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Dr. Emanuel Lasker(1868 - 1941) Schachweltmeister 1894 - 1921 |
"Lasker stand als Weltmeister auf einsamer Höhe, er hat
keine Schüler gehabt und keine Nachahmer gefunden."
(Ludwig Bachmann) "Warum habe ich derart sang- und
klanglos verloren? Deshalb, weil Lasker der größte Meister des
Schachspiels ist, dem ich jemals begegnete, wahrscheinlich sogar der größte
von allen, die je lebten." (Wilhelm Steinitz, 1896) "... wurde niemand der großen
Schachspieler von der überwiegenden Mehrheit der Schachfreunde und selbst
von Meistern so wenig verstanden wie Emanuel Lasker."
(José Raoul Capablanca) Emanuel
Lasker
wurde am 24. Dezember 1868 in in dem kleinen
deutschen Städtchen Berlinchen in Brandenburg (dem
heutigen Barlinek in Polen) geboren. Sein älterer Bruder Berthold
lehrte den elfjährigen Emanuel während eines Krankenhausaufenthalts das
Schach. Im
Winter 1888/89 errang Lasker seinen ersten Turniersieg. In der
Meisterschaft des Cafés "Kaiserhof" gewann er alle Partien!
Dieser Erfolg beflügelte den jungen Mann, und er half ihm auch materiell.
An den aufgehenden Stern glaubten seine Freunde und Bewunderer, die mit
jedem Monat mehr wurden. Unter ihnen war auch der Vater seiner künftigen
Ehefrau, Jacob Bamberger, der ihn monatlich mit zehn Mark unterstützte. 1889 beteiligt sich Lasker am Hauptturnier in Breslau. Lasker
darf sich als unbekannter Spieler mit am Hauptturnier, dem Turnier für
Meisteraspiranten, beteiligen. Im Halbfinale qualifiziert er sich dabei
ungeschlagen mit sieben Gewinn- und zwei Remispartien für das Finale.
Hier teilt er nach vier Siegen und zwei Verlustpartien mit Feyerfeil
aus Wien den 1. und 2. Platz. Der geteilte erste Platz genügte aber noch
nicht, um offiziell als Meister anerkannt zu werden. Im Stichkampf erringt
Lasker den Sieg und damit auch den Meistertitel gegen den später
unbekannt gebliebenen Feyerfeil. Kaum einen Monat später beteiligt er sich an einem kleineren
internationalen Meisterturnier in Amsterdam, das am 28. August beginnt. In
einer Reihe von Begegnungen hatten sich die Partner Laskers mit dessen
origineller Behandlung bekannter Eröffnungssysteme auseinander zu setzen.
Der junge Meister flößte den Steinitz'schen Prinzipien eine gehörige
Portion gesunden Menschenverstandes ein. Viele entmutigte dies. Im
Amsterdamer Turnier belegte Lasker hinter dem englischen Meister Amos
Burn den 2. Platz und spürte dabei zum ersten mal richtig seine Stärke.
Nach dem Turnier errang Lasker 1890 einen
beachtlichen, wenn auch keineswegs überragenden Erfolg gegen Curt von
Bardeleben, den er in einem Zweikampf mit 2½:1½ bezwingt. Um
indes für die weitere Teilnahme an renommierten Wettbewerben Erfahrungen
zu sammeln, um seine Möglichkeiten tiefer auszuloten, kritisch die Vor-
und Nachteile seines Spiels und seiner Wettkampfvorbereitung einzuschätzen,
beschließt Lasker, einige kleinere Wettkämpfe gegen starke Schachspieler
auszutragen, die auf internationalen Turnieren schon Erfolge verbuchen
konnten, sich gleichzeitig aber durch ihren Stil und ihr Herangehen an die
Schachkunst voneinander unterschieden. Im
Dezember desselben Jahres spielte er einen Wettkampf mit Jacques Mieses
und siegte ebenfalls. Einen Monat später reiste Lasker nach
Liverpool, um einen Wettkampf gegen Henry Bird zu spielen. Nach dem
Treffen mit Bird (8½:3½) gewann Lasker zwei Miniwettkämpfe gegen lokale
Schachspieler: gegen N. Miniati in Manchester und F. Lee in
London. Im gleichen Jahr 1890 war Lasker in einem Wettkampf gegen den
starken österreichischen Meister Berthold Englisch erfolgreich (3½:1½) Anfang 1890 beteiligt er sich in Graz an einem Turnier mit sieben
Teilnehmern. Der erste Misserfolg stellt sich ein. Mit drei Siegen, zwei
Unentschieden und einem Verlust muss sich Lasker hinter dem Ungarn Makovetz
und dem Österreicher Bauer mit dem dritten Platz begnügen. 1891
reiste Lasker nach London, um einen Schachpavillon auf einer deutschen
Ausstellung zu betreiben. Er blieb in London für die nächsten 2 Jahre.
