"Dieser junge Mann ist klug. Er hat als Mensch und Spieler das
Zeug, Weltmeister zu werden." (Emanuel
Lasker)
"Für Botwinnik kennzeichnend ist von seinem ersten Auftreten
an die durchgehend wissenschaftliche Behandlung des Schachspiels." (Juri
Awerbach)
"In der Schachgeschichte gibt es nur ganz wenige, die durch
ihren Stil, ihren Kampfgeist, durch Energie und Liebe zur Schachkunst so
viel Lehrreiches geboten haben wie Botwinnik." (Salo
Flohr)
Michail Botwinnik wurde am 17.08.1911 in St.
Petersburg (Leningrad) geboren. Verhältnismäßig spät, mit zwölf Jahre
erlernte er das Schachspiel. Seine Entwicklung verlief aber um so rascher.
Im November 1925 erzielte er seinen ersten auffallenden Erfolg, als er den
damals als besten Simultanspieler der Welt angesehenen Capablanca
anlässlich einer Simultanvorstellung in Leningrad bezwang.
Nicht nur Capablanca prophezeite dem jungen Botwinnik eine große
Zukunft. Botwinnik gehörte der zweiten Leistungsklasse an, doch noch im
selben Jahr hätte er beinahe die Meisterschaft von Leningrad gewonnen.
Hinter Iljin-Genewski wurde er gemeinsam mit Rabinowitsch
Dritter.
1927 nahm er mit sechzehn Jahren an der V. Meisterschaft der
Sowjetunion teil und teilte sich zusammen mit Makogonow den 5. bis
6. Platz. Durch diesen Erfolg errang Botwinnik den Meistertitel.
Nachdem er bereits mehrere erste Preise in kleineren Turnieren
erringen konnte, brachte das Jahr 1931 für den Zwanzigjährigen den
ersten durchschlagenden Triumph. In diesem Jahr fand die VII.
Meisterschaft der Sowjetunion statt, in der Botwinnik mit 13½ Punkten aus
17 Partien (78 Prozent der möglichen Punkte) überlegen Erster wurde.
Dem erstmaligen Gewinn der Landesmeisterschaft schloss sich eine
ununterbrochene Erfolgsserie an. Botwinnik wurde in drei Turnieren Erster,
wobei sein Triumph in der Leningrader Meisterschaft mit 9 Siegen und 2
Remis ohne Verlust herausragte.
Dem setzte er die Krone auf, indem er die VIII. Meisterschaft der
Sowjetunion gewann. Das Finale wurde 1933 in Leningrad veranstaltet. Mit
11 Siegen, 6 Unentschieden und 2 Niederlagen erkämpfte sich Botwinnik den
ersten Platz.
Vom 28. November bis 19. Dezember 1933 spielte Botwinnik einen auf
12 Partien angesetzten Wettkampf gegen Salo Flohr, der von vielen
als würdiger Nachfolger Aljechins angesehen wurde.
Die erste Hälfte des Wettkampfes wurde in Moskau ausgetragen. Botwinnik
verlor die erste Partie und nach vier Unentschieden auch die sechste. Die
zweite in Leningrad zu absolvierende Hälfte des Wettkampfes begann mit
zwei Remis. In der neunten Partie gelang es Botwinnik seinen ersten Sieg
zu erkämpfen. Flohr führte nur noch 2:1, aber nur drei Partien standen
noch aus, und Botwinnik hatte zudem zweimal mit den schwarzen Steinen zu
spielen.
Dennoch gelang ihm das Bravourstück und er glich in der 10. Partie
mit den schwarzen Steinen den Wettkampf aus. Die zwei letzten endeten
Remis, und so ging auch das Match bei acht Remispartien mit 2: 2
unentschieden aus.
Im August 1934 wurde ein internationales Turnier in Leningrad
veranstaltet. Botwinnik wurde mit 7½ Punkten Erster vor 2.-3. Romanowski
und Riumin (7), 4. Rabinowitsch (6½), 5. Kan (6).
