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Das Tao des Schachs
Acheng: "Il re degli scacchi"
"Wer alles
haben will, der muss auch alles hergeben."
Meister Eckhart
"Wird das Wissen auf Kosten der Weisheit wachsen,
so kann es zweideutig, ja selbst gefährlich werden,
und auf Achtung besteht kein echter Anspruch mehr. Ethos
und Eros der Belehrung schwinden; sie wird zu einer
Funktion unter anderen. Chinesische Weisheit hat das
früh vorausgesehen."
Ernst Jünger
Ein
Buch wie dieses ist schwer zu besprechen; es gibt im
europäischen Schrifttum nichts Vergleichbares und
es überragt alles, was man hierzulande im Zusammenhang
mit dem Schach lesen kann, kurz, es ermangelt ihm an
Vergleichbarkeit. Die Schwierigkeit ist allerdings
noch eine andere. Achengs Text entstammt einem kulturellen
Kontext, der uns westlichen Menschen wohl stets rätselhaft
bleiben muss. Man steht dem ratlos gegenüber, verblüfft
von diesem Reichtum und der Einfachheit und läuft
ob dieser Faszination Gefahr, zu hoch zu greifen, überzubewerten.
Dass fernöstliche Literatur in den Kulturhochburgen
gemeinhin unterbewertet wird, braucht nicht extra betont
zu werden; wer kennt schon die großen Dichter
und Denker des Ostens, wer wüsste in der reichen
Geschichte Bescheid, wer weiß die tausendfältige
Kunst würdigend zu genießen? Es bleiben daher
oft nur Ahnungen, Stimmungen, Gefühle, der schwer
zu fassende Eindruck, vor einem enormen Schatz zu stehen,
ohne ihn wirklich sehen zu können. Dass uns hier
eine hohe Form von Weisheit begegnet, wird mehr intuitiv
denn rational begriffen und nicht anders wird der europäische
Leser dieses Buch empfangen. Darüber zu sprechen
heißt von vorn herein einen "Rest" an
Nicht- und Unverständnis einzurechnen; wir werden
den Text nicht wirklich verstehen können, ohne
uns langfristig auf die in ihm enthaltenen Lebensformen
einzulassen, aber wir können ihn – und ich
wähle bewusst diesen hässlichen technischen
Terminus, denn wir müssen es im Besprechen schon
herabwürdigen -, wir können ihn für unser
Verständnis kompatibel machen, so wie man auch
über Laotse und Konfuzius, über Zen und Buddhismus
sich zu sprechen anmaßt. Dies aber sind die Dimensionen,
die Achengs an sich unscheinbare Geschichte berührt,
nicht zuletzt und vor allem, wenn über das Schachspiel
nachgedacht wird. Dass es sich hierbei um Chinesisches
Schach handelt, eine ältere, wohl auch reichere,
spannendere, dynamischere, komplexere Form des Schachs,
die im Übrigen wesentlich mehr Menschen auf der
Welt begeistert als die europäische, muss mitbedacht
werden, ist aber nicht wirklich wichtig, denn es ist
nicht die andere Form, die den Geist hervorbringt, sondern
der andere Geist brachte diese Form hervor, die wiederum
den Geist entsprechend bildet.
Man könnte die Handlung des kaum
achtzig Seiten umfassenden Romans so beschreiben: der
namenlose Ich-Erzähler lernt zufällig Wang
Yisheng kennen, einen jungen genialen Schachspieler,
der seinen Lebensunterhalt recht kümmerlich durch
das Spiel und auch ein wenig Betrug fristet. Sein gesamtes
Denken kreist um das Schach, ums Essen, um geistige
und körperliche Nahrung. Nichts anderes scheint
dessen begrenzten Geist zu interessieren. Bei alten
Meistern in die Schule gegangen, gelingt es ihm schließlich,
alle Gegner zu besiegen, gipfelnd in einem Aufsehen
erregenden Sieg, den er ohne Ansicht des Brettes zugleich
gegen neun, zum Teil meisterhafte Spieler erlangt. Man
hätte dann nicht gelogen und noch nicht mal viel
verschwiegen, in der Tat, dies umschreibt in wenigen
Worten das Geschehen. Und doch hätte man von diesem
schmalen und großen Buch nichts begriffen, nichts
von dieser seltsam enigmatischen Person Wangs, nichts
von dieser fremd-geheimnisvollen Kultur und nichts von
diesen armen reichen Menschen und erst recht nichts
von diesem faszinierenden Spiel, geschweige denn von
dieser befremdlichen und doch so natürlichen Spielauffassung.