1892 belegte er den 1. Platz in einem Londoner Turnier vor Henry
Blackburne. Dann besiegte er Blackburne mit 8:2 in einem Match. Später
schlägt er Bird in einem zweiten Wettkampf vernichtend mit 5:0. Einige
unbedeutendere Siege folgen. Schließlich bleibt er in einem
doppelrundigen Turnier zu London mit Bird, Blackburne, Gunsberg
und Mason ungeschlagen und wird mit fünf Siegen und drei
Unentschieden Erster. Die englischen Schachliebhaber waren von Laskers Erfolgen, mehr
aber noch von seinem einfallsreichen Spiel begeistert. Sie sahen in ihm
einen der besten Spieler der Welt, der auf dem ganzen europäischen
Kontinent eigentlich nur zwei ernsthafte Widersacher besaß, nämlich den
Deutschen Siegbert Tarrasch und den Russen Mikhail
Chigorin.
(Wilhelm Steinitz lebte zu jener Zeit in Amerika). Zuerst beabsichtigte Lasker, die Lage in seinem Heimatland zu klären.
Er fordert deshalb seinen Landsmann, Dr. Siegbert Tarrasch,
den scheinbar unbesiegbaren Matador großer internationaler Turniere, zu
einem Wettkampf heraus. Der mehrfache erste Preisträger, der die Erfolge
von Lasker als "Dutzenderfolge" abwertet, antwortet aber
nur hochmütig: "Der junge Mann soll erst durch größere Siege in
internationalen Turnieren den Nachweis erbringen, dass er das Recht hat,
mit einem Mann wie mir zu spielen." Kurz entschlossen schifft er sich nach Amerika ein.
Bei Ankunft in New York gerät Lasker erneut in den Strudel des
Schachlebens. Er erklärt sich sofort bereit, die Herausforderung jedes
beliebigen Meisters anzunehmen, verlangte dafür aber das zu jener Zeit
angemessene Honorar von 375 Dollar. Nur so war die unsichere Position
eines Berufsschachspielers aufrechtzuerhalten. Bald hatte Lasker mit den
stärksten Spielern des Manhattan-Schachklubs die Klingen gekreuzt, wobei
er 18 von 21 Partien gewann. Danach besiegte er den amerikanischen
Champion Jackson Showalter in einem Wettkampf mit 7:3. In
dieser Periode besuchte Lasker das von der Romantik ruhmvoller Schlachten
um die Weltmeisterschaft zwischen Steinitz und Chigorin umwobene Kuba.
Hier trat er zu Miniwettkämpfen gegen die stärksten Schachspieler des
Landes, Golmayo und Vasquez, an, die er mit 2½:½ bzw. 3:0
gewann. Im
Herbst 1893 erzielte Lasker auf dem New Yorker Internationalen Turnier ein
überwältigendes Resultat, als er alle 13 Partien siegreich gestaltete.
Unter den Teilnehmern befanden sich der bekannte österreichische Meister Adolf
Albin, der aus Warschau kommende Jan Taubenhaus, die Amerikaner
Jackson Showalter, Judgin Delmar sowie die neue Hoffnung der USA,
der 21-jährige Harry Nelson Pillsbury. Der gealterte Steinitz
war indessen nicht so hoffärtig wie Dr. Tarrasch. Er nahm die
Herausforderung an, sollte dabei auch seine Weltmeisterschaft verloren
gehen. So kam es, dass Tarrasch, der Steinitz fürchtete und Lasker
unterschätzte, sich zwischen zwei Stühle setzte. Das
Match mit Steinitz dauerte vom 15. März bis zum
26. Mai 1894. Es wurde in drei Städten, und zwar in Montreal, New York
und Philadelphia ausgetragen. Die ersten Partien zeigen noch einen
ausgeglichenen Kampf. Nach zwei Unentschieden erreichte der junge
Weltmeisterschaftsanwärter fünf Siege hintereinander, so dass am Ausgang
des Kampfes kein Zweifel mehr bestehen konnte. Schließlich eroberte
Lasker die Weltmeisterschaft mit dem Ergebnis 12:7. Lasker
wurde 25-jährig der zweite Weltmeister der Schachgeschichte und erhielt für
seinen Sieg ein Preisgeld von 2000 Dollar. Ende
1894 kehrte Lasker nach Europa zurück. Als erstes stattete er seinen
Verwandten einen Besuch ab. Doch schon früher eingegangene
Verpflichtungen zwangen ihn, seine Abreise nach England zu beschleunigen.
