Unterschrift vorlegte: "Hiermit erkläre
ich an Eidesstatt, dass ich, Wladimir Maslow, aus dem
Verein Höchstadt an der Aisch, nur eine DWZ von
1575 habe, keine ELO besitze, keinen Computer auf der
Toilette benutze und auch nicht über Kopfhörer
mir Hilfe Dritter zu Nutzen mache
" [1] Im
Angesicht der eigenen Werteuntiefe, seine Wertzahl gar
auf dem Katafalk wähnend, brach es aus ihm heraus,
die totale ELO-Masturbation. Der Schiedsrichter schritt
erneut ein, verhinderte die womögliche Signatur
Maslows und brach die Partie sogleich ab, gab sie also
für Doermann verloren. Dessen Performance war jedoch
noch nicht erschöpft, die absolute Katastrophe
vorzuführen, sich komplett gemein zu machen, fehlte
noch. Doerman verlangte nach der Polizei und kündigte
ein gerichtliches Wiedersehen an, bevor er eine Schachuhr
in Richtung Brett 14 schleuderte, dabei die dortige
traf, welche Theresa Reh (war mit ihrem Gegner bereits
ans Tischreihenende geflüchtet) nur knapp verfehlte.
Den ihm am Brett gegenüberstehenden Maslow schlug
er so heftig auf die Schulter, dass er vor einem Sturz
bewahrt werden musste. Der Schiedsrichter ließ
die Uhren an allen Schachbrettern "neutralisieren",
verwies Doerman des Saales und teilte ihm mit, dass
er vom Turnier ausgeschlossen sei. Der Verurteilte zog
sich auf seinen Platz zurück, bockig wie ein ungezogenes
Kind, verlangte ein letztes Mal nach der Polizei, bevor
er schließlich in Begleitung seiner halbleeren
Pott-Flasche tobend das Theater verließ, in Richtung
auf und davon. Der Vorhang fiel, der erste Akt war vorüber.
Der zweite Akt war nicht weniger spannend
und gewalttätig, blieb aber auf Kampfeshandlungen
begrenzt, die ausschließlich auf dem Schachbrett
zu suchen waren. 18 Vertreter vom SK König Plauen
(15 Aktive, darunter 13 Nachwuchsspieler, nicht zu vergessen
das Müttertrio Kamrlova, Reh und Schweiger) reisten
dieses Mal zum Plauener Invasionsturnier in die Exklave
Erlangen. Es gab Turnierteilnehmer, die es in vier von
fünf Runden mit den Plauener Königen zu tun
bekamen - öfter als dies in manch Plauener Stadtmeisterschaft
der Fall wäre.
Der kleine Hashem Schweiger gehörte
zu den großen Überraschungen des Turnieres.
Erstaunlich, wie er erstmalig mit den Reh-Zwillingen
mithielt, ihnen sogar 1,5 Punkte abnahm, auch sonst
langen Atem in fast allen Partien zeigte. Auf Platz
61 erreichte er am Ende sogar die 50-Prozent-Hürde,
eine feine Leistung.
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Hashem Schweiger
konnte positiv überraschen und schaffte 2½ aus 5.
Eine Steigerung gegenüber dem Formtief
während der Dresdner Stadtmeisterschaft gelang
Frank Gerbeth. Er spielte sich vor bis an Brett vier,
erhielt allerdings nach zähem Kampf in nebulöser
Stellung gegen Josef Gabriel (Stuttgarter SF) einen
Dämpfer, ebenfalls zweieinhalb Punkte (Platz 42),
schlug er sich letztlich ein bisschen unter Wert. Ein
ganz starkes Turnier spielten die beiden Nachwuchsspieler
Daniel Butzke und Lion Pfeufer. Daniel Butzke holte
gegen fast ausnahmslos stärkere Gegnerschaft 3,5
Zähler und wurde dank hervorragender Buchholzwertung
auf Platz 15 mit dem dritten Jugendpreis belohnt. Lion
Pfeufer erreichte als einziger Nachwuchsspieler 4 Punkte
und sicherte sich damit den in dieser Kategorie mit
250 Euro dotierten Preis, Rang 11 für ihn im Gesamtklassement,
vor Nachwuchsspielerin Isabell Katte vom TSV Schott
Mainz auf Platz 14. Da keine doppelte Preisvergabe bei
diesem Turnier erfolgte, ging der Sonderpreis der besten
Jugendlichen an Theresa Reh (2,5 Punkte, Platz 58).
Ein schmeichelhafter Erfolg für eine eher schwache
Turnierleistung.
