RUBRIKEN
Home
Verein
2. Bundesliga
Teams II - V
Nachwuchs
Metachess
BEYOND CHESS
Metachess
weitere Artikel
SPONSORING

INTERVIEW MIT ANDREA HAFENSTEIN
 

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Holger Seiling (Schachlinks.com). Das Original finden sie hier: http://www.schachlinks.com/cgi-bin/admin/hp_link.cgi?action=interview_anzeigen&interview_id=14

 

Frau Hafenstein, maßgeblich bestimmt wurde Ihr Leben durch die Horrordiagnose "Krebs". Der Tumor zwang Sie zu unzähligen Behandlungen und operativen Eingriffen. Dass Sie noch leben, verdanken Sie nach eigenem Bekunden jedoch vor allem dem Schachspiel.

 

Es ist richtig. Ich sage immer wieder, dass mir das Schachspielen geholfen hat. Ich begann es mit 6 Jahren. Ich lernte, was es heißt, Ausdauer zu haben, Disziplin und vor allem das Kämpfen. Dieses versuche ich mir jetzt zu Nutze zu machen. Schach ist kein Sport, in dem man nur 10 Top-Jahre hat wie beim Fußball. Schach kann man sein ganzes Leben lang spielen und so gibt es mir Hoffnung immer mal ein Turnier mitzuspielen und dabei gut abzuschneiden. Man taucht in andere Welten ein und in diesen Momenten vergesse ich um mich herum (fast) alles, sogar auch meinen Schmerz. Meine letzte OP war im April. Es ist nunmehr die 20igste in einem Zeitraum von 3½ Jahren. Es ist ein so seltener und dazu sehr aggressiver Krebs, wo man leider noch nicht absehen kann, wie viele OPs noch folgen werden.

 

Wer hatte die Idee zu Ihrem autobiographischen Buch "Schach dem Tumor"? Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Co-Autor Jörg Seidel ?

 

Es war meine Idee. Wenn man dass Buch gelesen hat, kommt man vielleicht darauf, warum es geschrieben wurde. Mir ist einfach zu viel zugestoßen. Die Schicksalsschläge nahmen ihren Lauf. Ich hatte das Gefühl ich platzte gleich. Ich musste mich öffnen, um es besser verarbeiten zu können. Gleichzeitig merkte ich, dass es noch viele andere Personen gibt, denen es so oder ähnlich passierte wie mir. Ich sprach vielen aus der Seele und ich half auch vielen aus ihrem Schneckenhaus raus zu kommen um den Kampf auf zu nehmen. Ich sage immer wieder, ich bin nicht auf die Welt gekommen, um jetzt schon abzudanken. Man hat nur das eine Leben, also bleibt einem nichts weiter übrig ,als zu kämpfen. Ich halte mir immer wieder vor Augen, wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat verloren. Der Co-Autor Jörg Seidel half mir lediglich. Der Rahmen drum herum und das Philosophische ist von ihm, aber alles andere ist von mir. Mein Lebenspartner hatte seine Tochter Maria trainiert. Daher kennen wir uns. Sie wohnen aber seit ein paar Jahren in England. Ich bin richtig glücklich, Jörg Seidel an meiner Seite gehabt zu haben.

 

In einem Verlagstext zu Ihrem Buch heißt es, Sie würden darin ähnlich betroffenen Menschen Mut machen. Wir können uns kaum vorstellen, das Sie dieses Buch nur für Patienten geschrieben haben?! An welche Leserschaft wendet sich Ihr Buch und welche Kernbotschaften sind darin enthalten?

 

Ich hatte leider keinen Verlag für mein Buch. Ich bekam nur Absagen (Bastei, Lübbe usw.). So hat sich meine Tageszeitung "Freie Presse" bereit erklärt, das Cover immer kostenlos zu schalten. Sie besorgten mir auch eine Druckerei. Süddruck-Neumann nahm sich meiner an und gestaltete mein Buch. Die Idee für das Cover ist vom mir. Denn Schach hat mit Kopf zu tun und Kopf hat mit Schach zu tun. Die Freie Presse hat eine Auflage von über 500.000 Lesern. Die Druckerei mit Betriebsleiter Herrn Rüffer ist auch aus Plauen. So haben wir (Marco und ich) eine eigene Homepage erstellt und das Buch darüber verkauft. Es wurden einige Rezensionen geschrieben, so dass man feststellte, dass das Buch in drei verschiedenen Regalen (Rubriken) stehen könne (Biographie, Schach und Krankheit). Ich hatte eine Auflage von 1500 Stück.