Hier hielt er eine Serie von Vorträgen. Sie widerspiegelten im Grunde
genommen das Credo des jungen Weltmeisters über die Hauptprobleme der
Schachkunst. Noch im Jahre 1895 wurden zwölf Lektionen in Form eines
kleinen Buches unter dem Titel "Gesunder Menschenverstand im
Schach" in London veröffentlicht. Schach ist ein Kampf zwischen zwei
Intellekten. So lautete das durchgehende Motiv dieses Buches, das fortan
auch zum Hauptpostulat der schachlich-philosophischen Gesamtkonzeption
Laskers wurde. Nach der Beendigung des Wettkampfes mit Steinitz um die
Weltmeisterschaft war der amtliche Weltmeister in der Person von Lasker
gegeben, aber Dr. Siegbert Tarrasch galt nach Meinung der überwiegenden
Mehrheit der Schachfreunde als bester Spieler der Welt. Wie konnte dieser
Widerspruch gelöst werden? Jedermann erwartete mit Spannung einen
Wettkampf, aber die Schachgeschichte nahm einen anderen Verlauf. Im Spätsommer 1895 versammelten sich die berühmtesten Meister
in Hastings, zum bis dahin stärksten Turnier der Schachgeschichte.
Weltmeister Lasker war dabei, auch Exweltmeister Steinitz und Tarrasch.
Keiner der Elite des Schachs fehlte. Das 22 Teilnehmer umfassende
Weltturnier begann am 5. August 1895 und dauerte bis 2. September. Das
Resultat des Turniers warf alle Erwartungen und bisherigen Wertungen über
den Haufen. Sieger wurde der talentierte, aber noch nie so erfolgreich
hervorgetretene 23-jährige Harry Nelson Pillsbury, der aus 21 Partien 16½
Punkte erzielte. Den zweiten Platz errang der russische
Weltmeisterschaftsanwärter Chigorin mit 16 Punkten. Erst danach folgten
die "Großen Drei". Unter ihnen wurde Lasker mit 15½ Punkten
Erster. Tarrasch hatte 1½, Steinitz 2½ Punkte weniger als er. Damit war
Tarrasch des Nimbus der Unbesiegbarkeit beraubt. Auch Laskers Ruf als
"primus inter pares" war gefährdet. Welchen Ausweg gab es aus
dieser verworrenen Lage? Der Schachklub von St. Petersburg bemühte sich als erster -
durch Chigorins
hervorragende Leistung angespornt - die Lage zu
klären. Er lud das Feld der fünf Ersten von Hastings noch im Dezember
des gleichen Jahres zu einem Matchturnier ein. Der in seinem
Selbstvertrauen erschütterte Tarrasch wich der Einladung aus, aber die
vier anderen erklären sich sofort bereit, und so spielte jeder mit jedem
einen kleinen Wettkampf über sechs Partien. Lasker wurde mit 11½ Punkten
aus 18 Partien erster Preisträger. Zweiter wurde Steinitz mit 9½,
dritter Pillsbury mit 8 und vierter Chigorin mit 7 Punkten. Mit seiner Leistung hatte Lasker bewiesen, dass er des
Weltmeistertitels würdig war. Trotzdem verdunkelte ein leichter Schatten
seinen Erfolg. Er hatte Steinitz zwar mit 4:2 und Chigorin sogar mit 5:1
bezwungen, aber gegen Pillsbury mit 2½:3½ den kürzeren gezogen. Der
endgültige Beweis seiner Überlegenheit sollte jedoch nicht lange auf
sich warten lassen. Ein halbes Jahr darauf wird nämlich in Nürnberg vom 20. Juli
bis zum 10. August 1896 ein großes Turnier veranstaltet, das seinem Vorgänger
von Hastings in nichts nachsteht. Unter den 19 Teilnehmern befinden sich
auch die "Großen Fünf". Lasker gewinnt das Turnier mit 13½
Punkten. Zweiter mit 12½ Punkten wird ein neuer Stern am Schachhimmel,
der an einem so bedeutenden Turnier zum ersten Mal teilnehmende Ungar Geza
Maroczy. Die weitere Reihenfolge lautete: 3.-4. Tarrasch und Pillsbury
(12½), 5. Janowski
(11½), 6. Steinitz (11). Mit 9½ Punkten teilte Chigorin hinter Schlechter
und Walbrodt zusammen mit Schiffers den 9.-10. Platz. Nach dem Triumph von Nürnberg unterliegt es nun keinen Zweifel
mehr dass der 28-jährige Lasker nicht nur Weltmeister, sondern auch der
stärkste Meister der Welt ist. Eine kleine Formalität steht allerdings
noch bevor. Er soll in einem Revanchekampf
gegen Steinitz seinen
Titel verteidigen. Bei dem erneuten
