Johannes Titz mit perfektem Einstand
Neuzugang gewinnt B-Turnier
/ Andere Plauener reißen keine Bäume aus
Die Sommerschachturniere in Geithain
vermitteln vor allen Dingen eines: provinzielle Idylle.
Für Städter ist das immer ein eigenartiges,
ja fast mittelalterliches Gefühl, wenn man kurz
hinter Chemnitz die Autobahn verlässt und durch
Gegenden fährt, in der sich die Mehrzahl der Dörfer
nicht mal ein Ortseingangsschild leisten kann
oder darf, denn oft ist man unschlüssig, ob die
Behausungen links und rechts der kurvenreichen Landstraße
überhaupt noch bewohnt sind. Bergauf, bergab, S-Kurve
hier, Pappelallee da, hüben und drüben Felder
so weit das Auge reicht ... das ist die sächsische
Provinz, ein Niemandsland im Dreieck zwischen den schillernden
Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz.
Fast paradox mutet es da an, dass auch
in diesem Jahr wieder sagenhafte 112 Schachspieler den
Weg nach Geithain gesucht und offenbar gefunden haben,
was nochmals eine Steigerung darstellt und das obwohl
sich die Quote der Plauener von 20 auf 8 Prozent reduzierte.
Neben der 6-köpfigen Mannschaft fürs A-Turnier,
unter ihnen die ehemaligen B-Sieger Stephan Buschmann
und Tobias Franz, sollte sich Johannes Titz erstmalig
für den SK beweisen und im B-Turnier eine vordere
Platzierung landen. Die Geschwister Meyer machten das
Team komplett.
Die Freitagabendrunde begann verheißungsvoll.
Christian Hörr remisierte sicher und Stephan Buschmann
gewann in einer grottenschlechten Partie gegen Steffen
Ranft. Jochen und Eddi nahmen trotz einiger Hindernisse
ebenfalls den ganzen Punkt mit nach Hause.
Im Autokorso ging es spätabends
ins 15 Kilometer entfernte Colditz. Das Führungsfahrzeug
erlegte dabei zielsicher einen Igel und mehrere Kröten.
Selbst überfahrene Katzen sah man später im
Vogelschutzgebiet auf der Fahrbahn liegen. Die Entscheidung,
statt in Rochlitz in Colditz zu übernachten, entpuppte
sich beinahe als Fiasko, denn so schön die Jugendherberge
von außen aussah, so viele Defizite hatte sie
bei der Bebettung und im Sanitärtrakt. Wie sich
herausstellte, nächtigte man in der Residenz, die
sich der hiesige Gauleiter 1938 zu NS-Zeiten extra am
Fuße des Schlosses (damals angeblich KZ und Gefängnis)
erbauen ließ. Mehr als eine Sanierung kann das
Haus in den 65 Jahren seiner Existenz kaum erfahren
haben.
An Platz, den
Bettenrosten, der Bettwäsche wurde zu sehr gespart.
Auch ein Papierkorb war im gesamten Haus nicht zu finden.
Genauso abenteuerlich wurde die anschließende
Suche nach einer Gastronomie. Colditz, immerhin mit
dem Stadtrecht versehen, scheint nach 22 Uhr die Lichter
auszumachen. Weder Bewohner noch Dönerbuden noch
Restaurants wurden im Zentrum rund um den Marktplatz
gesehen. Erst der letzte Ausritt des Spähtrupps
war ein Erfolg. Im "Waldschlösschen"
hoch über der Stadt saßen kurz nach halb
elf noch Gäste. Ein müdes Lächeln war
die Antwort des Wirts auf die Frage nach der Speisekarte.
Keine Chance. Naja, immerhin 'ne Bockwurst könne
er noch warm machen. Und für manchen wurde es dann
eben ein Doppelbock.
Aussichtsplattform
am Hang des Gauleitergrundstücks
(Logenplatz zur Jahrhundertflut 2002 mit Blick auf die
Mulde)
Colditz mit Schloss.
Auch bekannt für seine vielfältige Kneipenkultur.
Nach einer Nacht mit viel Mückengesumme,
nachfedernden und mitschaukelnden Betten (Modell "Hängematte")
und nicht enden wollenden Murmellauten konnte wenigstens
das reichhaltige Frühstück überzeugen.
Dennoch, so schien es, bekam Jochen während seiner
Partie gegen Eddi einen Hungerast, stellte prompt eine
Figur ein und bekam umgehend das Remis vom mehr von
Angst als von Respekt geprägten Widerpart erstattet.
Einzige vereinsinterne
Paarung: Bandt Engelhardt. Remis durch kollektive
Angst.
"Ein Land im Sparwahn" dachte
man sich dann zum Mittagessen in der hauseigenen Gaststätte.
