Teil 1: ... als die Schachwelt
noch in Ordnung war
Teil 2: Schachweisheiten
Teil 3: Schach als oberste Synthese des Seins
Ein Mann fragte seinen Geistlichen, ob es denn eine Sünde sei, wenn er am Sonntag an einem Turnier teilnehme. Der Pfarrer bat um die Formulare seiner Partien. Dann folgte das salomonische Urteil: "So wie Sie in diesem Turnier gespielt haben, ist es eine Sünde - und zwar an jedem Tag der Woche!"
Ein Schachspieler bekam den Preis für die beste Partie des Turniers und gab ein Telegramm nach Hause auf, in dem er stolz verkündete, er habe den Schönheitspreis gewonnen. Das Mädchen am Schalter betrachtete ihn leicht erstaunt und meinte, als er gegangen war zu ihrer Kollegin: "Da möchte ich wissen, wie erst die anderen ausgesehen haben!"
Bei
einem Frauenturnier spielte eine Spanierin gegen eine Engländerin. Die Stellung
war total gleich und die Spanierin hielt den Moment für geeignet, um Remis
anzubieten.
"Tablas?" (d.h. Remis auf Spanisch)
"Draw?" war die britische Antwort.
Daraufhin wandte sich die Spanierin Hilfe suchend an eine dabeistehende
Französin, die bereitwillig Auskunft gab: "Nulle!" (d.h. Remis
auf Französisch). Danach ging die Partie weiter ...
Mitte der 70er Jahre stand in New York ein Mann vor Gericht, der aus verschiedenen Büchereien über 800 Schachbücher gestohlen hatte. "Ich würde Sie glimpflich davon kommen lassen", verkündete der Richter, "wenn Sie das Ziel hätten, den WM-Titel in die USA zurückzuholen. Aber ich habe Ihre letzten Gegner gefragt, und die meinen, dass Karpow sich garantiert keine Sorgen machen muss ..."
Einmal fragte ein junger Meister einen Kollegen: "Was meinen Sie, ist Schach Kunst, Sport oder Zeitverschwendung?" - "Das hängt davon ab, wer spielt. Wenn Smyslow spielt, ist es Kunst, wenn ich spiele ist es Sport, wenn Sie spielen, ist es Zeitverschwendung!"
Ein Fußballschiedsrichter hatte eine originelle Sammlung von Gegenständen, mit denen ihn Zuschauer beworfen hatten. "Ich glaube, man kann das alles schwer vergleichen; manche Fans haben mich sogar mit Pflastersteinen beworfen, aber am kultiviertesten waren die Isländer, die warfen mit Schachfiguren!"
Ein Großmeister wurde einmal gefragt: "Was meinen Sie, wieviel Zeit sollte man investieren, um gut Schach spielen zu lernen?" - "Das hängt von bestimmten Fähigkeiten ab wie Bescheidenheit, Willensstärke, Talent, ..." - "Und wenn ich diese Fähigkeiten nicht habe?" - "Dann reichen fünf Minuten!"
In
einer amerikanischen Meisterschaft gewann Sherwin in den ersten Runden
alle Partien. Reshevsky, der es ihm gleichtat, sagte: "Sehen Sie,
niemand kann Sie schlagen. Nun muss ich Sie selbst stoppen!" - "Könnte
sein", erwiderte Sherwin, "aber vielleicht stoppe ich auch Sie!"
- "Nicht in einer Million Jahren!", war Reshevskys Antwort.
Wenige Runden später schlug Sherwin Reshevsky und sagte: "Wie doch die
Zeit vergeht!"
Beim
Schachspiel gegen König Heinrich IV. von Frankreich passierte dem
Edelmann Francois de Bassompierre das Missgeschick, einen ziemlich
lauten, unzweideutigen Ton von sich zu geben, als er mit einem Springer ziehen
wollte. Geistesgegenwärtig rettete er die Situation, indem er zum König sagte:
"Eure Majestät, dieses Pferd rührt sich ohne Trompetensignal nicht von
der Stelle!"
"Wenn
Sie tausendmal soviel wissen würden, es würde Ihnen nichts nützen, denn das
Schach muss man damit" - und Aljechin deutete im Gespräch mit
dem tschechischen Meister Opocenski an seinen Kopf - "spielen. Im
Schach entscheidet nämlich nicht das, was man weiß, sondern das, was man kann.