Selbst dem Ich-Erzähler bleibt Wang
wesentlich rätselhaft, wenngleich er mehr und mehr
sein Denken beeinflusst. Aber da öffnet sich ein
Abgrund von Jahrhunderten zwischen den beiden, sie repräsentieren
verschiedene anthropologische Konzepte selbst innerhalb
dieser andersartigen Kultur. Stellt der eine das moderne
Wissen dar und in gewisser Weise die westliche, die
verwestlichte, auch die freie Welt, so spricht aus dem
anderen, trotz seiner persönlichen Unvollkommenheit
die Weisheit, die Weisheit vergangener Zeiten, die seither
unerreichte Weisheit der alten taoistischen Meister.
Schon als beide sich unvorbereitet im Zug kennen lernen,
der sie in eine weit entfernte Provinz bringen soll,
wo sie auf Arbeit, Lohn und Brot hoffen, schon in diesem
Zug, der im Jahre 1969 auf einem großen übervölkerten,
chaotischen Bahnhof abfährt, stoßen diese
beiden Welten, diese beiden Charaktere unversehens aufeinander,
freundschaftlich gestimmt zwar, aber doch vollkommen
gegensätzlich. Unvermittelt fragt der noch Unbekannte
nach einem Schachspiel und beginnt die Partie unerachtet
der geäußerten Abneigung seines Gegenüber.
Als sie sich bekannt machen, fällt schon der quasi
programmatische Satz: "Ich gehe dorthin, wo es
was zu essen gibt", so sagt Wang, "was hat
all dieses Pläneschmieden für einen Sinn?
Los, mach deinen ersten Zug" (7). Als er
den Namen erfährt, da weiß der Erzähler,
wem er gegenübersitzt: der Schachmaus ("Topo
di scacchiera"[1]),
einem stadtbekannten "brillanten Spieler, der auch
in Mathematik der Beste unter den Studenten seines Jahrgangs
war" (9). Er erfährt von dessen Leben, wie
er sich mit öffentlichen Schachpartien über
Wasser hielt, wie er von alten Meistern unterrichtet
und belehrt und wie das Schach schließlich mehr
als ein Spiel wurde. "Die Fähigkeit im Schach",
so belehrt ihn ein alter Meister, dem er wegen seiner
größeren Spielstärke respektlos gegenübertrat,
"ist mit dem Charakter untrennbar verknüpft
und wenn er so weitermacht, so ist auch sein Talent
zu einem bösen Ende verurteilt" (1). Und er
hört, dass es wichtigere Dinge als das Schach gibt:
"Wenn du an einem Tage nichts gegessen hast, dann
geht das Schach in Rauch auf" (13), denn mehr noch
als das Schach beschäftigt den charismatischen
Wang das Essen. Es ist das andere große Thema
seines Denkens, all seine Weisheit speist sich aus diesen
beiden Erfahrungsquellen: dem Hunger und dem Spiel.
Daraus ergibt sich eine Form der Gelassenheit, die eine
Negativität unmöglich macht, eine Leichtigkeit
des Seins und Lebensfreude, die, da sie von der Hand
in den Mund lebt und die Sorge um den nächsten
Tag nicht kennt, alle existentiellen Schwierigkeiten
meistert. "Typen wie wir sind nicht traurig, wir
sind höchstens unzufrieden. Und wie könnte
ich meine Unzufriedenheit zerstreuen, wenn nicht durch
das Schach" (15)? Die Dimensionen des Glücks
werden von den tagtäglichen Belastungen gar nicht
berührt, doch das kann man erst begreifen, wenn
man das fälschliche Synonym Glück und Zufriedenheit
auflöst.
