"Holland ist berühmt wegen seiner prächtigen Blumen. Für
uns ist Euwe die schönste Blume, die der Schachwelt viel ewig Grünes
geschenkt hat." (Salo Flohr)
Max Euwe (eigentlich Magchielis Euwe) erlernte das Schachspiel mit vier
Jahren von seinen Eltern. An öffentlichen Turnieren beteiligte er sich
zum erstenmal im Alter von zehn Jahren, und zwar an einem
Weihnachtsturnier in Amsterdam 1911, wo er in der 4. Klasse ein 100%-iges
Ergebnis erzielte.
Das Spiel und der Erfolg des jungen Euwe erregten Aufsehen, aber er
war kein Wunderkind und wurde auch nicht als solches angesehen. Man begnügte
sich damit, ihn als guten Schachspieler anzuerkennen. Seine Partien aus
dieser Zeit weisen schon Spuren seiner späteren wissenschaftlichen
Anschauung auf. Schachbücher waren ihm bereits vertraut.
Nichts deutete in seinem Spiel jedoch auf ein urwüchsiges
Naturtalent hin. Mit vierzehn Jahren nahm er am Nebenturnier des Holländischen
Schachbundes teil, mit achtzehn wurde er Sieger des A-Hauptturniers.
Im gleichen Jahr legte er an der Realschule von Amsterdam das
Abitur ab. In dieser Zeit fällt auch sein erstes Auftreten im Ausland. Er
beteiligte sich an einem Turnier in Hastings und nahm den vierten Platz
ein. Im Winterturnier zu Amsterdam wurde er Zweiter.
In den folgenden Jahren, bis zum Winter 1932, nahm er noch mehrere
Male an dieser traditionellen Veranstaltung teil und errang 1920/21 den
zweiten, bei anderen Gelegenheiten den ersten Platz.
In Bromkey 1920 war er zweiter Sieger und noch in dem selben Jahr
wurde er in Amsterdam unter starker Gegnerschaft Vierter. Unter den
Teilnehmern befanden sich, um nur die bekanntesten Namen zu erwähnen, Maroczy,
Réti und Tartakower.
Danach spielte Euwe einen Zweikampf mit Réti und erlitt eine
1:3-Niederlage. Obwohl er den Kürzeren zog, veranschaulicht seine einzige
Gewinnpartie die Entwicklung seines Stils. Er schwankte noch zwischen dem
klassischen Vorbild Tarraschs
und der modernen Auffassung von Réti.
Im ersten großen Nachkriegsturnier 1920 in Göteborg hatte Euwe
noch vor der letzten Runde Chancen auf den ersten Platz, unterlag aber in
der entscheidenden Partie nach heftigem Kampf seinem Landsmann Dr.
Olland und musste sich mit dem zweiten Platz hinter Johner begnügen.
Für den jungen Euwe war dieses Abschneiden sehr ehrenvoll.
Trotzdem hatte das dramatische Verfehlen des ersten Preises eine ungünstige
Wirkung auf ihn, denn in späteren Turnieren vermochte er unter ähnlichen
Umständen die Erinnerung daran nie völlig verdrängen.
Der Erfolg im Göteborger Turnier machte Euwe mit einem Schlag berühmt.
Die Schachwelt begann auf ihn aufmerksam zu werden, zumal er noch im
gleichen Jahr zwei erste Plätze errang, und zwar in Scheveningen und in
einem Viererturnier in Amsterdam, in dem er sogar alle Partien siegreich
beendete.
Im Dezember 1920 und im Januar 1921 spielte er einen
Vergleichskampf mit Oskam und gewann 3:1. Im Januar 1921 wurde er
in Scheveningen erneut Erster, ohne auch nur einen halben Punkt abzugeben.
In Brodstair (England) teilte er den ersten und zweiten Platz mit O'Hanlon.
In Wien war er Zweiter hinter Sämisch, überflügelte aber
angesehene Meister wie Breyer, Tartakower, Vukovic und Grünfeld.
Im August 1921 gewann Euwe das erste Mal die Meisterschaft von
Holland, diesen Erfolg sollte er noch oft wiederholen. Im gleichen Jahr
spielte er mit seinem späteren Lehrmeister und Freund Maroczy einen
Wettkampf, dessen Ergebnis 6:6 lautete.