Ende des Jahres 1934 nahm Botwinnik zum ersten Mal an einem
Einzelturnier im Ausland teil. Er spielte beim traditionellen Hastinger
Neujahrsturnier mit. Hinter Euwe, Flohr und Thomas,
die den 1. bis 3. Platz in einem toten Rennen errangen, landete Botwinnik
zusammen mit Capablanca
nur auf dem 4. bis 5. Platz.
Zwischen Februar und März 1935 wurde in Moskau ein Weltturnier
veranstaltet, an dem Botwinnik teilnahm. Unter den eingeladenen ausländischen
Gästen befanden sich auch Capablanca und Lasker.
Das Turnier begann mit einer Sensation. Botwinnik besiegte Großmeister Rudolf
Spielmann in nur 12 Zügen: 1.e4 d5 2.exd5 Sf6
3.c4 c6 4.d4 cxd5 5.Sc3 Sc6 6.Lg5 Db6 7.cxd5 Dxb2
8.Tc1 Sb4 9.Sa4 Dxa2 10.Lc4 Lg4 11.Sf3 Lxf3
12.gxf3 1-0
Der Schlussstand des Turniers lautete. 1.-2. Botwinnik und Flohr
(13), 3. Lasker (12½), 4. Capablanca (12), 5. Spielmann (11) usw.
1936 fand abermals ein Turnier in Moskau statt, das diesmal
doppelrundig ausgetragen wurde. Botwinnik belegte mit 12 Punkten vor Salo
Flohr (9½) den zweiten Platz. Erster wurde Capablanca mit 13 Punkten.
Sechster wurde Lasker mit 8 Punkten vor weiteren vier Meistern.
Im Turnier zu Nottingham 1936 blieb Botwinnik bei sechs Siegen und
acht Unentschieden ungeschlagen: 1. - 2. Botwinnik und Capablanca (10), 3.-5. Euwe, Fine
und Reshevsky (9), 6. Aljechin (9), 7.-8. Flohr
und Lasker (8½) usw.
Nachdem Botwinnik die sowjetische Meisterschaft schon das zweite
Mal gewonnen hatte, beteiligte er sich drei Jahre hindurch nur an
internationalen Turnieren, die meistens ebenfalls in der Sowjetunion
veranstaltet wurden.
Die IX. und X. Sowjetische Meisterschaft gewann 1934 und 1937 in
Abwesenheit Botwinniks Großmeister Löwenfisch. Mit wachsendem
Interesse sah man dem geplanten Wettkampf zwischen den beiden zweifachen
Landesmeistern entgegen. Der Wettkampf fand Ende 1937 statt und endete 5:
5 unentschieden. Damit behielt Löwenfisch den Titel Meister der
Sowjetunion.
Anfang 1938 gewann Botwinnik das Leningrader Semifinale zur XI.
Sowjetischen Meisterschaft. Im Avro-Turnier, das im Herbst 1938 in Holland
stattfand belegte Botwinnik mit 7½ Punkten den dritten Platz. Keres
und Fine errangen mit 8½ Punkten den 1.- 2. Preis. Aljechin, Euwe und
Reshevsky erreichten je 7 Punkte, Capablanca 6 und Flohr 4½. Im Verlaufe
des Turniers versuchte Botwinnik zum ersten Mal, ein Match um die
Weltmeisterschaft vorzubereiten.
Rückschauend schrieb er darüber:
"Am Schlusstag des Turniers teilte ich dem Weltmeister mit,
dass ich ihn um eine vertrauliche Unterredung bitte. Aljechin erfasste
gleich, worum es sich handelt, und setzte für die Besprechung den nächsten
Tag fest. Tags darauf erörterten wir bei einer Tasse Tee die Bedingungen.