 

Trotz Ihrer Medienpräsenz (Fernsehen, Presse, Internet) und der Ihnen entgegengebrachten Wellen an Symphatie hatten Sie sich mit ganz irdischen Problemen herum zu schlagen. So bemühten Sie sich lange vergebens um die Anerkennung Ihrer Invalidität und hatten mehrfach Sorgen mit der Kostenübernahme seitens der Krankenkasse. Sind diese Probleme inzwischen vom Tisch oder ist mit Ihrer Erkrankung zwangsläufig auch ein sozialer Abstieg verbunden?

 

Es stimmt, man muss um alles kämpfen. Ich hatte doch nun einen Gehirntumor, einen Schlaganfall und dazu den unheilbaren Krebs, aber wer nun denkt, man sei mir deshalb entgegengekommen, der täuscht sich. Man sagte mir sogar, ich sehe zu gesund aus für meine Krankheiten. Dabei bin ich froh darüber, dass man mir meine Erkrankung nicht schon von 100 Metern Entfernung ansieht .Andere sitzen leider am längeren Hebel und so muss man sich so etwas schon mal gefallen lassen. Es ist leider nicht möglich, sich auf seine Genesung zu konzentrieren. Dafür sorgen die Behörden schon, denn sie sind es letzten Endes, die einen kaputt machen. Die vielen Formulare, die man ausfüllen muss um etwas zusätzliches zu bekommen, machen einen noch mehr krank. So bin ich immer wieder gezwungen, jedes Jahr neu Rente zu beantragen. Das Geld, was für die Gutachter gezahlt wird, hätte mir schon einige Jahre weitergeholfen. (Ich hörte, dass ein Gutachter so um die 5000 Euro erhält. Das eine Jahr hatte ich davon fünf.)

 

Sie sind nicht nur die Mutter zweier Kinder, sondern auch "Schachmutter" und "Maskottchen" der Schachfreunde vom SK König Plauen. Sie haben die 1. Männermannschaft begleitet und betreut. An Ihrem Schicksal nahm man dort regen Anteil. Eigens für Sie hat man sogar ein Spendenkonto eingerichtet.

 

Der Aufstieg unserer Männermannschaft war eine Sensation. Ich bin tatsächlich ein Jahr mit herum gereist. Ich möchte keine Sekunde davon missen. Man hat viel dabei gelernt. Es waren viele Persönlichkeiten, die man miterleben konnte. Es stellte sich heraus, wie unterschiedlich doch die Schachspieler sein können. Einer trug z.B. immer einen roten Schal, der andere hielt sich seine Ohren zu, ein anderer hatte immer einen gelben Pulli an usw. Auch was die Berufe angeht. Manche haben Mathe studiert - was dem Schach wohl sehr nahe kommt- aber es gibt auch einfache Facharbeiter. Ich habe in diesem Jahr 3 Bilder-Alben angefertigt in dem jedes Spiel unserer Männer festgehalten wurde einschließlich dem Schiedsrichtergespann und natürlich den Gegnern mit Namen und Zeitpunkt. Es hat großen Spaß gemacht, meine Männer zu betreuen. Es stellte sich ja auch heraus, dass ich gebraucht wurde. Einer wollte nach 2 h eine Tasse Kaffee, ein anderer nach 3 h einen Tee, wieder ein anderer nahm 2 Schokoriegel der nächste wollte einen Saft oder eine Banane. An diese Zeit denke ich gern zurück. Der Mannschaftsleiter G. Sandner hatte die Spendenaktion ausgerufen, da es mit der Krankenkasse Probleme gab. Es sollte eine Untersuchung stattfinden, die sehr viel Geld kostete. Der Antrag bzw. die Bewilligung hätte viel Zeit in Anspruch genommen, die ich leider nicht hatte. Dennoch habe ich leider einige Außenstände. Ich hatte dass Glück, dass sich der Prof. der HNO sehr für mich einsetzte und die Untersuchung wegen erhöhter Dringlichkeit möglich machte. Mein Lebensgefährte Marco Schaarschmidt ist auch Mitglied beim SK König. Er ist dort Trainer der Mädchen. Da lag es ja wohl nahe wohin ich gehe.

