"Steinitz
erschloss den
ganzen geistigen Reichtum des Schachs. Er hat den Charakter dieses alten
Spiels grundlegend verändert." (Anatoly Karpov)
Wilhelm Steinitz wurde am 17.05.1836 als 13. Kind einer armen
Handwerkerfamilie in Prag geboren. Er trug als erster den offiziellen Titel Weltmeister
(1886 - 1894) und war vielleicht der tiefste Denker, den das Spiel je
gesehen hat. Seine Entwicklung als Spieler war langsamer als die Paul
Morphy's, der nur ein Jahr jünger war, langsam genug, um ihre
Schachkarrieren nicht überlappen zu lassen. Sie spielten nie
gegeneinander.
Morphy
hatte gezeigt, wie in
offenen Stellungen vorzugehen sei, aber Steinitz erhellte das schwierigere
Gebiet geschlossener Positionen. Er entdeckte die Gesetze des
Positionsspiels, die Lehre von den starken und schwachen Feldern, die
Kunst des Verteidigens und Lavierens. Ohne seine Erkenntnisse auf diesem
Gebiet, wäre das moderne Schach nicht denkbar.
Obwohl nicht ganz so großartig im Gespür
für komplexe Kombinationen wie seine Rivalen J. H. Zukertort und dem russischen
Vorkämpfer Mikhail Chigorin, änderte sein tiefes
Verständnis für das Positionsspiel und für die Anhäufung von kleinen, aber
dauerhaften Vorteilen die Auffassung einer ganzen Generation von
Schachmeistern und ließ die Talentiertesten unter seinen Gegnern in
hilflose Verblüffung geraten.
Als er 1858 zwecks
polytechnischer
Studien nach Wien kam, übte er sich in seinem geliebten Schachspiel mit
eigenhändig auf Papier gezeichneten und ausgeschnittenen Figuren und einem
ebensolchen Schachbrett. Einige Quellen bezweifeln,
dass Steinitz
tatsächlich an einer Hochschule studiert hat. Sie meinen, er sei so arm
gewesen, dass sein Geld dafür nicht reichte. Wenn Steinitz auch wirklich
ein Studium aufnahm, so hat er es jedoch auf keinen Fall
beendet. In den Wiener Kaffeehäusern war es
damals üblich, um einen Einsatz zu spielen. Da Steinitz seine Partner bald
übertraf, bezog er auf diese Weise ein bescheidenes, aber ständiges
Einkommen.
Der Ausgangspunkt seiner Laufbahn als Schachspieler war
für Steinitz Wien im Ausklang des Jahres 1858, gerade als Paul Morphy
seine triumphale Reise nach Europa beendet hatte. Bis zum Jahre 1861
galt Wilhelm Steinitz als stärkster Spieler Österreichs. Seine
internationale Karriere begann mit dem starken Turnier von London im
Jahre 1862.
Das
Londoner Turnier gewann Adolf Anderssen.
Dieser galt nach der Abreise von Paul Morphy und dem Rückzug von
Staunton aus dem aktiven Schachgeschehen als stärkster Spieler der
Welt. Steinitz wurde Sechster, hinter Anderssen, Louis Paulsen,
John Owen, George MacDonnell und Serafino Dubois. Als Preisgeld
bekam er 5 Pfund! Wir können zu Recht davon ausgehen, dass
Steinitz zu jener Zeit wesentlich schwächer spielte als Morphy.
Steinitz galt zu dieser Zeit als außerordentlich starker und
schöpferischer Kombinationsspieler. In London spielte er gegen
Mongredien eine seiner besten Kombinationspartien. Und so bekam er
den Spitznamen "Der österreichische Morphy". Niemand hatte die
Wandlung seines Stils vorhergesehen, die sich in den nächsten Jahren
vollziehen sollte. Seine neue Erkenntnis
war, dass man nicht durch den Willen allein siegen kann, selbst wenn
man noch so kreative Angriffe ersinnt. Wenn keine Schwäche beim
Gegner vorhanden ist, wird das nicht zum Erfolg führen! Stattdessen
ist Angriff der logische Abschluss der Anhäufung kleiner Vorteile,
die man sich in den Zügen zuvor verschafft hat. Diese Vorteile
schlossen bessere Entwicklung, mehr Raum, die bessere
Bauernstruktur, das Läuferpaar usw. ein.