Das Honorar des Weltmeisters sollte 6700 Dollar betragen. Für den Fall,
dass das Match in Moskau ausgefochten wird, verlangte Aljechin, man sollte
ihm Gelegenheit bieten, 3 bis 4 Monate vor dessen Beginn an irgendeinem
Turnier in dieser Stadt teilzunehmen. Aljechin war damit einverstanden,
dass unsere Absprache geheim gehalten wird. Wir einigten uns, dass wir die
sowjetische Schachorganisation über das Match informieren, sobald die
amtliche Ausschreibung vorliegt und die Verhandlungen erfolgreich
abgeschlossen sind. Wir verabschiedeten uns voneinander und - haben uns
nie mehr gesehen. Die sich günstig entwickelnden Besprechungen wurden
wegen des Weltkrieges unterbrochen."
Im April 1939 wurde in Leningrad das Finale der XI. Sowjetischen
Meisterschaft ausgetragen. Bei 10 Teilnehmern wurde Botwinnik ungeschlagen
Erster mit 12½ Punkten.
1940 focht Botwinnik in Leningrad einen Wettkampf mit Ragosin
aus. Mit fünf Siegen und sieben Remis errang er ohne Verlustpartie einen
überlegenen Triumph.
Im Finale der im September 1940 ausgetragenen XII. Sowjetischen
Meisterschaft erreichte Botwinnik mit 11½ Punkten zusammen mit Boleslawski
nur den bescheidenen 5. bis 6. Platz. Bondarewski und Lilienthal
teilten sich mit 13½ Punkten den 1. bis 2. Platz. Dritter wurde Smyslov
mit 13 und Vierter Keres mit 12 Punkten.
Von März bis April 1941 trugen die sechs Besten der XII.
Landesmeisterschaft, ein Matchturnier um die absolute Meisterschaft der
Sowjetunion aus. Das Turnier wurde in vier Umgängen ausgetragen. Die
erste Hälfte wurde in Leningrad und die zweite in Moskau gespielt. In dem
20 Runden währenden Turnier wurde Botwinnik glänzend Erster: 1.
Botwinnik (13½), 2. Keres (11), 3. Smyslov (10), 4. Boleslawski
(9), 5. Lilienthal (8½), 6. Bondarewski (8). Botwinnik besiegte
Smyslov und Boleslawski jeweils mit 3:1 und Keres, Lilienthal und
Bondarewski mit 2½:1½.
1943 wurde Botwinnik mit 10½ Punkten aus 14 Partien ungeschlagen
Erster im Turnier zu Swerdlowsk. Er gewann auch im selben Jahr mit 13½
Punkten aus 16 Partien die Moskauer Meisterschaft.
1944 siegte er überlegen in der von 17 Teilnehmern bestrittenen
XIII. Sowjetischen Meisterschaft mit 12½ Punkten vor Smyslov mit 10½
Punkten.
In der 1945 veranstalteten XIV. Landesmeisterschaft siegte
Botwinnik mit 13 Siegen, 4 Remis und ohne Verlust. Er überflügelte den
Zweitplatzierten Boleslawski um drei (!) Punkte.
1945 spielte die sowjetische Auswahl gegen die Mannschaft der USA
im doppelrundigen Radiowettkampf. Am Spitzenbrett errang Botwinnik einen
2:0-Erfolg gegen Denker, am zweiten Brett siegte Smyslov 2: 0
gegen Reshevsky und am dritten schlug Boleslawski Fine mit 1½:½.
Im Revanchewettkampf 1946 behielt die sowjetische Mannschaft mit 12½:7½
Punkten die Oberhand. Botwinnik gegen Reshevsky und Keres gegen Fine
erzielten jeweils ein Ergebnis von 1½:½ und Smyslov besiegte Denker am
dritten Brett mit 2:0.
Zwischen August und September 1946 wurde in Groningen (Holland) ein
Weltturnier veranstaltet, das Botwinnik mit 14½ Punkten (76,3 Prozent der
möglichen Punkte) vor 2. Euwe (14), 3. Smyslov (12½) usw. gewann.
