Garry Kasparov

(geb. 1963)

Schachweltmeister 1985 - 1993 / PCA-Weltmeister 1993 - 2000

"Kasparov bricht mit allen Gesetzen des Schachspiels" (Michael Stean)

Garry Kasparov, 13. Weltmeister der Schachgeschichte (nach FIDE-Version von 1985 bis1993). Kasparov ist seit dem 1.1.1984 bis heute (2001) fast ununterbrochen die Nummer 1 der Weltrangliste und wird selbst von einigen seiner Konkurrenten als der Spieler mit dem universellsten Schachverständnis aller Zeiten bezeichnet. Kasparov hatte mit seinem dynamisch ausgerichteten Stil epochalen Einfluss auf die Entwicklung des Turnierschachs am Ende des 20. Jahrhunderts.

Nach dem frühen Tod seines deutschstämmigen Vaters hatte Kasparovs armenische Mutter Klara den Familiennamen Weinstein in die russifizierte Form ihres Namens ändern lassen. Kasparov ging den für sowjetische Nachwuchstalente typischen Weg durch die berühmte Botwinnik-Schule und lebte bis 1990 in seiner aserbaidschanischen Geburtsstadt Baku. Hier absolvierte er sein Anglistikstudium am pädagogischen Institut für Fremdsprachen. Später wurde Kasparov ein Anhänger von Michail Gorbatschow, für dessen Perestrojka-Politik er sich ebenfalls einsetzte. Als es 1990 für ihn dort aufgrund politischer Unruhen zu gefährlich wurde (zwischen moslemischen Aserbaidschanern und christlichen Armeniern ereigneten sich blutige Auseinandersetzungen) flüchteten er und seine Familienangehörigen von Baku nach Moskau und nahm dort die russische Staatsbürgerschaft an. Von dieser Zeit an lehnte er Gorbatschows Politik zunehmend ab.

Außergewöhnliches Talent gepaart mit Fleiß, unbändiger Willenskraft und einem enormen Gedächtnis bilden die Grundlage für Kasparovs Ausnahmestellung. Er selbst charakterisierte seinen Stil einmal als "eine Kombination aus Aljechin, Tal und Fischer". Ausgestattet mit einem breitgefächerten, tiefdurchdachten Eröffnungsrepertoire, außergewöhnlicher Intuition sowie einer ebensolchen Kombinationsgabe eilte der junge Kasparov von Sieg zu Sieg und qualifizierte sich 1984 als Herausforderer für das WM-Finale gegen Anatoly Karpov.

1975 und 1976 gewann er im Alter von 12 bzw. 13 Jahren die UdSSR-Jugend-Meisterschaft. Im Jahre 1978 siegte er im Sokolsky-Memorial in Minsk. Als eloloser Spieler gewann er 1979 sein erstes internationales Turnier in Banja Luka, Jugoslawien mit 11½:3½. Seine erste Elo-Wertung durch die FIDE war danach 2500. 1980 gewann er ein Turnier in Baku ebenfalls mit 11½:3½ und erhielt den Großmeistertitel.

Nur fünf Monate später gewann er die Jugendweltmeisterschaft in Dortmund. 1981 wurde er Zweiter hinter Anatoly Karpov in einem internationalen Kategorie-15-Turnier in Moskau. Bei der 48. UdSSR-Meisterschaft in Frunze vom 26. November bis 23. Dezember 1981 erreichte er einen geteilten ersten Platz mit Psakhis.

Garry Kasparov siegte unangefochten im internationalen Kategorie-14-Superturnier in der bosnischen Provinzstadt Bugojno in Jugoslawien, dass vom 6. bis 25. Mai 1982 stattfand. Im selben Jahr gewann er das Interzonenturnier in Moskau mit 10:3 vor Michail Tal und Alexander Beliavsky und qualifizierte sich damit als Kandidat für die Weltmeisterschaft.

1983 gewann er ein Turnier in Niksic, anschließend schlug er Beliavsky und Kortschnoi in den Kandidatenmatches.