Steinitz fand in England eine
freundliche Aufnahme. Da sich das englische Schachleben mehr in Klubs als
in Kaffeehäusern abspielte, schien es Steinitz zweckmäßig von der
österreichischen Hauptstadt nach London überzusiedeln, um dort seinen
Plan, Berufsschachspieler zu werden, zu verwirklichen. In den folgenden Jahren verbesserte sich das Spiel von
Steinitz stetig. Er gewann mehrere Zweikämpfe, unter anderem gegen
Dubois und Blackburne. Schließlich spielte er ein Match
gegen Anderssen im Juli 1866 und siegte mit 8:6. Von nun an wurde er als
stärkster Spieler der Welt betrachtet, obwohl die nächsten Jahre
unglücklich für ihn verliefen. Weder im Turnier von Paris noch im
Turnier von Baden-Baden im Jahre 1867, in dem er Anderssen
den Vortritt lassen musste, vermochte er erste Preise zu gewinnen.
Steinitz Freude, den stärksten
Schachspieler der Welt bezwungen zu haben, währte nicht lange. Er ruhte
sich auf seinen Lorbeeren nicht aus, und schon nach einem Monat trug er ein
neues Match aus, diesmal gegen den Engländer Henry Bird. Bird war sechs
Jahre älter als Steinitz. Er war ein Schachspieler voller Einfälle,
gehörte allerdings nicht zu den größten Meistern. Er wechselte mehrere
Partien mit Paul Morphy, konnte jedoch keinen
Gewinn gegen ihn erringen - nicht einmal im Simultanspiel. Man hätte
erwarten können, dass Steinitz seinen Gegner klar besiegen würde. Derselben
Meinung dürfte auch Steinitz selbst gewesen sein, indes erlitt er beinahe
ein Fiasko. Er vermochte nur mühsam mit 9½:7½ zu siegen.
Trotzdem
stellt Steinitz's Entwicklung den Beginn der
Schachsystematik dar. Vor Steinitz bestand die Schachtheorie im
Wesentlichen aus einer Sammlung von Tricks und Eröffnungsfallen. Mit
Steinitz und seinen Anhängern begann die Theorie nicht nur die
Eröffnung zu untersuchen, sondern auch das Mittelspiel und das
Endspiel. Und, was am wichtigsten war: Man begann die logische
Verbindung zwischen diesen verschiedenen Stadien der Partie zu
verstehen. Obwohl sich herausgestellt hat, dass die Theorien von
Steinitz nur als Richtlinien zu sehen sind, denen man nicht immer
blind folgen darf, so sind sie doch bis heute das Rückgrat moderner
Schachstrategie geblieben.
Dieser neuartige, und für seine Zeitgenossen völlig
fremde Stil, brachte Steinitz nie gekannte Erfolge. Erste Plätze in
den Turnieren von London 1872 und Wien 1873. Überwältigende Siege in
den Zweikämpfen gegen Zukertort 1872 (9:3) und Blackburne 1876 (7:0). Zu diesem Zeitpunkt
befand sich Steinitz auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Seine
Überlegenheit über die restlichen Spieler in der Welt war über jeden
Zweifel erhaben. Dennoch ließ er in den folgenden sechs Jahren die
Steine vollkommen in Ruhe.
1882 nahm Steinitz am Wiener Turnier
teil. Die komplette Garde der Rivalen startete, und es stand ein großer
Kampf in Aussicht. Am Ende des Kampfes teilte er gemeinsam mit Winawer den
1. bis 2. Platz. Der damals 31jährige Chigorin belegte mit 14 Punkten den 13.
Platz.
Dieser glorreiche Sieg hatte für
Steinitz sehr bedeutsame Folgen. Steinitz erhielt bald eine Einladung nach
Amerika, und wie Paul
Morphy 25 Jahre zuvor Europa
erobert hatte, so eroberte jetzt Steinitz die neue Welt. Er eilte von
Erfolg zu Erfolg. Gewaltig aufgebauschte Wettkämpfe, Simultanpartien,
Blindspiele und Beratungspartien lösten einander ab.
Von April bis Juni 1883 beteiligte sich
Steinitz am Turnier zu London, das die berühmtesten damaligen
Schachmeister vereinte. Der 14 Doppelrunden währende Kampf brachte jedoch
eine bittere Enttäuschung. Zwar brauchte er mit seinen 73 Prozent in dem
äußerst starken Feld an sich nicht unzufrieden zu sein. Indes trumpfte
Zukertort, der zu der Zeit den Gipfel seiner Laufbahn
erreicht hatte, mit einer noch wesentlich besseren Leistung (85 Prozent)
auf. Der Endstand lautete: 1. Zukertort 22 Pkt. 2. Steinitz 19 Pkt., 3.