Im Moskauer internationalen Chigorin-Gedenkturnier 1947 erreichte
Botwinnik 73,3 Prozent der möglichen Punkte und gewann das Turnier mit 11
Punkte aus 15 Partien. 2.
Ragosin (10½), 3.-4. Boleslawski und Smyslov (10), 5. Kotow
(9½), 6. Keres (9) usw. Von 1941 bis 1947 beteiligte sich Botwinnik somit
an sieben Turnieren, die er sämtlich gewann.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden Verhandlungen über einen Zweikampf um
die Schachweltmeisterschaft wieder aktuell. Die politische Vergangenheit
Aljechins (er soll antisemitische Schriften in der Schachpresse veröffentlicht
haben) schuf jedoch Komplikationen. Mehrere traten gegen ihn auf und
forderten, Aljechin den Weltmeistertitel abzuerkennen sowie ihn von allen
Turnieren auszuschließen, bis er sich rechtfertigt. Aljechin wies die
gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen zurück und gab Ende 1945 bekannt,
dass er bereit wäre, eine Herausforderung Botwinniks anzunehmen.
Daraufhin sandte Botwinnik seine Herausforderung an Weltmeister
Aljechin. Dieser teilte rasch seine Einwilligung mit, aber dabei blieb es;
am 24. März 1946 verstarb Aljechin überraschend. Nun bot sich das von
Fine vorgeschlagene Matchturnier als die vernünftigste Lösung an. (Laut
Fine standen in Kalifornien die benötigten Gelder für ein Matchturnier
zur Verfügung. An dem Matchturnier sollten Exweltmeister Euwe, Botwinnik,
Fine, Keres, Reshevsky und Smyslov teilnehmen. Der Sieger sollte zum
Weltmeister erklärt werden.) Bis dieses Turnier verwirklicht wurde,
vergingen jedoch noch zwei Jahre. Manche schlugen vor, dass Euwe zum
Weltmeister erklärt werden sollte. Aber nach dem Sieg von Botwinnik in
Groningen und den Misserfolgen Euwes in Südamerika wurde diese Empfehlung
immer weniger haltbar.
Daher beschloss der Kongress der FIDE in Den Haag 1947, ein Matchturnier
um die Schachweltmeisterschaft zu veranstalten
das spätestens im März 1948 beginnen müsse. Die von Fine
vorgeschlagenen sechs Großmeister wurden als Teilnehmer anerkannt, die
miteinander in 4 Partien wechseln sollten. Weil Fine zurücktrat, wurde
dieser Plan später dahingehend verändert, dass man die Anzahl der Durchgänge
auf fünf erhöhte. Die ersten zwei Durchgänge fanden vom 2. bis 25. März
1948 in Den Haag, die anderen drei vom 11. April bis 16. Mai 1948 in
Moskau statt.
Bei diesem Turnier eroberte Botwinnik erwartungsgemäß und
eindeutig die Weltmeisterschaft. Er errang den ersten Platz mit drei
Punkten Vorsprung und bezwang obendrein alle Gegner. Gegen Smyslov gewann
er mit 3:2, gegen Keres 4:1, gegen Reshevsky 3½:1½ und gegen Euwe 3½:1½.
Der Endstand lautete: 1. Botwinnik (14), 2. Smyslov (11), 3.-4.
Keres und Reshevsky (10½), 5. Euwe (4).
Mit der Eroberung der Weltmeisterschaft hatte Botwinnik sein Ziel
erreicht. Nun konnte er sich seinen anderen Interessen widmen. Der
Elektroingenieur widmete sich intensiv wissenschaftlichen Arbeiten und
promovierte. Drei Jahre lang beteiligte er sich an keinem Turnier.