Anlässlich eines internationalen Turniers in Budapest begegnete
Euwe zum erstenmal Alexander
Aljechin. Der Holländer erreichte zwar nur den sechsten Platz, aber sein
Ergebnis kann im Hinblick auf die starke Konkurrenz als gut angesehen
werden. Er ließ z.B. Bogoljubov
hinter sich.
Im Turnier zu Haag erlitt er dagegen einen Misserfolg: Er wurde
letzter. Von da an wendete sich sein Turnierglück bis Ende 1922. In
Pystian wurde er Neunter, im Londoner internationalen Turnier, das Capablanca
gewann, sogar nur Elfter.
Das Jahr 1923 verlief bereits erfolgreicher für Euwe, der zunächst
ein Viererturnier in Amsterdam vor Tarrasch,
Speyer und Weenink gewann. Beim internationalen Turnier in Mährisch-Ostrau
begegnete er zum erstenmal Emanuel
Lasker. Hier teilte er zwar nur den fünften und sechsten Platz hinter
Lasker, Réti, Grünfeld und Selesniew, konnte sich aber z.B. vor
Tartakower, Bogoljubov, Rubinstein, Spielmann und Tarrasch
platzieren.
Beim Neujahrsturnier in Hastings gelang es Euwe auf Anhieb, Erster
zu werden und Maroczy, Colle und Yates auf die folgenden Plätze
zu verweisen. Er verlor nur gegen Colle, revanchierte sich aber ein
Vierteljahr später in einem Wettkampf, den er mit 5:3 für sich
entschied. Im Turnier zu Weston-Supermare errang Euwe den ersten Platz vor
Sir G. Thomas und Snosko-Borowski.
1924 wurde er Erster im Halbfinale des Pariser internationalen
Turniers, musste sich aber im Finale mit dem vierten Platz begnügen.
Turniersieger wurde Mattison vor Apscheneek und Colle.
Die Meisterschaft von Holland endete erneut mit Euwes Sieg. Den
Zweiten, Davidson, bezwang er danach in einem Wettkampf mit 6½:2½.
Im Jahr 1924 promovierte Euwe zum Doktor der Philosophie. In der
gleichen Zeit prägte sich sein Schachstil aus, und sein Spiel wurde
harmonischer. Im folgenden Jahr ergriff er in Rotterdam die Laufbahn eines
Mittelschullehrers und wurde kurz darauf Lehrer, später Direktor an einem
Lyzeum in Amsterdam.
Er gewann 1925 das Turnier in Semmering - Baden und zu Ostern des
selben Jahres das doppelrundige Turnier von Wiesbaden. 1926 errang er in
Weston-Supermare erneut den ersten Platz, Zweiter wurde Colle.
1926 erwarb er auch noch in der Mathematik den Doktorgrad. Neben
seiner wissenschaftlichen Tätigkeit und dem Lehrerberuf widmete er sich
weiterhin dem aktiven Turnierspiel, obwohl seine Zeit knapp bemessen war.
Selbst in der Periode seiner größten Erfolge übte er seinen Beruf aus,
wenngleich er sich auch zeitliche Beschränkungen auferlegen musste.
Euwes Spiel reifte allmählich zur Großmeisterstärke heran.
Entschlossen betrat er den Weg zur Weltmeisterschaft. Ein angeborenes,
durch Arbeit gefördertes Talent paarte sich bei ihm mit vorzüglichen
menschlichen Eigenschaften. Dank seiner Liebe zum Schach und seinem Willen
zur Selbstkritik kam er voran.
Er schuf sich ein gründlich durchdachtes Eröffnungsrepertoire,
das sich hauptsächlich auf den Zug 1.d4 stützte. Die genaue
Kenntnis der geschlossenen Spielweisen und seine Vorliebe für die
Strategie bedingten einander. Die psychologische Seite des Schachs
vernachlässigte er ebenfalls nicht, aber auf taktischem Gebiet war er
verwundbar.
Mit dem Jahr 1926 begann im Leben Euwes die Periode, in der er sich
in mehreren Wettkämpfen mit den Besten der Welt maß. Bei diesen
Vergleichen waren ihm keine besonderen Erfolge beschieden, aber sein Spiel
wusste allgemein zu gefallen. Seine Partien halfen seinen Ruhm vergrößern
und ließen ihn die im Kampf mit den Größten nötige Routine erwerben.