Die Theorie ist zwar sehr wichtig, aber der Witz gilt manchmal mehr. Der Witz würzt
das Leben und nicht das Einmaleins!"
Als Tarrasch 1908 gegen Weltmeister Lasker antrat, hatte er den Höhepunkt seiner Laufbahn bereits überschritten. Im Stile eines modernen Boxer meinte er vor dem Wettkampf aber zu seinem Kontrahenten: "Für Sie habe ich nur drei Worte übrig: Schach und Matt!" Tatsächlich blieb Lasker davon nicht unbeeindruckt: Es ist überliefert, dass er an hypnotische Kräfte Tarraschs glaubte und daraufhin forderte, mit ihm in einem separaten Raum zu spielen. Er gewann das Match mit 10,5:5,5.
In einem Turnier benötigte Akiba Rubinstein nur noch ein Unentschieden, um den Sieg davonzutragen. Ein paar Züge wurden gespielt und sein Gegner bot Remis an. Rubinstein lehnte ab! Einige Züge später, als Rubinstein inzwischen deutlichen Vorteil hatte, bot er selbst Remis, was sofort und gönnerhaft akzeptiert wurde. Er sagte dann: "ICH entscheide, wie die Partie ausgeht, gegen einen Spieler von IHREM Kaliber!"
Als Nimzowitsch einmal in Israel war, besuchte er anonym den dortigen Lasker-Schachclub. Natürlich fertigte er einen Spieler nach dem anderen ab. Tatsächlich aber sagte einer der Kiebitze zu ihm: "Sie sind ein sehr starker Spieler. Ihr Stil erinnert mich an Nimzowitsch!"
Robert Hübner |
Zwischen Hübner und Rogoff soll
sich auf einer Jugend-Mannschaftsweltmeisterschaft die folgende Geschichte
ereignet haben: Damals wurden noch Hängepartien gespielt und Hübner musste sehr
lange spielen. In der nächsten Runde musste Deutschland gegen die USA antreten
und Hübner forderte für sich selbst verständlicherweise eine Pause. Sein
damaliger Coach meinte aber, man brauche seine Stärke oder wenigstens seine
Präsenz am 1. Brett. Hübner willigte also ein, aber nur unter der Bedingung, er
dürfe Remis machen. Damit war der Teamchef einverstanden und er hoffte, dass
damit ein Ruck durch die Mannschaft ginge.
Hübner, der jedoch schon immer an Mann von Prinzipien war, wollte nicht, dass
eine solche Partie jemals an die Öffentlichkeit gerät, also bot er Rogoff (der
sehr stark war, aber nicht ganz so gut wie Hübner), dass man Remis vereinbare,
ohne einen Zug ausgeführt zu haben. Rogoff willigte ein.
Die Turnierleiter andererseits fanden das gar nicht so lustig und weigerten
sich, das Ergebnis zu akzeptieren. Daraufhin nahmen sich beide ein Formular und
konstruierten eine Partie mit etwa folgenden Zügen: 1.b3 g6 2.Sa3 Lg7 3.Tb1 La1
4.Lb2 Sh6 5.Lg7 Tg8 6.Lh8 Lg7 usw. mit Remis. Das gefiel den Offiziellen erst
recht nicht, und sie bestanden darauf, dass die beiden sinnvolle Züge
ausführten. Rogoff war einverstanden, Hübner nicht. Als Ergebnis wurde
schließlich notiert: Hübner-Rogoff 0:1.
Das beantwortet außerdem folgende einfache Frage: "Welche Partie war das
kürzeste Remis der Geschichte und gleichzeitig die kürzeste entschiedene
Partie?"
Hugh Alexander sagte einmal folgendes
über Michail Botwinnik:
"Wenn man gegen Botwinnik spielt, ist es schon alarmierend, wenn man sieht,
wie er seinen Zug aufschreibt. Etwas kurzsichtig beugt er sich über sein
Formular und widmet seine ganze Aufmerksamkeit der schönen und exakten
Niederschrift seines Zuges. Selbst eine Explosion würde ihn jetzt nicht
erschüttern und durch ein Mikroskop betrachtet würde man nicht eine
Unregelmäßigkeit entdecken. Als er gegen mich 1.c2-c4 aufschrieb, fühlte ich
mich, als müsse ich aufgeben!"