Die FIDE legte anlässlich der Ausschreibung des Matchturniers um
die Weltmeisterschaft auch den Modus für die Verteidigung fest. Danach
muss der Weltmeister alle drei Jahre seinen Titel in einem Match gegen den
Großmeister verteidigen, der die Ausscheidungskämpfe der Kandidaten
gewonnen hat. (Für dieses Kandidatenturnier werden die Besten - ihre Zahl
wird jeweils vorher festgelegt - aus dem Interzonenturnier des Vorjahres
eingeladen. Das Interzonenturnier wiederum vereint die erfolgreichsten
Spieler der ein weiteres Jahr zuvor ausgetragenen Zonenturniere.)
1950 wurde in Budapest das erste Kandidatenturnier
veranstaltet. D. Bronstein, der jüngste
Großmeister seiner Zeit und I. Boleslawski teilten sich den 1.-2. Platz.
Der zwischen ihnen notwendig gewordene Zweikampf wurde von Bronstein mit 7½:6½
gewonnen. Damit war Bronstein der erste Herausforderer des Weltmeisters
Botwinnik.
Am 15. März 1951 wurde das Match
Botwinnik - Bronstein in Moskau eröffnet. Es waren 24 Partien vorgesehen,
wobei im Falle eines Unentschiedens der Weltmeister seinen Titel behalten
sollte. Mit Mühe konnte Botwinnik seinen Titel mit 12:12 (14 Remisen)
erfolgreich verteidigen. Nach dem Match erkannte Botwinnik selbst, dass es
ihm nicht zuträglich gewesen war, den Turnieren so lange fernzubleiben
Im November/Dezember 1951 beteiligte sich Botwinnik am Finale der
XIX. Sowjetischen Meisterschaft in Moskau. Auch hier schnitt er nicht
sonderlich gut ab. Landesmeister wurde Keres mit 12 Punkten. Es folgten:
2.-3. Geller und Petrosjan (11½), 4. Smyslov (11), 5.
Botwinnik (10), 6.-8. Bronstein, Awerbach und Taimanov (9½)
bei 18 Teilnehmern.
Die Rückschläge waren für Botwinnik noch nicht zu Ende. Beim
Maroczy - Gedenkturnier in Budapest 1952 landete er hinter Keres (12½)
und Geller (12) gemeinsam mit Stahlberg und Smyslov nur auf dem 3.-5.
Platz.
Dank seiner großen Willensstärke überwand Botwinnik bald alle
Schwierigkeiten. Er gewann das Finale der XX. Sowjetischen Meisterschaft
1952. Nach siebenjähriger Unterbrechung gelang es ihm erneut die
Landesmeisterschaft an sich zu bringen. Der Endstand war: 1.-2. Botwinnik
und Taimanov (13½) (Im Stichkampf gegen Botwinnik unterlag Taimanov 2½:3½),
3. Geller (12), 4.-5. Boleslawski und Tolusch (11½), 6. Kortschnoi
(11), 7.-9. Bronstein, Smyslov und Moissejev (10½), 10.-11. Keres
und Suetin (9½) bei 20 Teilnehmern.
1954 musste Botwinnik erneut zur Titelverteidigung antreten.
Der Herausforderer war diesmal Wassily Smyslov.
Das Match ging vom 16. März bis 13. Mai 1954 und wurde in Moskau
ausgetragen. Es waren wie bei Botwinnik - Bronstein 24 Partien vorgesehen,
im Falle eines Unentschiedens sollte der Weltmeister seinen Titel
behalten. Das Match endete wiederum unentschieden 12:12.
Somit verteidigte Botwinnik seinen Titel. Allerdings blieb erneut
die Frage offen, ob die Ausschreibung der FIDE, wonach auch ein
unentschiedener Ausgang zur Verteidigung der Weltmeisterschaft genügt,
richtig sei.
Im September 1954 beteiligte sich Botwinnik in Amsterdam erstmals
an einer Schacholympiade. (In Helsinki war er 1952 wegen eines Trauerfalls
nicht dabei.) Er spielte am Spitzenbrett und erzielte mit 8½ Punkten aus
11 Partien das beste prozentuale Ergebnis.
Im Finale zur XXII. Sowjetischen Meisterschaft, das im Februar/März
1955 ausgetragen wurde, belegte er nur den 3.-6. Platz. 1.-2. Geller und
Smyslov (12), 3.-6. Botwinnik, Iljiwizki, Petrosjan und Spassky
(11½), 7.-8. Keres und Taimanov (11).
