Von Hawaii über Piemont nach
Miami Beach
Pardubicer Schachfestival
trotz kleinerer Pannen wieder ein Genuss
"Děkuji."
"Prosím."
So groß ist der Chemnitzer Bahnhof
nun wirklich nicht, dass man sich darin verlaufen oder
verfehlen könnte. Aber da war sie wieder, die vierte
Dimension. Kein Bagger weit und breit. Nur ein zu großer
Parkplatz.
Der Auftakt zum Pardubicer Schachurlaub
verlief in diesem Jahr etwas umständlich. Johannes
Titz und Christof Beyer waren mit dem Zug in die Bezirkshauptstadt
gereist, um den Hörr'schen Zubringer nach Tschechien
zu erwischen, doch wie schon zur Trockenübung im
Februar wurde es nichts aus dem romantischen Treffen
am Bahnsteig. Dennoch ein Sieg für die Handylosen
ja, dennoch ein Sieg für die Romantik! "Ich
hatte da kurzfristig noch was auf den Tisch bekommen",
hieß es zur Begründung, warum aus zwei Minuten
eine gute Stunde wurde. Einen Flash-Mob und zwei vergorene
Äpfel später ging es dann doch noch gemeinsam
in Richtung Grenze über das malerische,
schweizerisch anmutende Einsiedel, versteht sich. Dann
kurz hinter dem Erzgebirgskamm der tschechische Postsozialismus
und endlose Einöde.
Nach viereinhalb, nicht etwa sechseinhalb
Stunden, wie man uns weißmachen wollte, hatte
die anstrengende Buckelpistentour dann endlich ein Ende
und nur wenig später konnte man zum wohl verdienten
Krušovice in der "Galera" anstoßen.
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Wie sich erst tags darauf herausstellte,
passierte das erste Malheur schon vor der 1. Runde:
"Mr. Luban", der Anmeldung längst persönlich
bekannt, hatte im Voraus wegen der verspäteten
Anreise ein kampfloses Remis mit Lion und der Turnierleitung
vereinbart. Doch ausgerechnet sein Name fehlte aufgrund
einer Verwechslung bei den Ansetzungen der 2. Runde.
Auch wenn man sichtlich peinlich berührt versuchte,
das Missgeschick zu beheben, so hatte Peter am Ende
doch nur ein siebenrundiges Turnier spielen dürfen.
Immerhin erhielt er als Entschädigung eine Einladung
zum Abschlussbankett.
Die 2. Runde war es auch, die einen der
ganz wenigen Streitfälle produzierte leider
mit Plauener Beteiligung. Christian Hörr hatte
in bereits vorteilhafter Stellung mit Mehrqualität
Remis beantragt, in der Blitzphase bis zum Blättchenfall
zwei weitere Bauern gewonnen und eine klare Gewinnstellung
erspielt. Dennoch entschied der Schiedsrichter auf Sieg
für die lettische Gegnerin, da sie angeblich noch
theoretische Gewinnchancen besäße, ignorierte
dabei aber, dass diese nicht einen einzigen Gewinnversuch
unternommen hatte. Auch ein Protest beim Hauptschiedsrichter
Otto Gutdeutsch half nichts. Dieser sprach zwar von
einer "möglichen Fehlentscheidung", wollte
seinen jungen tschechischen Kollegen aber nicht "overrulen".
Kontakt mit dem Schiedsrichter hatte auch Hashem Schweiger
einige Runden später im C-Turnier. Nachdem er schon
tags zuvor mehrmals ermahnt worden war, wurde seine
Partie genullt, weil er und andere den dringenden Verdacht
auf Beratung geschürt hatten.
Auch die 5. Runde war von einem Kuriosum
geprägt. Etwa zwei Stunden nach Partiebeginn fiel
in der gesamten Tschechischen Republik plötzlich
der Strom aus. Alle Partien mussten für 15 Minuten
unterbrochen werden.
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Der tragische Tiefpunkt des Turniers
war die Meldung über den Tod einer 19-jährigen
Engländerin vor der 6. Runde. WFM Jessie Gilbert
stürzte, wie
CNN berichtet, unter nicht endgültig geklärten
Umständen aus dem 8. Stock ihres Hotels. Alle Teilnehmer
erhoben sich daraufhin zu einer Schweigeminute.