Zusammentreffen vom 7. November 1896 bis zum 14. Januar 1897 in Moskau
steht Lasker vor keiner schweren Aufgabe. Lasker zerschmettert seinen
Gegner völlig. Er verfügt bereits über sieben Gewinnpunkte, ehe es
Steinitz gelang, zwei Partien für sich zu entscheiden. Dann gewann erneut
Lasker die Oberhand und siegte schließlich 12½:4½. Damit hatte Lasker
seinen Titel erfolgreich verteidigt und seine Vorherrschaft gefestigt. Jetzt war endlich die Stunde gekommen, in der er darauf
verzichten konnte, von Turnier zu Turnier zu hetzen. Zweieinhalb Jahre
lang zieht er sich vom ernsthaften Spiel zurück. 1897
trat Lasker in die Heidelberger Universität ein, wechselte dann 1900 an
die Universität von Erlangen, wo er 1902 den Doktortitel in Mathematik
erhielt. Seine Dissertation war über Geometrie und Algebra. Er war
gut mit Albert Einstein befreundet. Vier Jahre nach dem Weltturnier von Hastings, im Sommer 1899,
wurde in England wiederum ein großes Schachereignis vorbereitet. Diesmal
versammelten sich fünfzehn der besten Spieler der Welt - nur Tarrasch und
Charousek fehlten - in London, um ein doppelrundiges Turnier auszutragen.
Ungeachtet der starken Gegnerschaft konnte Lasker einen vollständigen
Triumph feiern. Er trug mit 4½ Punkten Abstand den ersten Preis davon.
Der Schlussstand lautete: 1. Lasker (23½), 2.-4. Janowski, Maroczy und
Pillsbury (19), 5. Schlechter (18), 6. Blackburne (16½), 7. Chigorin (16), 8.
Showalter (13½), 9. Mason (13), 10.-11. Cohn und Steinitz (12½), 12. Lee (10½),
13. Bird (8), 14. Tinsley (7), 15. Teichmann (2). Im folgenden Jahr wird vom 17. Mai bis zum 21. Juni 1900 in Paris
ein erstklassig besetztes Turnier veranstaltet. Jeder ist vertreten, der
Rang und Namen hat. Auch ein vielversprechender Neuling, der Amerikaner Frank
Marshall,
tritt auf den Plan. Er führt sich ausgezeichnet ein und schlägt selbst
den Weltmeister. Es ist die einzige Niederlage von Lasker, der sonst nur
einen halben Punkt in der letzten Runde gegen Chigorin abgibt. Der
Endstand lautete: 1. Lasker (14½), 2. Pillsbury (12½), 3.-4. Maroczy und
Marshall (12½), 5. Burn (11), 6. Chigorin (10½), 7.-9. Marco,
Mieses und Schlechter (10), 10.-11. Janowski und Showalter (9), 12. Mason
(4½), 13. Brody (4), 14. Rosen (3), 15. Mortimer
(2), 16.-17. Didier und Sterling (1). Laskers triumphales Abschneiden in London und Paris sprengte die
gewohnten Vorstellungen, erzielte er doch im ersten Turnier 82,7 Prozent,
im zweiten sogar 90,6 Prozent der möglichen Punkte. Seine
Alleinherrschaft ruhte also auf soliden Fundamenten. Er konnte es sich
daher leisten, sich vom Schach zurückzuziehen, um seine mathematischen
Studien fortzusetzen. Zwei Jahre später (1902) promovierte er an der Erlangener
Universität zum Doktor der Mathematik und der Philosophie. Danach
schiffte er sich nach Amerika ein. Hier gab er seine berühmt gewordene
Schachzeitschrift "Lasker's Chess Magazine" heraus. Sie zählt
zu den lehrreichsten und originellsten Schachpublikationen, die je
erschienen sind, aber ihre Herausgabe stieß immer wieder auf finanzielle
Schwierigkeiten. Nach wenigen Jahren war er gezwungen, das Erscheinen der
Zeitschrift einzustellen. Inzwischen wurden in Europa mehrere bedeutende
Turniere veranstaltet - ohne Lasker. Dieser widmete sich in der Neuen Welt
- neben seiner Zeitschrift - vor allem mathematischen Untersuchungen. Vom 25. April bis zum 19. Mai 1904 traf sich die Weltelite in
Cambridge Springs. Das Turnier erfüllte alle Hoffnungen des damals 27-jährigen
Frank Marshall. Mit 13 Punkten aus 15 Partien wurde Marshall ungeschlagen
Erster. Janowski und Lasker teilten sich mit 11 Punkten den 2. Platz. Als Marshall das Turnier in Cambridge Springs gewann, endete
seine Partie mit Lasker remis. Zuvor waren beide erst einmal aufeinander