Blackburne 17½ Pkt., 4. Chigorin 16 Pkt. ... Nach dem Londoner Turnier war es an der Zeit,
mittels eines Matches zu klären, ob Steinitz oder Zukertort der beste
Schachspieler der Welt ist. Die meisten Leute hielten Zukertort für
stärker.
Im August 1883 wanderte Steinitz in die
Vereinigten Staaten aus, erlangte die amerikanische Staatsbürgerschaft
und änderte seinen Vornamen in "William". Er zog nach Philadelphia und wurde Mitglied des Franklin Chess Club.
Später zog er nach New York um.
1886 forderte
Steinitz Zukertort zu einem Wettkampf heraus. Was diesen Zweikampf besonders interessant macht ist
die Tatsache, dass beide Spieler entschieden, der Gewinner werde der
offizielle "Weltmeister" sein. Dieser Titel war bis dahin im Schach
unbekannt. Der große
Kampf Steinitz
gegen Zukertort begann am 11.
Januar 1886 zu New York im gleichen Saal, in dem Morphy einst gespielt
hatte. Etwa vierzig Besucher kamen zur Eröffnung dieses Historischen
Ereignisses. Bei diesem Match wurde erstmals ein Demobrett
verwendet. Das Match verlief sehr aufregend und Zukertort
führte nach der ersten Partienserie, die in New York abgehalten
worden war, klar. Aber während der nächsten Wettkampfphase, die in
St. Louis stattfand, konterte Steinitz. Und schließlich, während der
letzten Phase des Wettkampfs in New Orleans triumphierte er
endgültig. Den zum Weltmeistertitel erforderlichen 10. Sieg errang
Steinitz in der 20. Partie. Steinitz triumphierte mit 12½:7½ und war
nun auch offiziell Schachweltmeister. Steinitz erhielt als Preisgeld 2000
Dollar. Als sich Steinitz mit dem Weltmeistertitel schmückte, hatte er den
Höhepunkt seiner Laufbahn bereits überschritten.
In den Jahren darauf tauchten in den
europäischen Turnieren in rascher Folge immer neue Talente auf, die alle
Anwärter für die Weltmeisterschaft waren. Steinitz maß sich mit ihnen nur
anhand von Analysen, an Turnieren nahm er nicht teil. Immer
nachdrücklicher wurde daher gefordert, dass er gegen den Besten der neuen
Generation einen Wettkampf bestreiten sollte. Die Vorgeschichte des ersten
- im Jahre 1889 ausgefochtenen - Matches geht bis 1887 zurück. Steinitz
besuchte 1887 Havanna. Außer Simultanvorstellungen spielte er einige
Matche mit den Lokalmatadoren und schlug sämtliche Gegner vernichtend. Da
erbot sich die Leitung des dortigen sehr reichen Schachvereins, einen
Zweikampf zwischen dem Weltmeister und einem würdigen Gegner zu
organisieren. Mit der Auswahl des Partners wurde Steinitz selbst
betraut.
Er erkor sich den Russen Mikhail
Chigorin zum Gegner aus. Der
Zweikampf dauerte vom 20. Januar bis zum 24. Februar 1889
und wurde in Havanna, Kuba ausgetragen. Steinitz sicherte sich den
Matchsieg mit 10½:6½. Steinitz erhielt als Preisgeld 1150 Dollar,
das geringste Preisgeld, das je für eine Schach-WM gezahlt
wurde.
Im März 1889 schrieb Steinitz das Buch
"The Modern Chess Instructor", das Anfang des Jahres 1890
veröffentlicht wurde. Er organisierte auch den 6. Amerikanischen Schachkongress in New York. Den Rest des Jahres verbrachte er damit ein Buch über
dieses Turnier zu schreiben. Das Buch wurde 1891 herausgeben.
Nach einem Jahr verteidigte Steinitz
abermals in einem Zweikampf seinen Weltmeistertitel. Diesmal war
Isidor
Gunsberg der Widersacher. Zuvor
lehnte Steinitz die Herausforderungen von Bird und Mason ab, da sie keine
besonderen Erfolge aufweisen konnten, die ihren Anspruch gerechtfertigt
hätten, zumal sie ihm in Turnieren stets unterlegen waren. Das
Match
zwischen Steinitz und Gunsberg
begann am 9. Dezember 1890 in New York und dauerte bis zum 22. Januar
1891. Steinitz siegte schließlich mit 10½:8½. Steinitz erhielt 2/3 vom
gesamten Preisgeld (3000 Dollar), Gunsberg bekam 1/3 zugesprochen - das
erste Mal, dass der Verlierer auch ein Preisgeld erhielt.