1984 siegte er gegen Smyslov im Kandidatenfinale und wurde Herausforderer von Weltmeister Anatoly Karpov. Im selben Jahr gab Kasparov zum ersten Mal eine Simultanvorstellung über Satellit gegen Spieler aus London und New York.

Bei der WM in Moskau 1984 erteilte Karpov seinen jungen Herausforderer indes zunächst eine Lektion und ging - die Remispartien nicht mitgezählt - sensationell deutlich mit 5:0 in Führung. Nur ein Sieg fehlte noch, um Kasparov zu deklassieren. Doch Kasparov hielt, in dieser wohl kritischsten Phase seiner Karriere, mit einer beispiellosen psychischen wie physischen Energieleistung stand. Kasparov verlor keine weitere Partie und gewann selbst dreimal. Nach 48 (!) Partien und fünfmonatiger (!) Spielzeit wurde der Wettkampf abgebrochen. Bei der Neuauflage 1985 in Moskau gewann Kasparov schließlich mit 13:11 und war mit 22 Jahren und 210 Tagen der jüngste Schachweltmeister aller Zeiten. In drei weiteren Wettkämpfen gegen Karpov 1986 in London und Leningrad sowie 1990 in Lyon und New York verteidigte er seinen Titel jeweils knapp, zweimal mit 12½:11½ und einmal 12:12 im Jahre 1987 in Sevilla.

Im April 1987 teilten sich Kasparov und Ljubojevic den Turniersieg im Brüsseler Swift-Turnier. 1988 gewann er in Amsterdam, Belfort und Reykjavik. Im August teilte er sich den ersten Platz mit Karpov bei der UdSSR-Meisterschaft.

1989 siegte Kasparov in Barcelona, Skelleftea (geteilt mit Karpov), Tilburg und Belgrad. Im Grand Masters Association World Cup 1988/89 holte er sich den nächsten Turniersieg. Seine FIDE-Wertung stieg 1989 auf 2810 Elo und er übertraf damit Bobby Fischers Elo-Rekord, die bis dahin höchste jemals erreichte Wertung. In einem Match über zwei Partien schlug er den IBM-Rechner Deep Thought (720.000 Positionen pro Sekunde) in New York.

Im Februar 1990 wurde er Turniersieger in Linares, Spanien. Ein Jahr später gewann er ein Kategorie-17-Turnier in Tilburg, Niederlande. 1992 folgte ein Turniersieg in Paris. Im März 1993 gewann er abermals in Linares. Dies war ein Kategorie-18-Turnier mit den 11 Topspielern der Weltrangliste bei 14 Teilnehmern.

Im März 1993 weigerte sich Kasparov seinen Weltmeistertitel unter der Regie der FIDE zu verteidigen und gründete die Professional Chess Association (PCA). Daraufhin entzog die FIDE Kasparov den Weltmeistertitel und organisierte einen Titelkampf, der vom September bis Oktober 1993 zwischen Anatoly Karpov und Jan Timman ausgetragen wurde. Karpov gewann das Match.

Zeitgleich begann das PCA-Weltmeisterschaftsmatch in London gegen Nigel Short. Kasparov gewann das Match 12½:7½. Zum ersten Mal in der Schachgeschichte hatte die Schachwelt zwei Weltmeister, Kasparov bei der PCA und Karpov bei der FIDE. Mittlerweile hat sich die PCA de facto aufgelöst. Wenngleich Kasparov (derzeit) nicht den offiziellen WM-Titel innehat und obwohl ihn zuweilen selbst Vertraute für schwierig im persönlichen Umgang halten, wird er von vielen Großmeisterkollegen als der ungeschlagene, der "wahre" Weltmeister angesehen

1994 verlor Kasparov in München ein Blitzmatch gegen das Schachprogramm Fritz 3.