Gegen diese einfache, direkte und unverfälschte
Einsicht lässt sich zwar mit dem akademischen Wissen
argumentieren und dies stößt auch auf Interesse,
denn dem einfältigen Menschen ist nichts wirklich
fremd, doch mehr als dies können die Rekursionen
auf eine fremde Literatur, auf Jack London und Balzac
etwa, sich nicht erhoffen. "Die Fremden sind nun
mal nicht wie wir. Da gibt es eine Barriere zwischen
uns und ihnen" (18). Die Erzählung der eigenen
Großmutter hat für diesen Geist ganz andere
Authentizität, auch weil dort eine eigene Erfahrbarkeit
vorliegt; über Hunger kann man nur hungernd schreiben!
Und die jahrhundertealten Regeln des gesunden Menschenverstandes
gelten eh mehr, als all die noch so wohl konstruierten
Moralismen: "Bleibe immer ein bisschen hungrig
und du wirst lange leben" (18).
Schließlich verlieren sich die
beiden für eine Zeit aus den Augen. Sie gehören
verschiedenen, weit auseinander liegenden Produktionsgemeinschaften
an. Auch wenn das Verdienst verhältnismäßig
gut ist und man keinen Hunger leidet, so regiert doch
das Denken an die Nahrungsbeschaffung. Vor allem mangelt
es an Öl und an tierischen Fetten, weshalb man
nach schwerer Arbeit in den schon abgejagten Wald geht,
um Frösche, Mäuse und Schlangen zu fangen.
Die Zubereitung einer Schlange wird schließlich
zur Zeremonie, die Gedanken aller kreisen darum, wie
das Tier am vollständigsten und wohlschmeckendsten
zubereitet werden könne. An diesem Mahl nimmt auch
die "Schachmaus" teil, der nach wochenlanger
Arbeit seinen neuen Freund besuchen möchte und
natürlich neue Schachpartner sucht. "Nach
langem Schweigen sprach er: - Ja, mir geht es wirklich
gut. Keine Rede. Ich habe zu essen, ich habe Geld. Was
könnte man noch wollen? Ich lasse es mir wirklich
gut gehen. Und du? - fragte er mich, in eine Rauchwolke
eingehüllt. Aufseufzend antwortete ich: - Gut,
an Geld mangelt es nicht, Reis gibt es reichlich. Es
fehlt nur an Öl und das Mensaessen verursacht Magenbrennen.
Aber am schlimmsten ist, dass es keine Abwechslung gibt,
keine Bücher, kein Licht, kein Kino. Es ist schwer
einen anderen Ort zu erreichen und so sind wir immer
gezwungen hier zu bleiben. Eine tödliche Langeweile.
– Ihr werdet nie zufrieden sein – sprach er
kopfschüttelnd – Was wollt ihr denn noch?
Die Bücher sind es, die dich verdorben haben. Ich
habe lange über die Geschichten nachgedacht, die
du mir im Zug erzählt hast und ich fand sie schließlich
sehr hübsch. Du bist tüchtig, hast viel gelesen,
aber am Ende, was hast du gelöst? ... Man muss
in der Lage sein, sich zufriedenzustellen, allein sich
zu jeder Mahlzeit satt essen zu können, ist ein
Glück ... – Ich bereute meine Unzufriedenheit
gegen das Leben ausgesprochen zu haben, dem das Öl,
vor allem die Bücher und das Kino fehlt, all die
Dinge, die nicht zu den fundamentalen Bedürfnissen
gehören und keine Beunruhigung für ihn bedeuteten.