Lasker spielte gerne gegen Gegner, die
nicht wussten, wer er war. Beispielsweise fand er es sehr amüsant, wie ein armer
Bursche immer gegen seinen mysteriösen Gegner gewann, wenn er nur einen Springer
hatte, aber verlor wenn er beide hatte.
Einmal spielte er gegen einen Blinden, der trotz seiner Behinderung ein starker
Spieler war. Nach einigen Zügen erhob dieser seinen Kopf und sagte: "Ich
nehme an, Sie sind Dr. Lasker."
Nachdem Aljechin den Weltmeistertitel
von Capablanca erobert hatte, verbrachte der Ex-Champion einen Teil
seiner Freizeit in einem Pariser Café. Freunde, Bekannte und andere kamen oft
vorbei, um mit dem charismatischen Capablanca zu plaudern oder eine Partie zu
spielen. Eines Tages, als Capablanca gerade Kaffee trank und Zeitung las, kam
ein Fremder zu ihm an den Tisch, deutete auf ein Schachspiel und gab zu
verstehen, dass er bereit wäre zu spielen, wenn Capablanca einverstanden sei.
Das Gesicht Capablancas erhellte sich. Er faltete die Zeitung zusammen, baute
die Figuren auf, steckte dabei aber seine Dame ein. Sein Gegner (der offenbar
keinen Schimmer hatte, wem er gegenüber saß) reagierte leicht verärgert und
meinte trocken: "Hey! Sie kennen mich ja gar nicht! Ich werde Sie schlagen!"
Capablanca erwiderte leise mit einem höflichen Lächeln: "Wenn Sie mich
schlagen könnten, würde ich Sie kennen."
Der Spielstil des ersten Schachweltmeisters Wilhelm Steinitz ist offenbar nicht bei allen seiner Zeitgenossen auf Verständnis gestoßen. Viel wurde darüber diskutiert, einmal versuchte sein Widersacher Henry E. Bird den Erfolg des gebürtigen Österreichers nach folgendem Rezept zu erklären: "Geben Sie den Inhalt einer Schachtel mit Schachfiguren in einen Hut, schütteln Sie kräftig und gießen Sie das Ganze aus einem halben Meter Höhe auf das Schachbrett. Dann haben Sie den Stil von Steinitz."
Der legendäre Akiba Rubinstein soll einmal folgendes gefragt worden sein: "Gegen wen spielen Sie heute Abend?" Darauf Rubinstein eiskalt: "Heute Abend spiele ich gegen die schwarzen Steine!"
Ein bekannter Großmeister-Kollege traf Fischer nach dem Match gegen Taimanov in Vancouver 1971, das der Amerikaner sensationell mit 6-0 für sich entschieden hatte. "Was hältst du von Taimanovs Spiel?", fragte er Bobby. Dieser entgegnete boshaft: "Ich glaube, er spielt ganz gut Klavier!"
Bei der 46. UdSSR-Meisterschaft in Tiflis war die Partie zwischen dem jungen Kasparow und Bagirow unentschieden ausgegangen, weil Kasparow sich im entscheidenden Moment nicht dazu entschließen konnte, eine Figur ins Geschäft zu stecken. Bei der nachträglichen Analyse drehte sich alles um dieses Versäumnis. Der künftige Weltmeister versuchte sich zu verteidigen: "Ich habe den Springer nicht geopfert, weil ich einfach nicht alles bis zum Schluss durchrechnen konnte!" Da meinte Tal trocken: "Gewöhn dir das mal an, Garri: Erst opfern, dann rechnen!"
Max Euwe, fünfter Schachweltmeister und lange Zeit ein Nationalheld im kleinen Holland, muss wohl auch anderwärts ziemlich populär gewesen sein. Eingefügt werden soll rasch noch, dass Euwe ein stattlicher Mann von Gardemaßen war, so knapp an die zwei Meter! Sein Landsmann und Schachkollege Wülem Mühring überragte ihn allerdings noch um einen halben Kopf! In den sechziger Jahren besuchten die beiden Moskau, und als sie über die belebte Uliza Gorkowo schlenderten, belauschten sie folgendes Gespräch: "Siehst du die beiden da vor uns? Das sind zwei holländische Schachmeister. Der Kleine ist Euwe!"