gestoßen, nämlich im Pariser Turnier 1900. Damals war Lasker Erster,
erlitt aber gerade gegen Marshall seine einzige Niederlage. Deshalb gibt
es nicht wenige, die schon im Jahre 1904 für einen Wettkampf um die
Weltmeisterschaft zwischen den beiden Großmeistern plädierten. Laskers materielle Ansprüche stehen jedoch einer schnellen
Verwirklichung dieses Vorhabens im Wege. Bald wurde der Plan völlig
fallengelassen, da Marshall seinen großen Triumph nicht zu wiederholen
vermochte und Ende 1905 in einem Wettkampf gegen Tarrasch sogar eine
vernichtende Niederlage in Höhe von 5:12 einstecken musste. In Ostende
teilte er auch nur den 8.-9. Platz und kam ein Jahr darauf nicht über den
7. Rang hinaus. Selbst sein dritter Platz in Barmen - zwischen den beiden
Turnieren zu Ostende - kann für einen Weltmeisterschaftsanwärter nicht völlig
befriedigen. Erst die zweite Hälfte des Jahres 1906 brachte die große
Wende. Marshall gewann ungeschlagen und mit großer Überlegenheit ein
internationales Turnier in Nürnberg, wobei er Tarrasch, der sich mit
einem enttäuschenden 9.-11.Platz begnügen musste, weit überflügelte.
Plötzlich war der Wettkampf mit Lasker wieder in aller Munde. Schon Ende Januar 1907 begann das Match in New York. Da
bereits mehr als zehn Jahre seit dem letzten Zweikampf um die
Weltmeisterschaft vergangen waren, erweckte es verständlicherweise großes
Interesse. Hinzu kam, dass Lasker nicht nur Marshall zu bekämpfen hatte,
sondern indirekt auch Tarrasch. Nur wenige zweifelten an Laskers Sieg,
desto mehr erregte es aber die Gemüter, ob es ihm gelingen würde, den
großen Erfolg, den Tarrasch zwei Jahre zuvor gegen Marshall erzielt
hatte, zu überbieten. Der Wettkampf war auf acht Gewinnpartien
vereinbart, also ebenso wie das Match Tarrasch - Marshall. Tarrasch hatte
seinerzeit 17 Partien benötigt, um die geforderten acht Siege zu erringen
und dabei nur eine Partie verloren. Lasker gewann den Wettkampf bereits
mit der 15. Partie ohne auch nur eine Niederlage hingenommen zu haben. Nach Laskers Triumph stand der Vergleich mit Tarrasch wieder auf
der Tagesordnung. Dieser hatte zwar den Höhepunkt seiner Laufbahn bereits
überschritten, genoss aber als Lehrmeister einer ganzen Generation von
Schachspielern hohes Ansehen und war auch als Wettkampfspieler sehr geschätzt. Jedenfalls erblickte die öffentliche Meinung nur in ihm und in
Geza Maroczy würdige Gegner für den Weltmeister. Lasker stellte für die
damalige Zeit ungeheure materielle Forderungen. Dem Deutschen Schachbund
gelang es schließlich die geforderten 17500 Reichsmark zu beschaffen, so
dass dem Wettkampf nichts mehr im Wege stand. Das Match begann am 17.
August 1908 in Düsseldorf und wurde am 1. September mit der fünften
Partie in München fortgesetzt und dort am 30. September auch beendet. Das
war das erste Mal, dass bei einem Weltmeisterschaftskampf Sekundanten
dabei waren. Für gewisse Zeit glaubte Lasker, Tarrasch habe hypnotische
Kräfte und wollte mit ihm in einem separaten Raum spielen. Lasker
verteidigte seinen Titel nach 16 Partien mit 10½:5½. Die Weltmeisterwürde
war also in Ehren verteidigt worden. Lasker erhielt ein Preisgeld von 4000
Reichsmark. 1909
siegte Lasker gemeinsam mit Akiba Rubinstein in St. Petersburg.
Lasker gewann 13 Partien, spielte dreimal remis und verlor zweimal. Nach dem Petersburger Turnier verbrachte Lasker eine kurze Zeit
in Paris. Aus diesem Anlass wollte der Maler Pierre Nardus, "der
Weltmeister der Schachmäzene", einen Wettkampf zwischen seinem Schützling,
dem Großmeister Janowski, und dem Weltmeister zustande bringen. Er bot
ein märchenhaftes Honorar an. Lasker ließ sich wegen Zeitmangels jedoch
vorläufig nur auf fünf Partien ein. Dieser kleine Vergleichskampf fand
im Mai 1909 statt und endete mit einer gewaltigen Überraschung.