Ein Jahr bevor Aljechin Weltmeister wurde, spielte Euwe mit ihm
einen Wettkampf und verlor 4½:5½. In einem neuerlichen Match gegen
Davidson blieb Euwe dagegen mit 4:1 siegreich. Ein doppelrundiges
Sechserturnier der VAS (Vereinigte Amsterdamer Schachgenossenschaft) sah
Euwe 1927 an der Spitze. Danach erreichte er in London einen vierten
Platz. Einen zweiten Wettkampf mit Colle gestaltete er 1928 mit 5½:½ überlegen
für sich.
Ein schachhistorisches Ereignis war die Austragung der
Amateur-Weltmeisterschaft in Den Haag, die für Euwe ein großer Erfolg
wurde und ihm den Titel eines Amateurweltmeisters eintrug. Turniere dieser
Art sind seitdem nicht wieder ausgetragen worden.
Einen in Amsterdam, Rotterdam und Utrecht mit Efim Bogoljubov
gespielten Wettkampf im Jahre 1928 begann Euwe sehr verheißungsvoll,
musste sich aber schließlich mit 5½:7½ geschlagen geben. Auch die
Revanche endete mit einem Sieg von Bogoljubov, der diesmal mit 5½:4½ die
Oberhand behielt.
In Bad Kissingen 1928 konnte Euwe zusammen mit Akiba
Rubinstein
den dritten und vierten Platz belegen. Sieger wurde Bogoljubov vor
Capablanca.
1928 begann Euwes literarische Tätigkeit. Seine eröffnungstheoretischen
Untersuchungen und Systematisierungen sowie seine zahlreichen Lehrbücher
wurden bald weltberühmt.
In der Meisterschaft von Holland erzielte Euwe 1929 in Amsterdam
einen überlegenen Sieg mit 8½ Pkt. aus 9 Partien. Auf dem Karlsbader
internationalen Turnier 1929 erreichte er dagegen nur den 5.-7. Platz
gemeinsam mit Becker und Vidmar.
1930 wurde er bei einem Sechserturnier in Amsterdam hinter Weenink
Zweiter. Im Herbst beteiligte er sich an einer Tournee durch Ostindien.
Das Jahr schloss mit einem sensationellen Erfolg für ihn. Er gewann das
Hastinger Neujahrsturnier vor dem Exweltmeister Capablanca. Das Spiel
Euwes ist in dieser Zeit sehr phantasiebetont. Obwohl er die Strategie
gegenüber der Taktik den Vorzug gibt, bedient er sich doch gern
taktischer Wendungen, um einen Positionsvorteil zu erringen bzw. zu
verwerten.
Euwes Stil wurde von seiner wissenschaftlichen Einstellung zum
Schach geprägt. Sein Spiel ist klar wie das Capablancas, obwohl sich
seine Schachauffassung in einem Punkt grundlegend von der des Kubaners
unterscheidet. Während Capablanca nämlich weitgehend seiner Intuition
vertraute, bediente sich Euwe wissenschaftlicher Methoden der
Vorbereitung. Capablanca war vor allem in der Eröffnung oft gezwungen,
sich Pläne und Züge am Brett zurechtzulegen, wo Euwe noch auf sein
theoretisches Wissen bauen konnte. Dank seiner schachwissenschaftlichen
Forschungsarbeiten ist Euwe stets in der Lage gewesen, mit umfangreichen
Kenntnissen gewappnet, den Kampf aufzunehmen.
Seine Eröffnungskunst äußerte sich nicht in der Erfindung neuer
Eröffnungen. Seine Stärke lag vielmehr in der Analyse und Verbesserung
von Varianten. Auch die praktische Erprobung umstrittener Abspiele ist in
vielen Fällen mit seinem Namen verbunden. In der unerschöpflichen
Schatzkammer der Eröffnungstheorie hat Euwe zahllose Edelsteine gefunden
und künstlerisch geschliffen.
Im Jahr 1931 unterlag Euwe in einem Wettkampf gegen Exweltmeister
Capablanca mit 4:6. Im Hastinger Neujahrsturnier musste er sich hinter Flohr
und Kashdan mit dem dritten Preis begnügen.
Im folgenden Jahr nahm Euwe nur wenige Einladungen an. Aus dieser
Zeit sind vor allem zwei Wettkämpfe erwähnenswert: Gegen Rudolf
Spielmann siegte er mit 3:1 und gegen Salo Flohr lautete das Ergebnis 8:8.
1932 belegte Euwe in Bern hinter Aljechin gemeinsam mit Flohr den
zweiten bis dritten Platz. 1933 gewann er wiederum die Meisterschaft von
Holland.