Einen Moment lang fühlte ich mich entmutigt und
überdachte einige Dinge, die er gesagt hatte. Sicher,
was weiter war ich auf der Suche? Ging es mir nicht
gut? Ich musste mich nicht darum besorgen, wo ich meine
nächste Mahlzeit her bekäme, das Bett, auch
wenn es kaputt war, gehörte mir, ich musste mich
nicht mit der Suche um Unterkunft herumschlagen. Na
also, warum war ich unzufrieden? Weshalb diese Lust,
ein Buch zu lesen? Oder einen Film zu sehen, wo, wenn
das Licht angeht, alles verschwindet? Was konnte mir
das geben? Aber irgendwie empfand ich auf dem Grunde
meiner Seele ein vages Begehren, schwer in Wort zu fassen,
das aber, das wusste ich, mit dem Leben zu tun hatte"
(33f.). Woraus speist sich diese modern anmutende Unzufriedenheit,
die immer nur mehr und Neues will, statt zu genießen,
was ist? Und weshalb empfand sie dieser rätselhafte
Wang nicht? Oder gab es da etwas, das ihm all diese
Wünsche zu erfüllen vermochte, dauerhaft und
immer und immer wieder? Natürlich, das Schach!
Aber ein anderes Schach als wir es kennen, ein anderes
Verständnis davon, eines, welches den Akt des Spielens
über alles setzt und den Genuss am Denken tiefer
empfindet als Sieg oder Niederlage, ein Verständnis,
das sich letztlich selbst genügt. "Das Schach
ist meine Passion", sagt er, "Wenn ich spiele,
dann vergesse ich alles" und dieses "alles"
wird man sehr ernst nehmen müssen. "Wenn ich
in eine Partie vertieft bin, dann fühle ich mich
wohl. .... – Was würdest du tun, wenn man
dir verbieten würde, zu spielen oder auch nur an
das Schach zu denken? – Mich überrascht anschauend
sagte er: - Das ist unmöglich, wie sollte das gehen?
Ich kann im Geiste spielen, man müsste es mir im
Hirn auskratzen. Du sprichst Unsinn. – Es ist schön,
Schach zu spielen – sagte ich mit einem Seufzer
-. Wenn man ein Buch einmal gelesen hat, dann kann man
es nicht im Geiste wieder lesen, man denkt immer daran,
ein anderes zu lesen. Im Schach dagegen kann jeder sich
daran erfreuen, selbst die Strategie zu ändern.
... Jetzt brauchen wir uns nicht um Trinken und Essen
sorgen, allerhöchstens, wie du sagtest, ist das
Essen nicht gut genug, und doch scheint das Leben uns
keinen großen Sinn zu haben. Spiele Schach, das
vertreibt die Traurigkeit" (34f.)
Diese scheinbar belanglosen Worte wiegen
schwer. Da stoßen antagonistische Welten aufeinander,
die materialistische und die idealistische Welt, verschiedene
Zeitauffassungen werden konfrontiert, die lineare und
die ewig wiederkehrende Zeit, Moralauffassungen treffen
aufeinander, Gut und Böse und Jenseits von Gut
und Böse und viele mehr. Das alles aber geschieht
in einvernehmlichem Gestus und es ist nicht zuletzt
diese Einmütigkeit, die uns so befremden und faszinieren
muss, weil Konflikte nach unserer Auffassung gelöst
werden müssen, während sie hier beharren (sistieren)
können. Dabei wurde Wang die Weisheit nicht in
die Wiege gelegt, sondern er sog sie in widersprüchlichen
Entwicklungen aus der inhärenten Kraft des Schachspiels.
Erlernt hatte er es bei der Mutter, die ihn anderseits
ängstlich davor warnte, ihm sein Leben zu widmen,
viel mehr auf einer nützlichen Ausbildung, auf
einen Beruf drängt. Aber Schach war mehr als Beruf,
es war Berufung, selbst gewählt, und doch nicht
Sucht. Da gab es schwierige Balanceakte zu meistern.