Auf der 12. Schacholympiade 1956 in Moskau spielte Botwinnik
wiederum am Spitzenbrett und erzielte 9½ Punkte aus 13 Partien. Mit 73
Prozent der möglichen Punkte übertraf er alle anderen an diesem Brett
spielenden Großmeister. Zwei Wochen später errang er gemeinsam mit
Smyslov beim Aljechin-Gedenkturnier in Moskau den 1.-2. Platz. Botwinnik
holte 11 Punkte aus 15 Partien.
Vom 5. März bis 27. April 1957 wurde das zweite Weltmeisterschaftsmatch
zwischen Botwinnik und Smyslov (Gewinner des Kandidatenturniers
in Amsterdam 1956) in Moskau ausgetragen. Der Spielmodus war der gleiche
wie bei den beiden letzten Weltmeisterschaften. Nach der 22. Partie hatte
Smyslov bereits die für den Sieg notwendigen 12½ Punkte zusammen und
eroberte mit 12½:9½ (13x remis) den Weltmeistertitel. Bestimmt glaubten
nur wenige, dass er den Weltmeisterthron nur ein einziges Jahr besitzen würde.
Die damals geltenden Bestimmungen der FIDE berechtigten den
unterlegenen Exweltmeister, seinen Bezwinger innerhalb eines Jahres zu
einem Revanchematch um die Weltmeisterschaft herauszufordern. Botwinnik
machte von diesem Recht Gebrauch. Das Revanchematch,
das in Moskau stattfand, begann am 4. März 1958 und endete am 9. Mai 1958
mit 12½:10½ für Botwinnik. Nachdem Botwinnik seinen Titel zurückerobert
hatte, erzielte er auf der Münchener Schacholympiade mit 9 Punkten aus 12
Partien die beste Leistung am Spitzenbrett.
Ende Oktober 1958 gewann Botwinnik ein kleines mit 6 Teilnehmern
bestrittenes Turnier in Wageningen (Holland). Mit 3 Siegen und 2
Unentschieden (gegen Flohr und Bouwmeester) wurde er ungeschlagen
Erster vor Donner und Flohr (je 3 Punkte). Nach dem Turnier legte
Botwinnik wiederum eine längere Turnierpause ein. 1959 nahm er nur an
Mannschaftskämpfen teil.
1960 trat Botwinnik erneut in die Schranken um seinen
Weltmeistertitel gegen den 23-jährigen Herausforderer Michail
Tal
zu verteidigen. Der auf 24 Partien angesetzte Wettkampf
fand vom 15. März bis 7. Mai 1960 in Moskau statt. Nach der Hälfte der
Distanz führte Tal bereits mit 7:5 Punkten. Es folgte eine Serie von 4
Remis, aber dann gewann Tal die 17. Partie und baute seinen Vorsprung auf
10:7 aus. Es folgte ein Remis in der 18. Partie und ein Sieg des
Herausforderers in der 19. Partie zum 11½:7½ was die Vorentscheidung
bedeutete. Nach zwei Remis in den letzten beiden Partien entthronte Tal
den Titelverteidiger mit 12½:8½ Punkten und war damit der jüngste
Weltmeister der Schachgeschichte.
Nach dem Titelverlust bereitete sich Botwinnik intensiv auf das
Revanchematch vor, um die enthüllten Fehler und Schwächen Tals praktisch
ausnutzen zu können.
Bis zu dem Rückkampf beteiligte sich Botwinnik nur an
Mannschaftsturnieren - unter anderem an der 14. Schacholympiade in Leipzig
1960. Hier erreichte er am zweiten Brett mit 8 Siegen und 5 Unentschieden
81 Prozent der möglichen Punkte, was das beste Resultat an diesem Brett
bedeutete.