Euwe ging weiterhin seinem Beruf nach und nahm sich obendrein vor,
das Diplom eines Hochschullehrers zu erwerben. Diese vielseitigen
Verpflichtungen beeinträchtigten selbstverständlich seine schachlichen
Vorbereitungen und Pläne. In diesem Zeitraum konnte er sich kaum an
Turnieren beteiligen. Trotzdem verlor er sein Ziel nicht aus dem Auge. Die
Zeit nahte, in der er durch einen Wettkampf um die Weltmeisterschaft seine
hohe Berufung beweisen sollte.
Um seine Spielstärke zu verbessern musste er zum Turnierkampf zurückfinden.
1934 spielte er deshalb einige Wettkämpfe und nahm an dem stark besetzten
Züricher Turnier teil. Wie schon zwei Jahre zuvor in Bern belegte er
hinter Aljechin im toten Rennen mit Flohr den zweiten und dritten Rang.
Dann folgten Bogoljubov,
Lasker, Bernstein, Nimzowitsch,
Stahlberg und weitere acht Spieler. Euwe besiegte in diesem Turnier
Aljechin, obwohl sich dieser in Höchstform befand. Im Hinblick auf den
bevorstehenden Weltmeisterschaftskampf wurde diesem Ergebnis große
Bedeutung beigemessen.
Auf den Erfolg von Zürich folgte ein zeitweiliger Rückschlag in
Leningrad, wo Euwe nur 50 Prozent der möglichen Punkte erreichte und sich
mit dem sechsten Platz begnügen musste. Im Hastinger Neujahrsturnier
1934/35 wurde er seinem Ruf dagegen wieder gerecht und setzte sich
gemeinsam mit Flohr und Sir G. Thomas punktgleich an die Spitze des
Feldes. Exweltmeister Capablanca musste mit dem vierten Preis vorlieb
nehmen.
Im März 1935 gewann Euwe noch ein kleines Viererturnier vor van
den Bosch. Dann bereitete er sich auf den großen Wettkampf mit
Alexander Aljechin vor.
Am 3. Oktober 1935 begann das WM-Match zwischen Euwe und
Aljechin. Das unter der Leitung von Schiedsrichter Maroczy stehende Match
erregte die Gemüter der ganzen Schachwelt. Schließlich hatte Euwe schon
im Jahre 1926 in einem kurzen Wettkampf ehrenvoll gegen Aljechin
abgeschnitten und ihm in den letzten vierzehn Partien ein 7:7 abgetrotzt.
Außerdem war er es gewesen, der dem Weltmeister im großen Zürcher
Turnier als einziger eine Niederlage beizubringen vermochte. Seine
moralische wie auch sportliche Berechtigung zu dem Weltmeisterschaftskampf
wurde deshalb von niemandem bezweifelt.
Es prallten zwei grundverschiedene Schachauffassungen aufeinander.
Das Ergebnis des Kampfes wurde jedoch nicht so sehr von den
Stilunterschieden, als vielmehr von äußeren Umständen bestimmt. Euwe
war gründlich vorbereitet und hatte eiserne Nerven, während Aljechins
Allgemeinbefinden zu wünschen übrig ließ. Er rauchte unmäßig,
versuchte seine erloschene Inspiration durch Alkohol zu beleben und
verschrieb sich als es schlecht um seine Sache Stand sogar der Mystik und
dem Aberglauben. Euwe gewann den Wettkampf mit 15½:14½ (13 Remisen)
denkbar knapp, wobei er allerdings in der letzten Partie eine gewonnene
Stellung remis gab, um eine Hängepartie zu vermeiden.
Sein Sieg war nur von wenigen erwartet worden und verfehlte schon
deshalb seine Wirkung auf die Schachöffentlichkeit nicht. Holland war
stolz auf seinen Sohn und verlieh Euwe nach dessen Sieg im WM-Kampf einen
Orden. Das Interesse für das Schachspiel wuchs in dem kleinen Land
sprunghaft an.
Nach seinem Titelgewinn beteiligte sich Euwe an mehrere Turniere
mit wechselndem Erfolg. 1936 wurde er in Leiden Erster, in Zandvoort
belegte er hinter Fine den zweiten Platz, wobei er Keres, Tartakower,
Bogoljubov, Maroczy und andere hinter sich ließ.
In Nottingham musste er Botwinnik
und Capablanca,
die sich punktgleich an die Spitze setzten, den Vortritt lassen .Er
belegte mit Fine und Reshevsky
nur den dritten bis fünften Platz.