"Vergiss nie meine Worte: verliere nicht den Kopf
über dem Spiel", lehrte ihn die Mutter und
auch: "Du willst allein das Schachspiel studieren?
In früheren Zeiten konnten sich das nur die Reichen
leisten! Ich habe nie solche Leute gesehen, die hatten
alle eine Position und verdienten sich durch das Spiel
nicht ihr Brot. ... Was immer deine Ergebnisse im Schach
sein werden", gibt sie ihm noch auf dem Sterbebett
mit; "es wird dir nichts zu essen bringen"
(39).
Es fügt sich, dass sich im landwirtschaftlichen
Betrieb ein sehr starker Spieler befindet, dessen Vater
ein angesehener Meister ist und einer Familiengeschichte
entstammt, die sich 800 Jahre zurückverfolgen lässt.
"Die Familientradition kann im Schach von großer
Bedeutung sein" – auch so ein Satz, über
den man verstummen müsste, um ihn zu fassen. Daraus
spricht sie wieder, die ferne, andere Welt.: "Man
darf die Züge nicht unterschätzen, die von
Generation zu Generation übertragen werden"
(43). Wie ist solch eine Aussage nur möglich? Kann
sie überhaupt Sinn haben oder ist sie nur auf das
Chinesische Schach anwendbar? Dann freilich wäre
es in der Tat dem europäischen tausendfach überlegen
[2]. Sie widerspricht so
fundamental unserer Auffassung nicht nur vom Schach.
Jeder beliebige Großmeister würde sich heutzutage
zutrauen, einen Anderssen oder Morphy niederzuringen,
da er von der Wissensakkumulation profitiert und jeder
x-beliebige Pennäler weiß hundertmal mehr
über die zeitaktuellen Themen, über Computer,
Börse, moderne Kunst etc. als sein Großvater.
Und doch war es stets das Wissen der Alten, das zählte,
solange zumindest, bis die modernen Beschleunigungsprozesse
den Zeitstrahl umpolten und das magische Wort "neu"
– einst Grund zur Skepsis [3]–
unwiderstehlichen Zauberklang bekam und sich an Stelle
der "Erfahrung" und des "Vertrauten"
setzte. Für Generationen, ohne Erfahrungshorizont
aufgewachsen - Gegenwart wird zunehmend liquidiert,
verflüssigt, zu einem Fluss, in den man nicht zweimal
steigen, in dem man keine dauernden Erfahrungen mehr
sammeln kann und an den keine Erwartungen mehr geknüpft
werden können -, müssen solche Sätze
absurd klingen, aber sie sind älter und daher wahrer.
Ni
Bin jedenfalls bringt zur Feier des Tages – seit
langem hat er einen würdigen Gegner zu gewärtigen
– ein Spiel aus der Ming-Zeit (1368-1644) hervor
und unterstreicht schon durch diesen symbolischen Akt
den Wert des Tages. Auf ihm soll der denkwürdige
Kampf stattfinden. Die Partie endet für die unkundigen
Zuschauer rätselhaft, scheinbar mitten im Spiel,
nach dreißig Zügen, sagt Wang Yisheng "Machen
wir eine neue Partie". Dass die laufende schon
entschieden ist, wissen zu diesem Zeitpunkt nur die
beiden Spieler, aber es spielt keine Rolle und es wird
noch nicht einmal erwähnt. Weitere Partien enden
mit dem gleichen Ergebnis; Ni Bin gibt sich schließlich
geschlagen, aber wie! "Ich bin sehr froh, dich
kennen gelernt zu haben, ich möchte, dass wir Freunde
werden" (47). Und er wird ihn zum großen
Turnier einladen, er wird sein altes unbezahlbares Schachspiel
als Bestechungsgeld opfern, um beim Sekretär die
Teilnahme des an sich nicht spielberechtigten Wang zu
ermöglichen, und er wird ihn begleiten, für
Unterkunft und Auskommen sorgen.