Vom 15. März bis 12. Mai 1961 wurde der Revanchekampf
um die Weltmeisterschaft zwischen Tal und Botwinnik in Moskau ausgetragen.
Nach 15 Partien führte Botwinnik bereits mit 10:5 (!) Punkten was mehr
als die halbe Miete bedeutete. Schließlich gewann Botwinnik das Match mit
13:8.
Botwinnik hatte damit zum zweiten Male die Weltmeisterschaft zurückerobert.
Für den 50-jährigen war dieser gegen einen 25 Jahre jüngeren Partner
errungene Erfolg zweifellos eine großartige Leistung. Trotzdem konnte der
Ausgang nicht bemänteln, dass das Recht auf ein Revanchematch anfechtbar
war. Fasst man die Resultate zusammen, die Botwinnik in den 6 Matchen seit
der Eroberung der Weltmeisterschaft im Jahre 1948 erzielt hatte, so ergibt
sich nämlich, dass er von 135 Partien 34 gewann, und ebenso viele (!)
verlor, während 67 remis endeten.
Obwohl er kein Plus verbuchen konnte, besaß er dennoch - nach 13
Jahren - noch immer den Weltmeistertitel. Diese Bilanz hat sicher mit dazu
beigetragen, dass die FIDE dem Weltmeister im Falle einer Niederlage nur
noch ein letztes Mal das Recht auf einen Revanchewettkampf innerhalb eines
Jahres zugestand, und ab 1964 diese Regelung aufhob.
1961 beteiligte sich Botwinnik an der 2. Europameisterschaft in
Oberhausen. Er erzielte am Spitzenbrett der sowjetischen Auswahl - zumeist
gegen Großmeister - 67 Prozent der erreichbaren Punkte. Er vollbrachte
damit die beste Leistung an diesem Brett.
Im Dezember 1961 und im Januar 1962 siegte er überlegen in zwei je
10 Teilnehmer umfassenden kleinen Turnieren. In Hastings erreichte er 8
Punkte aus 9 Partien und in Stockholm 8½ aus 9.
Auf der Schacholympiade in Warna 1962 erreichte er am Spitzenbrett
8 aus 12, was 67 Prozent der möglichen Punkte bedeutete und er damit nur
den 6.-7. Platz unter den am ersten Brett spielenden Teilnehmern einnahm.
1963 kam es zum Titelkampf um
die Weltmeisterschaft zwischen Botwinnik und dem 18 Jahre jüngeren
Armenier Tigran Petrosjan. Der Wettkampf
in Moskau war auf 24 Partien angesetzt und ging vom 23. März bis 20. Mai
1963. Nach 22 Partien war die Weltmeisterschaft entschieden. Tigran
Petrosjan entthronte den Titelverteidiger mit 12½:9½ Punkten (15
Remisen).
Zum letzten Male stand dem unterlegenen Weltmeister das Recht zu,
seinen Bezwinger innerhalb eines Jahres zu einem Revanchewettkampf
herauszufordern. Botwinnik machte jedoch diesmal von seinem Recht keinen
Gebrauch. Er sah offenbar ein, dass er mit 53 Jahren vor allem die
psychologischen Anforderungen solch eines zwei Monate währenden Ringens
nicht mehr bewältigen könne.
1963 gewann Botwinnik ein kleines Internationales Turnier in
Amsterdam. 1964 beteiligte er sich zum letzten Male an einer
Schacholympiade.
Auf der Olympiade in Tel Aviv spielte er am 2. Brett hinter
Petrosjan. Er erreichte 9 Punkte aus 12 Partien und damit das beste
Resultat an diesem Brett.
Im Februar 1965 gewann er in Noordwijk ein Turnier mit 6 aus 7 und
beteiligte sich anschließend an der 3. Europamannschaftsmeisterschaft in
Hamburg wo er ein Fiasko erlitt und mit 3½ Punkten aus 8 Partien eine
negative Bilanz hinnehmen musste.