Christof Beyer, der mit drei Punkten
ins Turnier gestartet war, in der vierten Runde als
Zweitplatzierter sogar an Brett eins spielte, aber ebenso
wie Frank Gerbeth dem Stuttgarter Josef Gabriel unterlag,
hatte sich in der Schlusspartie bis zum drohenden Blitzschachfinale
allmählich eine klare Gewinnstellung erarbeiten
können. Am Nebenbrett kämpfte Peter Luban
in einem nachteiligen Damenendspiel ebenfalls am Rande
des Zeitlimits. Der plötzliche schiedsrichterliche
Auftritt aus dem Hintergrund hätte den Ausgang
der Partien fast hinterhältig auf den Kopf gestellt,
als Peter Luban und Christof Beyer in dieser Entscheidungsphase
jeweils eine Verwarnung erhielten. Luban, weil er zu
laut die Uhr gedrückt hatte (Jürgen Müller
hat eben ein Gehör wie Herrchens Lumpi), und Beyer,
da er mit einer eroberten Figur die Uhr betätigte.
Zwei Minuten Zeitstrafe und im Wiederholungsfall Partieverlust
waren vor Turnierbeginn für solche groben Vergehen
angekündigt worden. Zumindest Sanktionsstufe eins
wurde während des Wettkampfes hin und wieder mit
sicherer Hand vollstreckt - glücklicherweise nicht
in diesen Fällen, da das Blättchen beider
Uhren keinen Halt mehr gefunden hätte. Während
Beyer kurz danach seine Partie gewinnen konnte und auf
Rang acht eine Platzierung unter den Top-10 erreichte,
gelang Peter Luban (13. Platz) noch das rettende Unentschieden,
fast mit Aussicht auf mehr. Der Faden seines Gegners
war zerrissen, nachdem der Schiedsrichter die konzentrierte
Stille laut unterbrochen hatte, rüder als es ein
Handyklingeln, je vermocht hätte. Was für
ein Glück für Ponomariov, dass er bei diesem
toughen ELO-Turnier nicht mitspielte!
Zum Schluss zwei Tipps für den Veranstalter:
Erstens, niemals den Letztplatzierten des Forchheimer
ELO-Turnieres einladen und zweitens präventiv Tischnummer
13 entfernen. Dann wird der SK König auch im nächsten
Jahr wieder beim "Kasparle-Theater" teilnehmen.
Irgendwie gehören sie doch alle dazu: Jürgen
Tarrach, der Erpel, die taubstumme Filipina, der Pinguin,
Wladimir Maslow (der den Seniorenpreis gewann - wohlbemerkt
beim Schach, nicht beim Preisboxen), die siamesischen
Zwillinge (die dieses Mal fehlten) und die vielen kleinen
süßen Regeln, die immer anwesend sind.
Endstand (98 Teilnehmer):
Pl.
|
Name
|
Verein
|
TWZ
|
Pkt.
|
Buch.
|
1.
|
FM Degenhardt, Horst
|
SC Lorsch
|
2330
|
4.5
|
16.0
|
2.
|
IM Maier, Alexander
|
SC Noris Tarrasch Nürnberg
|
2336
|
4.0
|
17.5
|
3.
|
Szenetra, Werner
|
SC Rastatt
|
2167
|
4.0
|
16.0
|
8.
|
Beyer, Christof
|
SK König Plauen
|
2104
|
4.0
|
14.5
|
11.
|
Pfeufer, Lion
|
SK König Plauen
|
2008
|
4.0
|
13.0
|
13.
|
Luban, Peter
|
SK König Plauen
|
2113
|
3.5
|
15.5
|
15.
|
Butzke, Daniel
|
SK König Plauen
|
1913
|
3.5
|
15.0
|
42.
|
Gerbeth, Frank
|
SK König Plauen
|
1776
|
2.5
|
14.5
|
58.
|
Reh, Theresa
|
SK König Plauen
|
1574
|
2.5
|
11.0
|
61.
|
Schweiger, Hashem
|
SK König Plauen
|
1194
|
2.5
|
9.0
|
74.
|
Müller, Martin
|
SK König Plauen
|
1402
|
2.0
|
10.0
|
76.
|
Dietzsch, Peter
|
SK König Plauen
|
1314
|
2.0
|
8.5
|
77.
|
Schlegel, Jessica
|
SK König Plauen
|
1285
|
2.0
|
8.5
|
80.
|
Meyer, Sandra
|
SK König Plauen
|
1242
|
1.5
|
12.5
|
90.
|
Reh, Rebecca
|
SK König Plauen
|
1446
|
1.0
|
11.5
|
92.
|
Kamrla, Robin
|
SK König Plauen
|
1232
|
1.0
|
9.0
|
93.
|
Coburger, Peter
|
SK König Plauen
|
948
|
1.0
|
8.5
|
97.
|
Barth, Emanuel
|
SK König Plauen
|
1005
|
0.5
|
8.0
|
[1]
Auszug aus dem Bericht des DSB-Schiedsrichters Jürgen
Müller zum Turnierausschluss
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