 

Sie spielen derzeit in der Damen- Bundesliga bei den Rodewischer Schachmiezen, hatten in der letzten Saison jedoch nur einen einzigen Einsatz. Besteht die Aussicht, Sie demnächst wieder öfter am Brett zu sehen?

 

Es stimmt. Die Zahl meiner Einsätze war gering. Aber bei 20 Operationen ist es schon schwierig häufiger zu spielen. Ich habe teilweise OPs so legen lassen, dass ich spielen kann und dennoch verlief die Genesung nicht gemäß meinen Vorstellungen. Ich habe einen Freiplatz für die diesjährige DM der Frauen. Vom 14.-24.07.05 in Bad Königshofen erhalten. Das ist mein nächstes Ziel. Dabei zu sein und durchzuhalten. Denn nach dem Schlaganfall habe ich eine Kurzzeitgedächtnisstörung.

 

Welche waren Ihre bisher größten Erfolge im Schach?

 

Wie in meinem Buch bereits erwähnt, der Einzelsieg als Schülerin gegen Wolfgang Uhlmann. 1998 belegte ich nach 15 Jahren Schachpause und 6 Wochen nach meiner Gehirnoperation den 10. Platz. bei den Frauen. Voriges Jahr den 7. Platz nach OP Nr. 17.

 

Auf Ihrer Homepage gibt es Genesungswünsche etlicher Großmeister. Man kennt Sie offenbar in der Schachszene. Auch Sie kennen viele prominente Größen persönlich. Welche dieser vielen Begegnungen war besonders beeindruckend?

 

Immer wenn ich in Dresden war, kam es zu einem Treffen mit Wolfgang Uhlmann. Er ist nach wie vor mein Vorbild. Er kennt meine Geschichte und ist stolz , das ich es soweit geschafft habe. Ebenso geprägt wurde ich durch meinen damaligen Trainer, der auch mein Schuldirektor war. Helmut Hartmann und seine Frau waren wie meine zweiten Eltern für mich. Ich habe auch heute noch sehr guten Kontakt zu ihnen. Meine Teilnahme an der EM in Dresden 2004 war natürlich der Höhepunkt. Ich habe ein Autogramm von GM Kasparow bekommen. Ich kam von der Operation und es stellte sich heraus, dass die Teilnehmerzahl ein Ungerade war und so konnte ich noch kurzfristig mitspielen. Ich wurde die erste Runde "genullt", habe aber trotzdem 5 aus 11 geholt. Das Bild von der Autogrammstunde mit Kasparow, Dr. Dirk Jordan und meiner Wenigkeit (ich hatte noch einen Verband im Gesicht) hängt in unserer Wohnung.

 

Was haben Sie für die Zukunft geplant? Wird es zu Ihrem Buch möglicherweise noch eine Fortsetzung geben?

 

Ich kann leider nicht planen. Ich sehe immer nur bis zum nächsten Tag, da die Schmerzen immer schlimmer werden und ich deshalb mehr Medikamente nehmen muss. Ich freue mich einfach über Kleinigkeiten und möchte auch nicht bemitleidet werden. (Rollstuhlfahrer auch nicht) Es soll jeder so genießen dürfen wie er es kann und sollte dafür auch respektiert werden. Ich habe im September 2001 in Hannover angefangen, ein Tagebuch zu schreiben. Es ist nun ein zweites Buch geplant, aber ich brauche jemanden, der es für mich zu Ende schreibt. Vielleicht kennt ihr ja jemanden?? Die ganze Sache ist ja passiert als der Terroranschlag in New York war. Mein Prof. bekam keinen Rückflug und so hat sich der Krebs leider ausbreiten können, da die OPs mehrfach verschoben werden mussten. Der Titel steht schon. "Matt dem Krebs".

 

Schachlinks.com bedankt sich für das Gespräch.

Copyright © 2001- 2025 by Christian Hörr
letzte Änderung: 05.12.2022