Lasker schaffte nur ein Unentschieden (2½:2½).
Janowskis Erfolg versetzte seinen Mäzen derart in Begeisterung, dass er
noch im Oktober des gleichen Jahres einen Wettkampf
um die Weltmeisterschaft, diesmal über zehn Partien finanzierte. Doch
Lasker der sich auf seinen Gegner eingestellt hatte, siegte eindeutig 8:2. Ein Jahr später geriet Laskers Weltmeistertitel in Gefahr. Er
spielte gegen den Österreicher Carl
Schlechter. Der Wettkampf
ging vom 7. Januar bis 10. Februar 1910. Lasker gewann die zehnte
und letzte Partie und hielt dadurch das Match unentschieden mit 5:5. Wenn
Schlechter diese Partie über 71 Züge remis gehalten hätte, wäre er der
neue Weltmeister gewesen. Es war ursprünglich als Match über 30 Partien
geplant, aber mangels Sponsoren auf zehn Partien verkürzt worden. Die
Bedingungen des Matches wurden nie veröffentlicht und es ist unklar, ob
es sich um einen Weltmeisterschaftskampf gehandelt hat. Aber nach dem
Wettkampf wurde es allgemein als Weltmeisterschaftskampf angesehen und
Lasker zum Sieger erklärt. Lasker erhielt 1000 Mark für jede Partie.
Schlechter verhungerte später nach dem 1. Weltkrieg. Er blieb also Weltmeister, aber sein Nimbus hatte an Glanz eingebüßt.
Es war das erste Mal seit anderthalb Jahrzehnten, dass Lasker in Gefahr
war, entthront zu werden. Da Janowski im letzten Wettkampf gegen Lasker im Jahre 1909 in
vielen Partien auf "Gewinn" gestanden hatte, gab Nardus keine
Ruhe und organisierte zusammen mit der Berliner Schachgesellschaft im
Herbst 1910 ein weiteres Match
um die Weltmeisterschaft. Sieger sollte sein,
wer zuerst acht Partien gewonnen hatte. Lasker ließ seinem Gegner keine
Chance. Ohne auch nur eine Partie zu verlieren, verteidigte er seinen
Titel unangefochten mit dem Ergebnis 9½:1½. Für seinen Sieg erhielt
Lasker 7000 Francs. Lasker spielte 4 Titelkämpfe innerhalb von vier Jahren. Nach 11
Jahren ohne WM-Match, verteidigte Lasker seinen Titel drei mal innerhalb
von 13 Monaten. Es dauerte anschließend wieder 11 Jahre bevor es zum nächsten
WM-Match kam. 1911
heiratete Lasker Martha Kohn [Mädchenname: Martha Bamberger], die Witwe
von Emil Kohn, dem Inhaber eine Pianoforte Fabrik. Lasker traf die Kohns
irgendwann 1902/1903 und war seit dieser Zeit eng mit ihnen befreundet.
Emil Kohn war während der letzten Jahre seines Lebens sehr krank und ans
Bett gefesselt, aber es gibt folgende nette Anekdote: Das Match Laskers
gegen Tarrasch im Jahre 1908 war in einer kritischen Phase. Nach einem
sehr guten Start war Lasker in den Partien 8, 9 und 10 nur mit Mühe in
der Lage gewesen, wenigstens 2 Partien remis zu halten. Lasker bat Martha
nach München zu kommen, um ihn zu unterstützen, aber Martha wollte ihren
kranken Mann nicht allein lassen. Da sagte Emil zu seiner Frau: "Wir
können nicht unseren Freund im Stich lassen, wenn er uns braucht. Du
nimmst am besten den nächsten Zug nach München!" Also fuhr Martha
hin und schaute der nächsten Partie zu, um Lasker zu ermutigen. Und tatsächlich
gewann er wieder in überzeugendem Stil. Emil Kohn starb an seiner
Krankheit 1910 und ein Jahr später heirateten Martha und Emanuel Lasker.
Er war 42 und sie war 43 Jahre alt. Drei Jahre hindurch beteiligte sich Lasker an keinem Turnier. In
dieser Zeit arbeitete er an einem philosophischen Werk, über dessen
Zielstellung er anlässlich des Petersburger Meisterturniers von 1914
einen mit regen Interesse aufgenommenen Vortrag hielt.