Aus schachlicher Sicht gibt es wenig
Spektakuläres zu berichten. Im A-Turnier spielte
sich Lutz Espig auf 50%. In Runde 2 hatte er zumindest
teilweise Revanche nehmen können gegen IM Falko
Bindrich, der ihm aber noch mal ins Remis entwischen
konnte. Lion Pfeufer war mit 4½ aus 9 der beste
Plauener im B1. Ihm gelang ein sehenswerter Kantersieg
gegen WFM Tanya Shevchenko. Tomas Zeleny startete gut,
brach aber zum Schluss hin ein. Der gehandicapte Peter
Luban kam diesmal nur auf fünf Remisen in Folge:
2½ aus 7.
Im B2 tummelten sich die meisten Plauener.
Johannes Titz startete furios mit 4 aus 4 und hätte
am Ende sogar noch mehr als die erreichten 6 Punkte
holen können. Die gute Form der vergangenen Monate
sicherten Johannes damit ein Platz im Oberligaaufgebot.
Gutes Schach zeigte auch Christof Beyer, der, wenn er
nicht in der letzten Runde noch gestoppt worden wäre,
in Pardubice beinahe zwei Jahre lang ungeschlagen gewesen
wäre. Auch die Debütanten Dieter Kunz und
Mario Tunger schlugen sich wacker bei 5 aus 9.
Der große Gewinner im C-Turnier
war diesmal Martin Müller. Bei einem Gegnerschnitt
von weit über 1800 erreichte er 50% und wird dank
seiner ruinösen DWZ um ca. 200 Punkte steigen.
Sandra Meyer kam ebenfalls auf einen ausgeglichenen
Score. Als enttäuschend sind die Leistungen von
Hashem Schweiger und Stephan Meyer zu bezeichnen, die
im Vergleich zum Vorjahr keine Steigerung erkennen ließen.
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Die schönsten Szenen spielten sich
aber wieder abseits des Schachbretts ab. Bis auf ein
paar schlechte Kartoffeln in der "Galera"
wurden ausnahmslos überall kulinarische Leckerbissen
serviert. Ob "Salat Hawaii", "Bob und
Bobek", "Miami Beach", "Pizza frutti
di mare", mexikanische Tortillas, "Buffalo
Bill", "Steak Piemont", ob Krušovice
(hell wie dunkel), Pilsner Urquell, Pernštejn,
Rotwein, Weißwein, Met, Wodka, Mattoni, Eiskaffee,
Latte Macchiato oder einfach nur Pepsi alles
wollte irgendwie schmecken. Und ein komplettes Menü
inkl. reichlich Bier und Trinkgeld für nicht mal
8 Euro bekommt man eben nur in Tschechien. Für
ein vergleichbares Angebot wurden bei eigentlich noch
moderaten Preisen, aber deutlich weniger Service eine
Woche später in Deutschland schon wieder satte
29 Euro gelöhnt.
Logisch, bereits zwei Tage nach Turnierende
hatte Peter Luban 30 Plätze im Hotel "Kristl"
für 2007 reserviert. Hoffentlich reicht das, denn
wäre nicht dummerweise Pardubice-Zeit auch immer
Prüfungszeit, hätten wir das "Kristl"
längst komplett in Beschlag genommen. Um allen
Unentschlossenen die Entscheidung zu erleichtern, haben
wir auch diesmal ein Fotoalbum
mitgebracht.
Statistik
A
|
208.
|
GM Lutz Espig |
2359 |
4½ |
B1
|
160.
|
Lion Pfeufer |
2030 |
4½ |
B1
|
162.
|
Tomas Zeleny |
2222 |
4½ |
B1
|
316.
|
Peter Luban |
2071 |
3½ |
B2
|
36.
|
Johannes Titz |
1956 |
6 |
B2
|
82.
|
Christof Beyer |
2053 |
5½ |
B2
|
111.
|
Dieter Kunz |
1989 |
5 |
B2
|
117.
|
Mario Tunger |
2144 |
5 |
B2
|
118.
|
Jochen Bandt |
2029 |
5 |
B2
|
207.
|
Theresa Reh |
1830 |
4 |
B2
|
232.
|
Peter Paul |
1895 |
4 |
B2
|
238.
|
Christian Hörr |
2050 |
4 |
B2
|
293.
|
Rebecca Reh |
1680 |
3½ |
B2
|
326.
|
Lars Hernla |
1570 |
3 |
C
|
91.
|
Martin Müller |
1349 |
4½ |
C
|
106.
|
Sandra Meyer |
1579 |
4½ |
C
|
163.
|
Kamrla, Robin |
1435 |
4 |
C
|
177.
|
Peter Dietzsch |
1522 |
3½ |
C
|
194.
|
Hashem Schweiger |
1560 |
3 |
C
|
217.
|
Stephan Meyer |
1469 |
2 |
|