1995 gewann Kasparov Turniere in Riga und Nowgorod. Im September verteidigte er seinen PCA-Weltmeistertitel gegen den Inder Viswanathan Anand in New York. Er gewann das Match mit 10½:7½. Im November gewann er den Paris Intel Grand Prix. Später schlug er in London das Schachprogramm Fritz 4 mit 1½:½. Im Dezember spielte Kasparov über Internet gegen 10 Spieler und gewann mit 8½:1½.

1996 spielte Kasparov für Russland auf der 32. Schacholympiade in Eriwan am ersten Brett und holte mit seiner Mannschaft die Goldmedaille.

1996 spielte Kasparov sein erstes Match gegen den IBM - Rechner Deep Blue in Philadelphia, USA. Den auf sechs Partien angesetzten Wettkampf konnte er mit 4:2 für sich entscheiden.

Zum Re-Match gegen Deep Blue kam es im Mai 1997. Der Rechner konnte mit seinen 32 speziell konstruierten Prozessoren 200 Mio. Varianten pro Sekunde (!!!) durchspielen. Kasparov unterlag in der letzten Partie bei einem Endstand von 3½:2½ Punkten.

Beim Euro Tel Trophy Chess - Match 1998 in Prag spielten Kasparov und der Niederländer Jan Timman einen Wettkampf über sechs Partien. Kasparov konnte mit 4:2 das Match für sich entscheiden.

Im Kategorie-17-Turnier 1999 in Wijk aan Zee siegte Kasparov mit 10 Punkten vor 2. Anand (9½) und 3. Kramnik (8) vor weiteren 11 Teilnehmern.

In Linares 1999 teilten sich Kasparov und Kramnik mit jeweils sechs Punkten den Turniersieg. Den 3. bis 6. Platz belegten Leko, FIDE-Weltmeister Khalifman, Anand und Shirov mit je 4½ Punkten.

2000 untermauerte Garry Kasparov mit einem überlegenen Sieg im niederländischen Wijk aan Zee seine Überlegenheit im Weltschach. Er gewann das Kategorie-18-Turnier Ende Januar mit 9½ Punkten vor Kramnik, Peter Leko und Viswanathan Anand, die jeweils 8 Punkte erreichten.

In Sarajevo 2000 gewann Kasparov abermals ein Turnier. In einem spannenden Kopf an Kopf Rennen um den Turniersieg zwischen Kasparov, Shirov und Adams konnte sich schließlich der Weltmeister mit 8½ Punkten vor Shirov und Adams jeweils 8 Punkte knapp durchsetzen.

Bei der inoffiziellen Schnellschachweltmeisterschaft (2 mal 30 Minuten pro Partie), den Frankfurt Chess Classics in Bad Soden 2000 versammelten sich zum ersten Mal in der Schachgeschichte die Top 10 der Welt. Bei diesem Superturnier musste sich der sonst sieggewohnte Weltmeister mit dem zweiten Platz begnügen. Sieger wurde mit 7½ Punkten Viswanathan Anand vor 2. Kasparov (6), 3. Kramnik (5), 4. Shirov (4½), 5. Leko (3½), 6. Morozevich (3½).

Nach fünf Jahren ohne Titelverteidigung entschied sich Kasparov 1998, dass der Sieger aus dem Wettkampf Weltranglistenzweiter (Kramnik) und Sieger Linares (Shirov) sein Herausforderer sein soll. Shirov gewann in Cazorla (Spanien) gegen Kramnik.

Doch der geplante WM-Kampf platzte, da Sponsorenzusagen nicht eingehalten wurden. Kasparov erklärte, dass sich für ein Wettkampf gegen Shirov kein Sponsor findet und verständigte sich mit Anand über einen WM-Kampf im Jahr 1999.

1999 viel der geplante WM-Kampf mit Anand ins Wasser, da kein Sponsor gefunden wurde.

Im Jahr 2000 fanden sich in England Sponsoren, die in London einen WM-Kampf mit Kasparov finanzieren möchten. Anand lehnte eine Teilnahme als Herausforderer ab. Als nächster wird Kramnik gefragt, der seine Zusage gibt.