Im 50. Lebensjahr des Weltmeisters erschien es
dann 1918 als Buch unter dem Titel "Die Philosophie des
Unvollendbaren". Lasker errang seinen überzeugendsten Turniersieg 1899 in London,
sein wertvollster Erfolg war jedoch der im St. Petersburger Turnier 1914
erkämpfte erste Platz. Das Turnier fand vom 21. April bis zum 22. Mai
1914 statt. Lasker
erhielt 4000 Rubel Handgeld, damit er überhaupt am Turnier teilnahm. Dies
war das erste Mal, dass ein Schachspieler Startgeld bekam. Der
Endstand lautete: 1. Lasker (13½), 2. Capablanca
(13), 3. Aljechin (10), 4.Tarrasch
(8½), 5. Marshall (8). Zar Nikolaus II. verlieh den Titel "Großmeister
des Schachs" an Lasker, Capablanca, Aljechin, Tarrasch und Marshall. Lasker
plante, mit Akiba Rubinstein ein Match um die Weltmeisterschaft zu
spielen, als der 1.Weltkrieg ausbrach. Capablanca forderte ebenfalls
Lasker heraus und wollte gegen den Sieger aus dem Match Lasker -
Rubinstein spielen. Aber der 1.Weltkrieg verhinderte all diese Pläne. Während
des Krieges hatte Lasker seine gesamten Ersparnisse in Kriegsanleihen
investiert und verlor so sein ganzes Geld. Er versuchte Tauben zu züchten,
aber die Tauben, die er gekauft hatte, waren alle Männchen. Nach dem
Krieg gewann er 1918 ein starkes Turnier in Berlin. 1921 forderte der 33-jährige Kubaner José
Raoul Capablanca den Weltmeister zu einem
Wettkampf um die Weltmeisterschaft heraus. Lasker, der sich zu dieser Zeit
in einer seelischen Krise befand, nahm die Herausforderung aber nicht an.
Er war sogar geneigt, seinem Titel zu entsagen und ihn kampflos auf den
zwanzig Jahre jüngeren Rivalen zu übertragen. Capablanca und seine Anhänger waren jedoch mit einer solchen
unbefriedigenden Lösung nicht einverstanden. Sie brachten einen
Preisfonds von 20000 Dollar für den Kampf um die Weltmeisterschaft auf.
Von diesem für schachliche Verhältnisse ungeheuren Betrag wurde Lasker
auch für den Fall einer Niederlage ein Honorar von 11000 Dollar
zugesichert. Der sich in materiellen Schwierigkeiten befindende Weltmeister
konnte der Versuchung nicht widerstehen. Im März 1921 begann der Wettkampf
in Havanna. Aber der drückenden Hitze, die um
diese Jahreszeit herrschte, war der 53-jährige Lasker nicht gewachsen.
Bei einem Zwischenstand von 9:5 zu Capablancas Gunsten, bat Lasker darum,
den Kampf in einer Gegend mit gemäßigterem Klima, etwa in New York oder
Philadelphia, fortzusetzen. Capablanca lehnte diesen Vorschlag ab, worauf
Lasker - sich auf seinen erschütterten Gesundheitszustand berufend - den
ursprünglich auf vierundzwanzig Partien festgesetzten Wettkampf aufgab
und sich für besiegt erklärte. Lasker war somit 27 Jahre und 337 Tage Weltmeister gewesen. Er
kehrte unverzüglich nach Europa zurück und begab sich in ärztliche
Pflege. Bevor seine Gesundheit völlig wiederhergestellt war, vergingen
jedoch Monate. Als Exweltmeister nahm Lasker 1923 zum ersten Mal wieder an einem
Turnier teil, das in Mährisch-Ostrau veranstaltet wurde. Lasker gewann
das Turnier mit 10½ Punkten vor Réti (9½) und Grünfeld
(8½). Nach dem erfolgreichen Wiederauftreten Laskers sah die Schachwelt
dem vom 15. März bis zum 19. April 1924 in New York veranstalteten
doppelrundigen Turnier mit gesteigertem Interesse entgegen, traf doch der
Exweltmeister zum ersten Mal nach dem verlorenen Wettkampf wieder auf
Capablanca. Der
Endstand lautete: 1. Lasker (16), 2. Capablanca (14½), 3. Aljechin (12),
4. Marshall (11), 5. Réti (10½), 6. Maroczy (10) usw... Dies war Laskers letzter Turniersieg. Von 1895 bis 1924 nahm
Lasker an zehn großen Turnieren teil. Achtmal wurde er Erster, einmal
belegte er den zweiten Platz und einmal wurde er Dritter. Er gewann 119
Partien, spielte 46 Remis und verlor 18 in 30 Jahren Turnierschach. Gegen Ende des Jahres 1925 wurde ein Turnier in Moskau
veranstaltet. Bogoljubov
wurde Erster mit 15½ Punkten. Lasker erreichte mit 14 Punkten den zweiten
Platz, platzierte sich aber erneut vor Capablanca der mit 13½ Punkten nur
den dritten Platz erreichte. Emanuel
Lasker kehrte 1927 nach Berlin zurück befasste sich mit Bridge und Go. Er
wurde ein international renommierter Spieler und Meister im Bridge. Er war
Kapitän der deutschen Mannschaft bei der Bridge Olympiade. 1933 wurden
Lasker und seine Frau gezwungen, Deutschland zu verlassen, ihr Vermögen
wurde konfisziert, da sie Juden waren. Plötzlich
ist er heimatlos und arm. In diesem für ihn so schicksalhaften
Lebensabschnitt wendet er sich wieder dem Schach zu, dem er beinahe ein
Jahrzehnt entsagt hatte. Lasker ging 1933 nach England, 1935 in die
UdSSR und 1937 schließlich nach New York in die USA. Die Züricher Schachgesellschaft veranstaltete vom 14. bis 28.