Im Jahr 1891 kam es zu einer
Meinungsverschiedenheit zwischen Steinitz und Chigorin. Im
Zweispringerspiel im Nachzuge steht nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6
4.Sg5 d5 5.exd5 Sa5 6.Lb5+ c6 7.dxc6 bxc6 8.Le2 h6 9.Sh3 laut Chigorin
nicht Weiß, sondern Schwarz besser; die Variante des Evans-Gambit 1.e4
e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3 La5 6.0-0 Df6 7.d4 Sh6 schätzte
Chigorin - im Gegensatz zu Steinitz - als günstig für Weiß ein.
Um diese Meinungsverschiedenheiten zu
klären, wurde ein Kabelmatch mit den zwei Varianten vereinbart. Der
Einsatz betrug 750 Dollar. Beide Partien haben die Richtigkeit von
Chigorins Standpunkt bekräftigt: Der russische Meister siegte 2:0.
Steinitz wurde während des Kabelmatches von der New Yorker Polizei
verhaftet und als Spion verdächtigt. Kurze Zeit später wurde er aber
wieder auf freien Fuß gesetzt, es stellte sich heraus das die Codes nichts
anderes als Schachnotationen waren.
1892 verteidigte Steinitz erneut seinen
Titel gegen Chigorin in Havanna, Kuba. Das Match dauerte vom 1. Januar bis 28.
Februar 1892. Der Kampf wurde mit gewaltigem Interesse und großer Spannung
verfolgt. Steinitz setzte sich schließlich durch und verteidigte seinen
Titel mit dem Resultat von 12½:10½.
Im März 1894 verteidigte Steinitz den
Titel gegen Emanuel Lasker. Der wie ein Komet
aufgetauchte 25-jährige Deutsche gewann 1893 eine ganze Reihe von Matchen,
erzielte einen hundertprozentigen Erfolg im New Yorker internationalen
Turnier und richtete Anfang 1894 an den Weltmeister eine
Herausforderung.
Steinitz war zu der Zeit schon 58 Jahre
alt. Er hegte selbst immer mehr Zweifel, ob er den Titel würde erfolgreich
verteidigen können, jedoch griff er den Fehdehandschuh auf. Der Kampf
begann in New York, wurde in Philadelphia fortgesetzt und endete in
Montreal. Das Match dauerte vom 15. März bis zum 26.
Mai 1894. Lasker gewann den Wettkampf mit 12:7. In der Geschichte
des Schachs begann ein neues Kapitel.
Nach dem Titelverlust nahm Steinitz
wenige Monate später am New Yorker Turnier, das im Oktober 1894 begann,
teil. Ohne Anstrengung siegte er überlegen mit 8½ Punkten aus 10 Partien
- allerdings nicht so souverän wie Lasker ein Jahr zuvor. Das war das
letzte Turnier, in dem Steinitz den ersten Platz belegte.
Im Mai 1895 nahm Steinitz am Turnier zu
Hastings teil. Unter den Teilnehmern befanden sich neben den neuen und dem
alten Weltmeister auch sämtliche Thronbewerber, einschließlich
Siegbert
Tarrasch. Von seinen berühmten
Gegnern bezwang Steinitz in Hastings Chigorin und Gunsberg, unterlag aber
Lasker und Tarrasch sowie dem Sieger des Turniers, Pillsbury. Mit 13
Punkten aus 21 Partien belegte er hinter Pillsbury, Chigorin, Lasker und
Tarrasch den 5. Platz.
Vom 13. Dezember 1895 bis 29. Januar
1896 beteiligte er sich an einem Vierer-Turnier der "Größten" in
Petersburg. Der Entstand lautete: 1. Lasker 11½, 2. Steinitz 9½,
3. Pillsbury 8, 4. Chigorin 7. Steinitz gelang es, Pillsbury und
Chigorin hinter sich zu lassen, er musste sich nur Lasker beugen. Dadurch
konnte er sich in dem Glauben wiegen, er hätte noch immer den zweiten
Platz in der Weltrangliste inne und besäße einige Hoffnung, im
Revanchematch um die Weltmeisterschaft erfolgreich zu sein. Kurze Zeit
später trug Steinitz einen Zweikampf gegen Schiffers aus und siegte mit
6½:4½.