Beim legendären Turnier in Bled 1931, wo Aljechin den glanzvollsten Sieg seiner Laufbahn errang, kam es zu einem peinlichen Zwischenfall. Die Partie Kostic-Kashdan war in ein kompliziertes Endspiel übergegangen, wo ein amerikanischer Turm einen jugoslawischen Springer am Brettrand festgenagelt hatte und zu erobern drohte. Kostic jedoch zog sich für längere Zeit an einen Ort zurück, den selbst gekrönte Häupter zu Fuß aufsuchen müssen. Plötzlich breitete sich wie ein Lauffeuer im Turniersaal die Meldung aus, er sei dort überrascht worden, als er jene Kabine nicht zum vorgeschriebenen Zweck benutzte, sondern um mit Hilfe eines Taschenschachs seine laufende Partie zu analysieren! Die Turnierleitung scheute vor drakonischen Maßnahmen zurück. Sie verwarnte den Übeltäter, die Partie wurde fortgesetzt und endete schließlich mit Remis. Ein paar Runden später jedoch kam es zu einem lustigen Nachspiel! Als Tartakower das nämliche Örtchen aufsuchen wollte, fand er sämtliche Lokalitäten besetzt, rüttelte an den Türen und rief erbost: "Verflixt, überall Kostic!"
Der Berliner Meister Curt von Bardeleben
(1861-1924) war ein hochsensibler, auf seine Umgebung allerdings oft skurril wirkender Mensch. Als er beim Schachkongress in Hastings 1895 nach vorzüglichem Start und wohlberechtigten Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden gegen
Steinitz in einen Mattangriff geriet, gab er die Partie nicht etwa auf, sondern verschwand einfach aus dem Turniersaal und ließ sich nicht mehr blicken! Diese Form der Kapitulation praktizierte er später häufig, sodass
man ein damals geflügeltes Wort mit seinem Namen verknüpfte: "Liegt deine Partie aber ganz
darnieder / Dann geh mal raus und komm nicht wieder!"
Eine verfeinerte Form dieser Gepflogenheit wandte er beim Münchner Turnier 1900 an. Als er gegen
Schlechter eine Verluststellung bekam, machte er sich wiederum aus dem Staube, doch diesmal nicht sang und klanglos: Er schickte einen Dienstmann, der seinem Gegner die Partieaufgabe übermittelte!
Als der damalige Weltmeister Aljechin bei einem Spaziergang in Paris
ein kleines Café betrat, um dort eine Erfrischung einzunehmen, bemerkte er, dass im selben Raum Schach gespielt wurde.
Nach einer Weile wurde er von einem Herrn gebeten, mit ihm doch eine Partie Schach zu spielen.
Der Weltmeister willigte ein, die Gegner setzten sich daraufhin an einen Tisch und stellten die Figuren auf.
"Ich gebe Ihnen einen Turm vor", sagte der Weltmeister.
Leicht entrüstet erwiderte sein Kontrahent: "Aber wieso denn? Sie kennen mich doch überhaupt nicht."
"Eben deswegen!", antwortete Aljechin.
Fritz Sämisch (1896-1975), der respektable Großmeister, der fast in jeder Turnierpartie in Zeitnot zu geraten pflegte, sollte in einer norddeutschen Kleinstadt eine Simultanvorstellung geben. Als er schließlich mit einiger Verspätung im Spielsaal eintraf, war seine Kleidung ziemlich derangiert und sein Gesicht wies frische Hautabschürfungen auf. "Um Gottes willen, was ist denn passiert?", wurde er von seinen Schachfreunden gefragt, die ihn sofort umringten. "Ach", meinte Sämisch, "ich war etwas spät dran und lief in Eile über die Strasse, da hat mich ein Motorradfahrer erwischt!" Da kam eine vorwitzige Stimme aus der Runde: "Also wieder die leidige Zeitnot!"
Bei einem Turnier spielte Tröger gegen Sämisch, Sämisch überschritt die Zeit, merkte es nicht und brütete weiter über der Stellung. Tröger bat den Schiedsrichter "aus journalistischem Interesse", Sämisch nicht zu stören. Er wollte herausfinden, wie lange es dauern würde, bis er seine Zeitüberschreitung bemerkte. Es dauerte. Endlich, nach nicht weniger als 40 Minuten blickte Sämisch hoch, schaute auf die Uhr und reichte die Hand zur Gratulation.