In Amsterdam teilte er sich vor Exweltmeister Aljechin zusammen mit
Fine den ersten und zweiten Preis. Im Sommer 1937 erzielte Euwe in einem
doppelrundigen Viererturnier, das in Bad Nauheim, Stuttgart und Garmisch
ausgetragen wurde einen 1½:½ Sieg gegen Aljechin und einen 2:0 Erfolg
gegen Sämisch. Er unterlag Bogoljubov mit ½:1½, aber der erste Preis
war ihm nicht mehr streitig zu machen. Im Herbst gewann Euwe einen kleinen
Vergleich gegen Flohr mit 1½:½.
Im Jahr 1937 kam es zum Revanchekampf um die Weltmeisterschaft.
Als Euwe auf Aljechin traf, sah er sich einem Gegner gegenüber, der wie
umgewandelt schien. Zunächst begann der Wettkampf verheißungsvoll für
Euwe, doch dann erwies sich Aljechin, der schachlich, physisch und
moralisch ausgezeichnet vorbereitet war, als unwiderstehlich und feierte
mit 15½:9½ einen vollständigen Triumph.
Obwohl Euwe nur zwei Jahre hindurch Weltmeister war, hat ihm das
Schach viel zu verdanken, zumal er in dieser Periode nur einen kleinen
Bruchteil seines Lebenswerkes geschaffen hat. Selbst wenn er nie
Weltmeister geworden wäre, müsste man ihn zu den bedeutendsten Meistern
aller Zeiten rechnen. Sein Weg zur Spitze, die Ausdauer, mit der er sein
Ziel verfolgte und erreichte, aber auch die Beharrlichkeit, mit der er
nach der Niederlage weiter an sich arbeitete - all das hat der Schachwelt
als Vorbild gedient.
Exweltmeister Euwe beteiligte sich auch weiterhin am Turnierleben.
Dank seiner Analysen und Partien galt er als "Botschafter des
Schachspiels". Unermüdlich forschte, schrieb, redigierte und
organisierte er.
Im Jahr 1938 beteiligte sich Euwe am Avro-Turnier und belegte den
vierten bis sechsten Platz. Nach Weihnachten 1939 bis Anfang 1940 spielte
Euwe einen Wettkampf mit den jungen estnischen Großmeister Paul Keres. Er
endete mit einem knappen 7½:6½ Sieg von Keres. Schauplätze der
einzelnen Partien waren Amsterdam, Utrecht, Haag, Rotterdam und Hilversum.
Das Jahr 1940 brachte Euwe einen beachtlichen Matchsieg. Er schlug
Bogoljubov mit 6½:3½.
Als der Krieg, der auch die traditionsreichen englischen Turniere
unterbrochen hatte, beendet war, fand nach jahrelanger Zwangspause 1945 in
Hastings ein Siegesgedenkturnier statt. Im Meisterturnier siegte überraschend
der Veteran Tartakower vor dem jungen Schweden Ekström. Euwe
vermochte nur den dritten bis fünften Platz zu belegen, punktgleich mit Denker
und H. Steiner.
Bald gelang es Euwe jedoch, wieder an seine Vorkriegserfolge anzuknüpfen.
1946 errang er in London den ersten Preis vor Denker und Sir G. Thomas. Im
selben Jahr spielte er auch in Zaandam und gewann das Turnier vor L.
Szabo und Ekström.
Euwes wechselhafte Ergebnisse wurden in diesen Jahren natürlich
besonders von seiner Berufsarbeit beeinflusst. So war er beispielsweise
von 1941 bis 1946 als Direktor eines Lebensmittelbetriebes in Amsterdam tätig.
Eine der größten Leistungen seines Lebens vollbrachte Euwe 1946
in Groningen im Staunton-Gedenkturnier. Hinter dem großartigen Sieger Botwinnik der 14½ Punkte
erzielte, nahm er trotz stärkster Gegnerschaft mit 14 Punkten einen
hervorragenden zweiten Rang ein. In diesem Turnier befand sich Euwe in
selten erreichter Hochform. Seine Partien übertrafen, was den künstlerischen
Gehalt angeht, sogar diejenigen seines ersten Wettkampfes mit Aljechin !