Nach fünf Jahren ohne Titelverteidigung stellte sich Garry Kasparov nun wieder in einem Wettkampf. Es ist der Wettkampf zwischen den beiden derzeit besten Schachspielern des Planeten. Auf Turnieren endete der Vergleich bisher unentschieden. Vladimir Kramnik ist einer der wenigen Spieler, der gegen Kasparov ein ausgeglichenes Ergebnis hat.

Das Ergebnis der Braingames.net-Weltmeisterschaft, die vom 8. Oktober bis 4. November in den Londoner Riverside Studios stattfand, war eine Überraschung. Nicht der wettkampfgestählte Weltranglistenerste Garry Kasparov gewann, sondern sein Herausforderer und früherer Schüler Vladimir Kramnik. Kasparov spielte teilweise verhalten, gab Weißpartien frühzeitig Remis und schien nicht derselbe zu sein. Manche vermuteten Probleme im persönlichen Bereich. Aber vielleicht war der kaum zu besiegende Kramnik einfach zu stark.

In der vorletzten Partie schaffte Kramnik das nötige Remis zum 8½:6½. Mit dem Vorsprung von zwei Punkten ist die 16. und letzte Partie bedeutungslos geworden. Titelverteidiger Kasparov musste sich geschlagen geben, ohne auch nur eine Partie gewonnen zu haben.

Der große Moment war gekommen, als Kasparov nach über vier Stunden und 38 Zügen plötzlich den Kopf schüttelte und dann seine Hand ausstreckte, um ein Remis und damit seinen Weltmeistertitel anzubieten. Kramnik, der den Beinamen "Der Eisschrank" führt und bis dahin keine Miene verzogen hatte, zeigte zum ersten Mal eine Regung und boxte mit den Fäusten in die Luft. Kasparov gab sich anschließend zugeknöpft. Es sei eine lange Geschichte, orakelte er. Er werde mehr dazu sagen, wenn das Turnier vorbei sei, aber es gebe Gründe, die ihn davon abgehalten haben, gut zu spielen.

Der Mann, der als "schlechtester Verlierer der Welt" galt, der schon vor Wut kochte, wenn er alle Jubeljahre mal ein Remis einstecken musste, der für seine Gegner sonst nur Verachtung übrig hatte und sie meist keines Blickes würdigte. Als er Kramnik nun gelassen die Hand reichte, wussten seine Fans endgültig, dass etwas nicht stimmte. "Kasparov fiel nicht in der Schlacht", schrieb der britische "Daily Telegraph". "Er kapitulierte, er ergab sich, er dankte ab."

Kramnik ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Kasparov. Er gilt als höflich, beherrscht und bescheiden. Der orthodoxe russische Christ, der immer ein Silberkreuz trägt, ist darüber hinaus auch der erste religiöse Weltmeister seit über 40 Jahren. Seine Schachkarriere interpretiert Kramnik philosophisch als eine "Suche nach Perfektion". Kramnik kassierte mit 1,33 Millionen Dollar zwei Drittel der Börse. Dem Wunsch Kasparovs auf eine Revanche will er nachkommen.

Kasparov-Kramnik WM 2000

In der folgenden Pressekonferenz waren beide Spieler relativ gelassen. Kasparov erklärte:

"Ich bin weniger in den Partien ausgespielt worden, sondern durch die Vorbereitung meines Gegners. Mein Gegner traf einige mutige Entscheidungen und danach glaubte ich weder eine Eröffnung für Weiß noch für Schwarz zu haben. Ich warte jetzt darauf, dass Braingames mir sagt, wie ich noch einen Wettkampf gegen Vladimir spielen kann. Dieses hier war die wirkliche Weltmeisterschaft und Kramnik ist der 14. Weltmeister."

Kramnik sagte:

"Na ja, die Eröffnungsvorbereitung ist ziemlich relativ. In der Mitte des Wettkampfes glaubte ich auch, ohne Eröffnung zu sein." Auf die Frage, ob es zu einem Wiedervereinigungswettkampf mit der FIDE kommt: "Ich warte erst, was Braingames ausarbeitet."

 

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