Nach dem Krieg hatte Sämisch, ein Lebenskünstler ohnegleichen, was nichts anders meint, als dass er auch mit weniger als nichts seinen Lebensunterhalt zu bestreiten wusste oder musste, ein bescheidenes Auskommen als Schachprofi, indem er Partien in einem Mannschaftswettbewerb gegen Geld bestritt. Bezahlt wurde er pro Zug und sofort. Das heißt: Nach jedem Zug bekam er eine Mark. Der Mannschaftsführer saß neben ihm und legte tatsächlich nach jedem von Sämisch gemachten Zug eine Münze auf den Tisch. Irgendwann ging dem Zahlmeister das Münzgeld aus. Und Sämisch zog nicht mehr. Eiligst konnte ein Schein gewechselt, der letzte Zug abgegolten werden. Und als die Münze den kleinen Stapel vergrößerte, erwachte der Meister und machte seinen nächsten Zug.
Der starke Bremer Meister Carl Carls (1880-1958) eröffnete mit den weißen Steinen stets mit 1.c4. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche und in Deutschland hieß die Eröffnung mit 1.c4 deshalb auch lange Zeit Bremer Eröffnung. Eines Tages setzte er sich zu einem Mannschaftskampf ans Brett, griff mit Schwung nach dem c-Bauer und mit einem Ruck flog die Spielplane in die Luft und die darauf befindlichen Figuren quer durch den Turniersaal - mit Ausnahme des c-Bauern. Seine Mannschaftskollegen hatten in der Nacht diesen am Brett von Carls mit starkem Klebstoff festgeklebt.
Mit dem recht mittelmäßigen, einfältigen Spieler namens Malcolm Mally, der in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts jede freie Minute an den Brettern des Manhattan-Schachclubs von New York verbrachte, trieben seine spielstarken Kollegen folgenden Scherz: Sie hatten beschlossen, ein Turnier zu veranstalten, Mally einzuladen und gegen ihn sämtliche Partien zu verlieren. Mally hielt seinen Erfolg für bare Münze und geriet aus dem Häuschen. Danach nahm man den Naiven noch zweimal auf die gleiche Weise "auf die Schippe". Sein dritter Turniersieg versetzte "Double M" in derartige Begeisterung, dass er Herausforderungen an den amtierenden Weltmeister Dr. Alexander Aljechin und die Exweltmeister José Raoul Capablanca sowie Dr. Emanuel Lasker richtete. Da Mally keine Antworten zugingen, zog er sich mit der Begründung vom Schach zurück, dass er keine würdigen Gegner finde.
Beim internationalen Turnier 1914 in Petersburg gewann der 72-jährige James Harry Blackburne gegen den "erst" 60-jährigen Isidor Gunsberg. "Sie sind noch zu jung um mit mir zu spielen", sagte Blackburne darauf scherzhaft zu seinem Partner.
Felix Magath |
Der ehemalige Auswahlspieler der BRD-Fußballelf, Felix Magath, ist ein großer Schachfan. Da er unter seinen Mannschaftskameraden keine ebenbürtigen Gegner findet, schaffte er sich einen sprechenden Schachcomputer an, der ihn überallhin begleitet. Während der Fußballweltmeisterschaft 1982 in Spanien lenkte der Mittelfeldspieler an einem spielfreien Abend seine Schritte in einen Schachklub von Gijon, kehrte aber erst so spät nachts zurück, dass er den Pförtner nicht mehr wecken wollte und durch ein offenes Fenster des Hotels in sein Zimmer zu gelangen suchte. Im Garten verschanzte Sicherheitsposten eröffneten aber ohne viel Federlesen das Feuer auf den nächtlichen Eindringling. Wenn Magath dank seiner körperlichen Gewandtheit mit einem Schrecken davonkam, so hätte ihm doch seine Schachleidenschaft zum Verhängnis werden können.
Bobby Fischer |
Auf der Schacholympiade 1962 in Varna kam es
in der Partie zwischen Bobby Fischer und Wolfgang Uhlmann nach 19
Zügen zu folgendem Dialog:
Fischer: "Remis!?"
Uhlmann: "Aber es muss doch dreimal Zugwiederholung sein!"
Fischer: "Sie nehmen das Remis an, wie ich es sage, sonst spiele ich
weiter und werde Sie dann schlagen!"
Uhlmann nahm's nicht tragisch und akzeptierte das Remis.