1947 erreichte Euwe in Mar del Plata gemeinsam mit Bolbochan
nur den fünften bis sechsten Platz. Najdorf, Eliskases,
Stahlberg und Pilnik vermochten sich vor ihm zu platzieren. Danach
belegte er in New York hinter Fine und Najdorf punktgleich mit Pilnik den
dritten und vierten Preis. In dieser Zeit reiste Euwe viel umher und gab
zahlreiche Simultanvorstellungen.
1948 beteiligte sich Euwe an dem Fünferturnier um die Weltmeisterschaft.
In diesem schachhistorischen Treffen sicherte sich Botwinnik durch
hervorragendes Spiel den Weltmeistertitel. Der Endstand des Turniers
lautete: 1. Botwinnik, 2. Smyslov,
3.-4. Keres und Reshevsky, 5. Euwe. Euwes Ergebnis war enttäuschend.
Mehrmals unterlag er infolge grober Fehler.
Ein Turnier jagte das andere. Euwes Ergebnisse waren, wie stets in
seiner Laufbahn, unbeständig. Von 1942 bis 1952 erzielte er folgende
Ergebnisse.
1949/50 wurde er beim Neujahrsturnier in Hastings unter zehn
Teilnehmern hinter L. Szabo und Rossolimo Dritter.
1950 bezwang er Jan Hein Donner in einem Wettkampf mit 2½:1½.
Im
Schweinburg-Gedenkturnier wurde er Erster vor Rudolf Teschner.
In Amsterdam belegte
er punktgleich mit Pilnik nur den sechsten bis siebenten Platz.
In Luzern wurde er
wieder Turniersieger und verwies Pilnik auf den zweiten Platz.
1951 erkämpfte er sich im New Yorker Wertheim-Gedenkturnier einen
guten zweiten Platz hinter Samuel Reshevsky, der nur einen halben Punkt
Vorsprung hatte.
1952 wurde Euwe in Basel hinter Vidmar zweiter, danach in Beverwijk
aber Erster vor O'Kelly.
In Zürich endete er gemeinsam mit Christoffel im toten
Rennen hinter Lundin. Sieht man von Amsterdam 1950 ab, so schlug
sich Euwe in dieser Flut von Turnieren sehr achtbar.
Im Kandidatenturnier
1953 in Zürich und Neuhausen versuchte Euwe zum letzten Mal in die
Kämpfe um die Weltmeisterschaft einzugreifen. In dem doppelrundigen
Turnier der fünfzehn Kandidaten belegte er einen enttäuschenden
vorletzten Platz. Sieger wurde Smyslov, der sich dadurch zum ersten Mal
das Recht erkämpft hatte, Weltmeister Botwinnik zu einem Wettkampf
herausfordern zu dürfen.
Zum Jahresbeginn 1956 gewann Euwe zum letzten Mal die Meisterschaft
von Holland, indem er Donner in einem Wettkampf mit 7:3 bezwang.
1956 übernahm der Mathematiker Euwe eine wissenschaftliche Arbeit
auf dem Gebiet der elektronischen Rechenmaschinen. Ein Jahr später führte
ihn eine Studienreise in die USA, wo er sich mit amerikanischen Computern
vertraut machen wollte. Während seines Aufenthaltes spielte er mit dem
neuen Schachstern der USA, dem damals erst 13jährigen Bobby
Fischer, zwei Partien. Die erste gewann Euwe und die zweite endete
unentschieden.
1958 wurde das zwanzigste Jubiläumsturnier des Hoogoven Klubs in
Beverwijk veranstaltet. Im Meisterturnier des 140 Teilnehmer umfassenden
Schachfestivals teilte Euwe mit Donner den ersten und zweiten Platz. Von
da an beteiligte sich Euwe nur noch selten an Turnieren. Er spielte zwar
in der Olympiamannschaft seines Vaterlandes am Spitzenbrett, trat aber in
Einzelturnieren kaum noch in Erscheinung.
Als Schachschriftsteller und -organisator war er jedoch nach wie
vor unermüdlich tätig. Der "Botschafter des Schachs"
war einer der populärsten Propagandisten des königlichen Spiels.
Von 1970 bis 1978 war er Präsident des Weltschachbundes, der FIDE.
Große Bedeutung erlangte Euwe auch als Theoretiker und Autor.
Seine praktische Methode, Partien, Analysen und Kommentare zu ordnen,
findet bei zahlreichen Lesern Anklang. Seine Bücher über alle
Partiephasen wie die "Theorie der Schacheröffnungen"
oder "Das Mittelspiel" sind jedem Spieler ein Begriff.
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