Mehr als ein kleiner Teller Kartoffelsuppe schien im
20-Euro-Startgeld nicht enthalten zu sein. Der örtliche
Aldi-Markt rettete die Nachmittagsrunde. Dort schraubte
Eddi sein Punktekonto dann schon auf 2½ aus 3,
während Jochen leider überzog und auch die
anderen mehr schlecht als recht spielten. Einzig Johannes
Titz blieb punktemäßig noch im Soll. Mit
viel, viel Dusel stand er bei 100%, und langsam schien
sich anzukündigen, was keiner aussprechen wollte.
Nach der überzeugenden Bockwurstsession
am Freitag war auch am Samstag wieder das "Waldschlösschen"
angesagt. Es überraschte diesmal mit Mensa-ähnlichen
Leckerbissen wie Spaghetti Carbonara, Schnitzel mit
Pommes, Rostbrätl oder Bauernfrühstück.
Obwohl man sich den Eisgang hätte sparen können,
wurde reichlich Trinkgeld gegeben. Trotz Hartz IV. Oder
gerade deswegen.
Die zweite Nacht in den Hängematten
verlief ruhiger. Zu müde zum Murmeln, die Mücken
vertrieben vom ätzenden Biergeruch auf dem Fußboden.
Ach ja, schon wieder Schach am Sonntag.
Engelhardt gegen Schenk wurde zu einer einseitigen Angelegenheit
für den Turniersieger wieder aus der Traum
vom Platz auf dem Treppchen. Johannes Titz fuhr den
vierten Punkt ein. In der letzten Runde stand er dann
wieder klar schlechter, profitierte aber vom Übermut
des Gegners und machte im Turmendspiel endgültig
den Sack zu. 5 aus 5 bedeuteten den Turniersieg und
die Qualifikation für das A-Turnier für unseren
Neuzugang vom VSC Plauen. Seit drei Jahren ist das B-Turnier
damit schon fest in Plauener Hand.
Johannes Titz:
Sieger mit 100% im B-Turnier
Bis auf Tobias Franz wurde es für
alle ein versöhnlicher Abschluss. In einer extrem
taktischen Partie stellte er im Zeitnotfinish die inzwischen
gewonnene Stellung mit Mehrqualität quasi einzügig
ein. Zwar musste Christian Hörr für seine
beiden Siege die vollen acht Stunden am Brett sitzen,
aber so wurde nach der "kleinen Rochade" vom
Vortag der Einsatz wenigstens belohnt. Die großen
Überraschungen im A-Turnier blieben insgesamt aber
aus.
Wohl wird der Verein der Provinz auch
nächstes Jahr einen Besuch abstatten, wenigstens
um den Titel zu verteidigen. Allerdings fällt auf,
dass das Turnier etwas an Attraktivität für
die Könige eingebüßt hat. Pardubice
hat sich ganz klar zum Höhepunkt des Sommers gemausert
und auch sonst sind 70 Euro für zweieinhalb Tage
Gammelschach eine Menge Holz. Eben gerade wegen Hartz
IV, wie auch der Bürgermeister der Stadt Geithain
bemerkte und damit erneut der Versuchung nicht widerstehen
konnte, aus seiner Dankesrede eine Wahlkampfveranstaltung
zu machen.
Endstand A-Turnier (38 Teilnehmer):
Pl.
|
Name
|
Verein
|
DWZ
|
Pkt.
|
1.
|
Schenk, Alexander
|
USG Chemnitz
|
2204
|
4.5
|
2.
|
Schulte, Jürgen
|
SC 1911 Großröhrsdorf
|
2136
|
4.0
|
3.
|
Döring, Hans-Ulrich
|
SV Eiche Reichenbrand
|
2126
|
3.5
|
10.
|
Engelhardt, Etienne
|
SK König Plauen
|
1915
|
3.0
|
11.
|
Bandt, Jochen
|
SK König Plauen
|
2005
|
3.0
|
18.
|
Buschmann, Stephan
|
SK König Plauen
|
1826
|
2.5
|
22.
|
Hörr, Christian
|
SK König Plauen
|
1826
|
2.5
|
27.
|
Gerbeth, Frank
|
SK König Plauen
|
1775
|
2.0
|
34.
|
Franz, Tobias
|
SK König Plauen
|
1710
|
1.5
|
Endstand B-Turnier (74 Teilnehmer):
Pl.
|
Name
|
Verein
|
DWZ
|
Pkt.
|
1.
|
Titz, Johannes
|
SK König Plauen
|
1675
|
5.0
|
2.
|
Frieden, Stephan
|
Burgstädter TSV
|
1680
|
4.5
|
3.
|
Kynaß, Leonard
|
|
|
4.0
|
50.
|
Meyer, Sandra
|
SK König Plauen
|
1385
|
2.0
|
53.
|
Meyer, Stephan
|
SK König Plauen
|
1230
|
2.0
|
|