Auf der gleichen Olympiade wandte sich ein
Korrespondent der Zeitung "Naroden sport" an den amerikanischen
Champion mit der Bitte um ein Interview.
Fischer: "Für 50 Leva können Sie mich fragen."
Reporter: "Danke, dieses Interview mit Ihnen ist schon
ausreichend!"
Mit sehr nachdenklichem Gesicht schreitet Bobby durch den Turniersaal. "Was ist passiert?", fragt Lombardy. "Ich stehe schlecht", antwortet Fischer. Lombardy: "Dann biete doch einfach Remis an." Fischer: "So schlecht stehe ich nun auch wieder nicht!"
W. Steinitz |
Um seine finanzielle Lage zu verbessern, spielte der Weltmeister
Wilhelm Steinitz regelmäßig in einem Londoner Kaffeehaus Schach-Schnellpartien um Geld. Die Beträge waren nicht so klein wie früher in Wien, meist handelte
es sich um ein englisches Pfund.
Einer seiner besten Dauerkunden war ein englischer Geschäftsmann, der jedoch sehr schwach spielte, daher immer verlor.
Nachdem sich dieser Spielverlauf wochenlang wiederholt hatte, überlegte ein Freund
Steinitz's, ob es nicht ratsamer sei, seinen wohlhabenden Partner auch einmal gewinnen zu lassen, bevor jener das
Interesse am Schachspielen mit dem Weltmeister verliere und Steinitz somit seinen besten
Kunden. Diese Überlegung erschien auch Steinitz sinnvoll und er beschloss daraufhin, die nächste Partie zu verlieren.
So stellte er im anschließenden Spiel seine Dame ungedeckt seinem Gegner
entgegen. Als jener dies schließlich nach sechs weiteren Zügen bemerkte und die Dame schlug, gab Steinitz sofort auf.
Er schob die Schachfiguren zusammen und begann, sie für die nächste Partie aufzustellen. Davon wollte sein Gegner allerdings nichts mehr wissen.
Er schrie: "Ich habe den Weltmeister besiegt! Ich habe den Weltmeister
besiegt!", stürmte aus dem Kaffeehaus und wurde dort nie mehr gesehen.
Da haben wir, was vielen zur Leitschnur dienen mag, den Bericht von dem
Zweikampf des gefürchteten Kaffeehausspielers Burletzki überliefert bekommen, der, es soll im Jahre 1908 gewesen sein, aber die Erinnerung
daran will nicht verblassen, mit dem süddeutschen Meister Köhnlein einen Wettkampf auf 6 Gewinnpartien ausmachte. Er ging mit starkem
Selbstvertrauen und Ichgefühl in den Kampf, aber die erste Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich habe einen dummen Fehler gemacht."
Die zweite Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Alle Partien kann man nicht gewinnen."
Die dritte Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich bin heute nicht in guter Form."
Die vierte Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Er spielt nicht schlecht."
Die fünfte Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich habe ihn unterschätzt."
Die sechste Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich glaube, er ist mir ebenbürtig."
(aus: Beheim-Schwarzbach, Lobrede auf die Besiegten, in Knaur's Schachbuch)
Sawielly Tartakower (1887-1956), promovierter Jurist von Beruf,
Schachmeister aus Berufung, gab einst in Wien eine Simultanvorstellung. Dabei passierte es, dass er einen simplen Figurenverlust übersah. Als er
das Malheur überdachte, trat der Kellner heran und servierte seinem Gegner einen Kaffee, den der geistesabwesende
Großmeister im Handumdrehen austrank. Sein Kontrahent ärgerte sich so sehr darüber, dass er seinerseits
einen Offizier einbüsste. Zum Verlauf dieser Partie befragt, erklärte Tartakower:
"Zuerst stellte ich eine Figur ein, dann mein Gegner einen Kaffee, und dieses Handicap war für ihn zu
groß!"
Der Hamburger Meisterspieler Paul Krüger (1871-1939) nahm in den
zwanziger Jahren an einem kleinen Lokalturnier teil und wurde vom Reporter des Kreisblattes interviewt. Es stellte sich heraus, dass der Mann von der
schreibenden Zunft nicht die leiseste Ahnung von Schach besaß, und Krüger ließ
sich die Gelegenheit nicht entgehen, ihn kräftig zu veräppeln. Am nächsten Tag lasen die erstaunten
Abonnenten des Blättchens:
"Die spannendste Partie der gestrigen Runde wurde zwischen dem Hamburger Meister Krüger und unserem Spitzenspieler M. ausgetragen. M. eröffnete als
Anziehender diesmal mit den schwarzen Steinen. Der Gast parierte mit der gefürchteten Königstigervariante des Damenspiels, und es gelang ihm, den
König frühzeitig ins Spiel zu bringen. In einer Serie kraftvoller Züge griff der
weiße König die schwarze Dame an, jagte sie über das Schachbrett und lockte sie
schließlich in eine tödliche Falle!"
