Wie man sich weltweit Freunde macht

FM Gunter Sandner war beim Festival in Pardubice im GM-Turnier dabei

Pardubice.

Das diesjährige Pardubicer A-Turnier, nach dem Hauptsponsor „Comercni Banka" genannt, hatte es wieder in sich. 310 Teilnehmer aus 41 Nationen, darunter 4 Großmeisterinnen und 7 Internationale Meisterinnen sowie 45 bzw. 56 ihrer männlichen Pendants sorgten für ein auserlesenes Feld. Leider öffnet sich das durch die untere Begrenzung auf eine Wertzahl von mindestens 2200 für Normen ideale Turnier auch immer mehr dem Kommerz. So durften heuer 50 Spieler, deren Zahl zum Teil beträchtlich tiefer lag, gegen Zahlung eines erhöhten Startgeldes den Kampf mit dem ELO-Besten Sasikiran (Indien/2633), Europameister Macieja (Polen), einer ganzen Horde Russen (darunter der unverwüstliche Ratmir Cholmov), Lutz Espig und mir aufnehmen.

Ich war denn auch gleich in der ersten Runde Leidtragender. Denn bei meinem Sieg war mein größter Kontrahent nicht etwa Josef Hudacek (2086!), sondern die Freundin meines Kollegen am Nachbarbrett. Die bildhübsche Dame, bekleidet mit Top und Mini, stand die ganze Zeit hinter Hudacek und ließ meine Konzentrationsfähigkeit ein wenig sinken. Zum Glück verschwand sie ab und an, so konnte ich meinen einzigen schachlichen Einfall an diesem Tag in einen vollen Punkt umwandeln. Trotzdem musste ich meine IM-Normchancen trotz des Sieges eigentlich schon begraben. Ab Runde 2 begann dann mein Martyrium ganz besonderer Art. Denn ich fand mich in den nächsten 7 Runden immer in der unteren Hälfte der punktgleichen Gegner. Das bedeutete sieben mal nacheinander einen Gegner zwischen Platz 50 und Platz 100 der Setzliste oder auch zwischen ELO 2470 und 2407. Das bedeutet im Nachhinein auch die Erkenntnis, dass ich wohl nie Internationaler Meister werden kann, weil ich einfach nicht so gut wie solche Gegner spiele.

Denn gingen in Runde 2 und 3 die Remisen gegen die Tschechen Milan Zurek und Eduard Meduna noch halbwegs in Ordnung, hatte ich mit Weiß gegen den jungen Russen Vladimir Dobrov schon mächtiges Schwein, ein Endspiel mit Turm und Bauer gegen zwei Leichtfiguren nicht zu verlieren. Noch schlimmer kam es gegen Alexander Filipenko in Runde 5. Der zog mir das Benoni derart locker ab, dass ich bereits den ersten Gedanken an Aufgabe verschwendete. Aber zu beidseitigem Erstaunen schlug Alex den zweiten zu schlagenden Bauern nicht mit dem angegriffenen Turm, sondern dem Läufer, und ich hatte plötzlich den ganzen Unglücksturm mehr. Großes Kopfschütteln während und eine längere Erklärung des Ganzen nach der Partie - wegen meines „iswinitje" dachte Filipenko wohl, ich verstünde was auf Russisch.

Mit diesem erfreulichen Zwischenstand flogen meine Gedanken zu all den anderen Turnieren, wo ich nach ähnlichem Beginn nie eine IM-Norm geschafft hatte. Dieses geballte Wissen half mir auch gegen den Isländer Stefan Kristjansson. Der hatte wohl mittels Strg-P und Alt-D meine höchstunerfreuliche Performance mit dem Lb5-Sizi erkannt und trug mich wie all die anderen in letzter Zeit einfach ab. Soll ich in Zukunft 2...e6 spielen??? In Runde 7 das nächste Geschenk, Vladimir Onoprienko ließ mich wieder entwischen. Nachdem er mehrfach gewinnen konnte, kam mir nach der Zeitnotphase die rettende Dauerschachidee. Da halfen auch alle Ausweichversuche nichts mehr. Ein sehr angesäuertes „Nitschja" beendete das Spiel.

Runde 8 verdient, ausführlicher besprochen zu werden. Denn Gegner war der ungarische Großmeister Peter Szekely. Ruft man diesen Namen im Laptop ab, sieht man Erstaunliches. Denn mehr als dreiviertel seiner Partien enden Remis unter 20 Zügen. Die Varianten sind eingefahren, der Mann besitzt Respekt unter seinesgleichen. Die Frage war nur, bei welcher ELO seiner Meinung nach die Patzer anfangen und er dem Remis ausweicht. Jetzt weiß ich, dass es oberhalb von 2312 sein muss. Denn trotz schöner Vorbereitung kam ich unter Druck, befreite mich und stellte das Ganze in Zeitnot ein. Dafür habe ich jetzt einen Freund aus Ungarn. Die letzte Runde stand für mich ganz im Zeichen der Heimfahrt. So schaffte ich auch neun Züge gegen den früheren schwedischen Schach-Olympioniken Gunnar Johansson.

Wie lautet mein Resümee? Pardubice war wieder eine Reise wert. Allerdings könnten die Kommerzbestrebungen der Ausrichter auch dieses schöne Turnier in der Zukunft kaputt reiten, wie es andere professionelle Veranstalter in Deutschland schon bewiesen haben. Das Besondere an Pardubice war, dass man durch die Beschränkung auf ELO 2200+ immer einen starken Gegner bekam. Sollte dies wegen ein paar Euro wegfallen, wäre das sehr schade.

Sollten Sie eine Berichterstattung über Lutz Espig vermissen, so folgt diese in den nächsten Tagen.

 

Gunter Sandner

 

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Copyright © 2001 by Christian Hörr. Letzte Aktualisierung am 29. Juli 2002.