Juli 1934 ein großes Turnier. Unter den 16 Teilnehmern befinden sich
Aljechin, der seit 1927 Weltmeister ist, der Weltmeisteranwärter Euwe, aber auch der 65-jährige
Exweltmeister Lasker. Die neunjährige Pause war an Lasker nicht spurlos
vorübergegangen, und auch sein hohes Alter beeinträchtigte sein Spiel.
Er erlitt vier Niederlagen, belegte aber mit neun Siegen und nur zwei
Remispartien immerhin noch den fünften Platz. In Moskau wurde vom 15. Februar bis zum 14. März ein weiteres
erstklassiges Turnier veranstaltet, und Lasker erkämpfte ungeschlagen den
dritten Platz. Sein Erfolg war auch deshalb so wertvoll, weil er seinen
alten Rivalen Capablanca erneut hinter sich ließ und ihn obendrein zu
besiegen vermochte. Das Moskauer Turnier endete mit einem geteilten Sieg
von Mikhail
Botwinnik
und Flohr, beide erzielten je 13 Punkte. Lasker belegte mit 12½
Punkten den 3. und Capablanca mit 12 Punkten den 4. Platz. Vom 14. Mai bis zum 8. Juni 1936 wird in Moskau ein
doppelrundiges internationales Turnier mit zehn Teilnehmern ausgetragen.
Mit acht Punkten aus achtzehn Partien muss sich Lasker mit dem 6. Rang
begnügen. Dann folgt Laskers letztes Turnier. Es findet vom 10. bis 28.
August 1936 in Nottingham statt. Zu den fünfzehn Teilnehmern gehören
Weltmeister Euwe und die drei Exweltmeister Lasker, Capablanca und
Aljechin. Lasker nimmt einen ehrenvollen 7.-8. Rang ein, nur anderthalb
Punkte von den beiden Ersten getrennt. Laskers Pläne, an weiteren
Turnieren teilzunehmen, zerschlugen sich. So blieb es dabei, dass seine
ruhmvolle Laufbahn in Nottingham ihren Abschluss fand. Nach seinem Abschied vom Turnierschach hält Lasker nichts mehr
in Europa zurück. Als sich die Lage in Europa weiter zuspitzt, begibt er
sich mit seiner Frau nach Amerika. Noch immer gibt der 70-jährige
Simultanvorstellungen, er hält Vorträge, spielt Schach- und Blindpartien
- seine Lebensumstände zwingen ihn dazu. Im Winter 1939/40 leitet Lasker eine Schachhochschule in New
York. Während einer Vorlesung erleidet er plötzlich einen Schwächeanfall.
Seine Gesundheit ist zerrüttet. Seinen 72. Geburtstag feiert er am 24.
Dezember 1940 im Kreis seiner Freunde. Aber das Ende ist schon nah. Am
11. Januar 1941 starb Emanuel Lasker im Mount Sinai Hospital in Manhattan.
Ungefähr zur selben Zeit starb seine Schwester in einer Gaskammer des
Dritten Reiches. Lasker hatte seinen Titel in 26 Jahren siebenmal
verteidigt. Seine geschätzte Elozahl beträgt 2720. Er gewann 52,
remisierte 44 und verlor 16 Partien in den Weltmeisterschaftskämpfen und
erzielte so 74 Punkte aus 112 Partien. Sein Prozentsatz an Gewinnpartien
ist mit 66 Prozent der höchste aller Weltmeister. Der letzten Tage gedenkt Frau Martha Lasker mit den Worten:
(Originaltext) |
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