Im Frühjahr 1895 hielt Emanuel Lasker in London Vorlesungen über das
Schachspiel. Einmal wurde er von einem jungen Zuhörer gebeten, ihm doch ein paar
Tipps zum Zweispringerspiel zu geben. Lasker zeigte ihm rasch einige aktuelle Varianten. Sein Partner hörte ihm geduldig zu. Als Lasker
zum Schluss gekommen war und ihn fragte, ob er sich nun einigermaßen auskenne mit dem Zweispringerspiel im Nachzuge, schüttelte der andere
betrübt den Kopf und erwiderte:
"Sie meinen ein ganz anderes Zweispringerspiel als ich. Meister Blackburne spielt hin und wieder gegen
mich. Dabei gibt er mir seine beiden Springer vor, und ich komme einfach nicht an, gegen seine
verflixte Eröffnung!"
A. Nimzowitsch |
Großmeister Aaron Nimzowitsch hatte eine empfindsame und explosive Natur. Er
war in Meisterkreisen bekannt, dass er als Nichtraucher besonders anfällig dafür war, wenn ihn ein Gegner mit Zigarrenqualm einzunebeln versuchte.
Beim Kandidatenturnier 1927 in New York hatte Nimzowitsch seinem Gegner Dr. Vidmar vor ihrer Partie gebeten, nicht zu rauchen. Der jugoslawische
Großmeister war einverstanden, allerdings nur mit der Einschränkung, dass er nur dann eine Zigarre nehmen würde, wenn er in eine sehr schlechte
Stellung kommen würde. Das Treffen verlief nikotinfrei - Dr. Vidmar gewann! Der verärgerte Nimzowitsch beschwerte sich daraufhin beim ungarischen
Turnierleiter Geza Maroczy, über das verdammte Rauchen. Erstaunt erwiderte der Turnierleiter:
"Aber ihr Gegner hat doch gar nicht geraucht!"
"So, nicht geraucht sagen Sie? Schlimmer als das! Er hat mich mit Rauchen bedroht! Ständig lag die Zigarre neben dem Schachbrett, so dass ich mir
sagte, machst du jetzt einen starken Zug, greift er zur Zigarre. Wie kann ich dabei die Partie gewinnen? Und
Sie als Turnierleiter wissen selbst, dass die Drohung stärker als die Ausführung
ist!"
Dem peruanischen Meister Esteban Canal passierte einst in einer vollbesetzten Straßenbahn das Missgeschick, eine neben ihm stehende Dame anzurempeln. In Gedanken weilte er wohl noch bei seiner letzten Schachpartie, denn unbewusst entfuhr ihm ein entschuldigendes "J'adoube". Er war bass erstaunt, als er zu hören bekam: "Ah, Sie sind Schachspieler! Dann sollten Sie wissen, dass man J'adoube vorher sagen muss!"
A. Aljechin |
1930 gab Weltmeister Aljechin eine Simultanvorstellung in der bosnischen Stadt Banja Luka. Unter seinen Gegnern befand sich ein ortsansässiger Lehrer, dessen Partie ständig von einigen seiner Schüler belagert wurde. Aljechin zog seine Kreise. Als er an das Brett des Lehrers trat, blickte er diesen zornig an und wischte die Figuren vom Brett. Der verdutzte Pädagoge bat um eine Erklärung. Aljechin bereits der nächsten Partie zugewandt, warf ihm über die Schulter zu: "Sie haben mir einen Turm gestohlen." Erst nach Ende der Seance stellte sich folgendes heraus: Einer der am Brett herumlümmelnden Schüler hatte heimlich einen weltmeisterlichen Turm stibitzt, weil er herausfinden wollte, ob der vielbeschäftigte Meister dies überhaupt bemerke. Sechs Jahre später trat Aljechin erneut bei einer Veranstaltung in Banja Luka an. Plötzlich entdeckte er den Lehrer. "Probieren Sie nicht mehr die Masche mit dem Turm!" meinte Aljechin drohend und zog energisch 1.e4.