Im Juli 1966 gewann er ein Turnier in Amsterdam mit 7½ aus 9.
Nach elfjähriger Pause nahm Botwinnik erstmals wieder an einem größeren
Einzelturnier teil. Unter 18 Spielern landete er in Palma de Mallorca
(November 1967) gemeinsam mit Smyslov auf dem 2.-3. Platz, wobei er den
Sieger Larsen (13 Punkte) bezwingen konnte.
In dem 14 Teilnehmer zählenden Turnier zu Monte Carlo (April 1968)
erreichte Botwinnik 9 Punkte aus 13 Partien und wurde mit einem halben
Punkt Rückstand hinter Larsen Zweiter.
Im Januar 1969 nahm Botwinnik am Turnier zu Beverwijk (Holland)
teil, mit 10½ aus 15 teilte er sich mit Geller den 1.-2. Platz.
Dem beinahe im 58. Lebensjahr stehenden Exweltmeister gelang es,
sein früheres hohes Ansehen zurückzugewinnen. Es wurden sogar
Verhandlungen über ein Match Botwinnik - Fischer eingeleitet. Es
sollte sogar schon der Zeitpunkt für den Wettkampf vereinbart werden,
aber es kam anders. Botwinnik unterzog sich vor dem Match noch einer
weiteren harten Kraftprobe.
Im Dezember 1969 beteiligte er sich am Belgrader Jubiläums - Großmeisterturnier
und erreichte mit 8½ Punkten aus 15 Partien nur den 7. Platz. Das
Interesse für das Match Botwinnik - Fischer verringerte sich, und die
beiden Partner selbst begannen, dem Kräftemessen reservierter gegenüberzustehen.
In dem vom 29. März bis 5. April 1970 in Belgrad veranstalteten
Mannschaftskampf UdSSR gegen Rest der Welt spielte Botwinnik am 8. Brett
und erreichte 2½ Punkte aus 4 Partien.
Vom 18. April bis 8. Mai 1970 spielte Botwinnik sein letztes
Turnier in Leiden (Holland). Hier erreichte er mit 5½ Punkten aus 12
Partien den geteilten 3.-4. Platz mit Larsen.
Insgesamt hat Botwinnik in seiner Laufbahn 1202 Partien gespielt
(610 Gewinne, 139 Verluste und 453 Unentschieden), was beinahe 70 Prozent
Gewinnpunkte sind.
In
59 gespielten Turnieren wurde er 33mal Erster und 6mal teilte er die
ersten zwei Plätze. Den 3. Preis (auch geteilt) erreichte er 6mal. Von 13
Wettkämpfen gewann er 6, verlor 3, und 4 endeten unentschieden.
Er spielte bei 6
Olympiaden 73 Partien (39 Siege, 3 Verluste und 31 Unentschieden).
1970 beendete er seine praktische Laufbahn. Botwinnik kannte
zeitlebens keinen Müßiggang. Er pflegte sich mit wissenschaftlicher
Akribie auf jeden Gegner vorzubereiten, nach jeder Partie folgte eine gründliche
analytische Auswertung. Auch das physische Training fehlte nicht in
Botwinniks schachlichen Vorbereitungsprogrammen. Bekannt ist, dass er
seinen Trainingspartner Ragosin bat, während ihrer Spiele zu rauchen,
weil er sich so gegen Nikotin - Attacken im Turniersaal immunisieren
wollte! Botwinnik hat unzählige literarische Werke verfasst, die allen
Bereichen des Schachspiels gewidmet sind, zuletzt sogar dem
Computerschach. Berühmt wurde auch seine Schachschule für talentierte
Jugendliche in Moskau, aus der die späteren Weltmeister Anatoly
Karpow und Garry Kasparow hervorgingen.
Botwinnik starb am 5. Mai 1995 in Moskau.
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