Im Nürnberger Meisterturnier 1896, das
beinahe so bedeutsam war wie das Turnier zu Hastings, belegte er mit 11
Punkten aus 18 Partien den 6. Platz. Von den Teilnehmern des Hastinger
Turniers überholten ihn Lasker, Pillsbury und Tarrasch und von den neu
aufgekommenen jungen Meistern Maroczy und Janowski. Das war ein neues
Zeichen des Niedergangs, aber Steinitz weigerte sich, es zur Kenntnis zu
nehmen.
Dann trat die Katastrophe ein. Das
Revanchematch
um die Weltmeisterschaft fand
vom 7. November 1896 bis 14. Januar 1897 in Moskau statt. Den Sieg von
Steinitz erwartete zwar niemand, doch fiel die Niederlage derart
vernichtend aus, dass man allerorts bestürzt war. Lasker
verteidigte seinen Titel
klar mit 12½:4½.
Für die nächsten 11 Jahre war es das
letzte WM - Match um die Schachweltmeisterschaft. Steinitz's Hoffnungen
waren zerstört. Er wurde gegen seinen Willen für vierzig Tage in Moskau in
eine Nervenheilanstalt eingeliefert, doch bald wieder als genesen
entlassen. Er kehrte daraufhin nach Amerika zurück.
Im August 1897 gewann Steinitz die New
Yorker Meisterschaft. Anschließend reiste er nach Wien. Er gab dort eine
Blindsimultanvorstellung über 22 Partien und gewann 17. Steinitz war 61
Jahre alt und es ging mit seiner Gesundheit bergab. Er hatte Herzprobleme
und litt zeitweise unter Gedächtnisschwäche und
Halluzinationen.
In Wien wurde vom 31. Mai bis 30. Juni
1898 ein Weltturnier veranstaltet. Der Ort, wo Steinitz seine
Schachlaufbahn begann und wo er später die größten Erfolge errang, war für
ihn eine günstige Umgebung. Durch Siege über Chigorin und Marco gelang ihm
ein guter Start. Auch sein Stil erweckte Ehrfurcht. Obwohl Steinitz schon
62 Jahre alt war, erzielte er einen respektablen Erfolg. 1. Tarrasch 27½, 2. Pillsbury
27½, 3. Janowski 25½, 4. Steinitz 23½, 5.
Schlechter 21½ usw.
Auch nach dem Wiener Turnier gönnte sich
der 62jährige Exweltmeister keine Ruhe. Schon 5 Tage später trat er zum
Kölner Internationalen Turnier an. Unter 16 Teilnehmern errang er mit 9½
Punkten den 5. Platz.
Am 30. Mai 1899, begann ein
doppelrundiges Weltturnier mit 15 Teilnehmern in London. Dieses brachte
den Weltmeister Lasker seinen bisher größten Triumph. Er deklassierte
selbst den Zweiten mit 4½ Punkten. Hingegen musste der Exweltmeister dem
Alter seinen Tribut zollen. Mit 11½ Punkten konnte er - zum ersten Mal in
seinem Leben - keinen Preis in Empfang nehmen.
Steinitz Gesundheitszustand
verschlechterte sich rapide. Sein Geist verwirrte sich. Er bildete sich
ein, dass Elektrizität aus seinen Fingern ausströmt, die die Schachfiguren
lenkt. Er musste wieder in eine Nervenheilanstalt eingeliefert
werden.
In New York, im Park des Sanatoriums
East River, konnte man am Ufer eines kleinen Baches oft einen alten Mann
mit einer Krücke beobachten. Er saß dort auf einer Bank, hielt ein kleines
Schachbrett in den Händen und murmelte unverständliche Worte.
Am 12. August 1900 starb Wilhelm
Steinitz, der 28 Jahre lang Weltmeister im Schach war auf Ward's Island,
New York. Seine heute geschätzte Elo-Wertung beträgt 2650. Wilhelm
Steinitz gewann 43, verlor 43 und spielte 29 WM-Partien Remis. Das sind 57½ Punkte aus 115 Partien. Er war
offiziell 8 Jahre Schachweltmeister und
gewann in einem Zeitraum von 28 Jahren jedes Match gegen die besten
Spieler der Welt. Er spielte sechs offizielle WM-Matche und blieb
trotzdem arm. Er spielte über 400 Wettkampf- und Turnierpartien und
gewann 64 Prozent der Partien.
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