S. Reshevsky |
Das berühmteste Schachwunderkind war der Amerikaner
Samuel Reshevsky, geboren am 26.11.1911 in Ozorków (Polen), gestorben am 4.4.1992 in Spring Valley (USA).
Bereits als Sechsjähriger spielte er gegen die Mitglieder des Wiener Schachclubs
simultan. Sein erstes internationales Meisterturnier bestritt er mit elf Jahren 1922 in New York, wo er auf gestandene Meister wie
Eduard Lasker, Ossip Bernstein und David Janowski traf. Besonders Janowski hatte Schwierigkeiten, den
Jungen ernst zu nehmen.
"Das Jüngelchen versteht vom Schach nicht mehr als ich vom Seiltanzen!", raunte er nach 12 Zügen zu Eduard Lasker.
"Schauen Sie auf seine Position! Bald hat er keinen Zug mehr. Völlige Paralyse."
Doch klein Sammy zeigte sich unbeeindruckt und verteidigte sich hartnäckig. Nach 40 Zügen hatte
Janowski seine überlegene Stellung immer noch nicht gewonnen. Die Partie wurde abgebrochen und in der Pause korrigierte Janowski sein vorheriges
Urteil:
"Sie hatten recht. Der Junge ist ein Wunder. Ich fühle, dass ich verlieren werde."
So kam es, der Junge sprang auf und fiel seinem Vater um den Hals: "Ich habe den
großen Meister besiegt!"
In Bukarest fand 1949 in einem kleinen Theatersaal ein internationales
Schachturnier statt. Auf der Bühne saßen die Schachmeister an ihren Tischen, im Hintergrund der Szene wurden die Partien auf
großen Demonstrationsbrettern nachgezogen. Die besten Aussichten auf den ersten
Preis hatten Ludek Pachmann und Pal Benkö. Der junge, damals noch für Ungarn
spielende Meister war den heiteren Seiten des Lebens nicht minder zugeneigt. Zusammen mit Freunden hatte er die ganze Nacht in Tanzlokalen
verbracht. Wenn man bloß am nächsten Tag nicht Schach spielen müsste. Bleich und übernächtigt
saß der schwarzgelockte Ungar dem polnischen Meister Tarnowski gegenüber.
Viereinhalb Stunden schien alles gut zu laufen. Benkö führte seine Partie durch alle Fährnisse. Nur noch wenige
Züge hatte er zu machen; seine Bedenkzeit betrug noch genau zehn Minuten. Er stand auf Gewinn.
Doch es sollte nicht sein. Benkö rührte keine Figur mehr an. Neben dem Schachbrett hatte er sein müdes Haupt gebettet und
schlief. Um so wacher war sein Gegner. Schweigend, mit blitzenden Augen hielt er jeden fern, der sich dem Tisch nähern wollte. Die Vorschrift gab
ihm recht: Niemand, auch der Schiedsrichter nicht, darf einen Spieler zum Ziehen oder
Betätigen der Schachuhr auffordern. Meister Löwenton leitete das Turnier als Schiedsrichter. Er tat seine Pflicht mit Eifer und
Leidenschaft. Mit beschwörenden Gesten umkreiste er auf leisen Sohlen den Schachtisch, wo Benkö noch immer schlief, während die Uhr tickte und der
Zeiger sich hurtig und bedrohlich dem Fähnchen näherte, dessen Fall das Ende der Bedenkzeit anzeigt.
Als Löwenton behutsam, den Blick auf den schlafenden Benkö gerichtet, einige Schritte zurücktrat, geschah ein
Wunder, das lähmendes Entsetzten auslöste. Löwenton verschwand wie durch Zauberei von der Bühne.
Die Zuschauer, die Spieler hielten den Atem an. Da wurde plötzlich eine Brille sichtbar, eine Hand hob sie in die Höhe, dann tauchte das erstaunte
Gesicht des Schiedsrichters auf, der mit einiger Mühe aus dem Souffleurkasten kroch, in den er hineingefallen war. Auch jetzt erwachte
Benkö nicht. Er verlor die Partie durch Zeitüberschreitung.
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Copyright © 2001 by Christian
Hörr. Aktualisiert am
10. September 2002.