Man trifft sich anlässlich des Turniers,
sechs Monate darauf, wieder. Die kleine Stadt ist voller
Leben, alles spricht von dem großen Ereignisse.
Zum ersten mal sieht Wang ein Theaterstück, schwach
gemacht, aber genug, um ihn vollends zu verzaubern.
Wieder wird deutlich: dieser Mensch hat einen direkteren
Weltbezug, er ist, im besten Sinne des Wortes, naiv
und einfältig. Und direkt. Er werde nicht an dem
Turnier teilnehmen, überrascht er die erschrockenen
Freunde wenige Stunden vor dem Beginn. Vor allem das
Geschenk Ni Bins an den Sekretär sei nicht gerechtfertigt,
erst recht nicht für einen Menschen, der in der
Tradition der alten Lehren lebt. Auch Ni Bins Bruch
mit der Vergangenheit, kann ihn nicht von der Entscheidung
abbringen: "Dieses Schachspiel ist ein altes Erbstück
der Familie, aber ich ertrage einfach das Leben auf
dem Lande nicht mehr. Ich möchte an einem Ort leben,
wo ich mich nicht jeden Tag schmutzig machen muss. Das
Schachspiel gibt nichts zu essen, wenn es mir hilft,
etwas zu erreichen, dann lohnt es, es loszuwerden."
Doch Wangs Geist ist nicht mehr umzustimmen, er ist
für Höheres bestimmt. "Danke Ni Bin,
aber ich werde nicht am Turnier teilnehmen, ich werde
vielmehr die Sieger des Turniers herausfordern."
(67f.). Und tatsächlich, nach Beendigung des Turniers
tritt er auf die Sieger zu, unterrichtet sie von seinem
Vorhaben und steigert die Spannung, als er ihnen anbietet,
im Geiste – Blindsimultan, würden wir sagen
– gegen beide zugleich anzutreten. Wie ein Lauffeuer
durcheilt die Nachricht die Stadt und als sei dies nicht
genug, den Glauben der Menschen zu erschüttern,
gestattet er einem dritten Meister teilzunehmen –
dieser bleibt in seinem Hause, Kuriere überbringen
die Züge -, schließlich, die Situation spitzt
sich mehr und mehr zu, werden es neun Spieler sein,
gegen die Wang anzutreten gedenkt. Noch nicht einmal
so viele Spiele waren vorhanden, "also brachte
jemand acht große weiße Pappen, auf die
schnell das Schachbrett aufgezeichnet wurde. Ein anderer
schnitt hundert Quadrate in den Karton, auf die mit
rot und schwarz die Ideogramme der verschiedenen Steine
aufgezeichnet wurden..."(70f.). "Wang Yisheng
nahm in der Mitte des Saales Platz. Die Hände auf
die Beine gestützt, den Blick ins Leere gerichtet,
Gesicht und Kopf voller Staub bedeckt. Er erinnerte
an einen Beschuldigten, der einem Verhör unterzogen
wird. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen und
durchquerte den Saal, um ihm ein wenig Staub abzuklopfen.
Er packte meine Hand und ich bemerkte, dass er ein klein
wenig zitterte. Mit leiser Stimme: - Die Sache hat übertriebene
Verhältnisse angenommen, seid auf der Hut, bei
der geringsten Schwierigkeit hauen wir ab. – Was
soll schon passieren? Du brauchst nur zu gewinnen und
alles wird gut. Wie geht es dir? Wie fühlst du
dich? Vor dir hast du neun Herausforderer, von denen
drei die Gewinner des Turniers sind -. Nach einer gewissen
Ruhe antwortete Wang Yisheng: - Ich fürchte mehr
die Vagabunden als die Höflinge. Die Technik der
drei Meister hatte ich Gelegenheit zu sehen, ich frage
mich vielmehr, ob unter den anderen sich nicht ein wirklicher
Gegner befinden könnte" (71f.). Der Wettkampf
begann, die Tausend Zuschauer verstummten, man hörte
nur die Stimmen, welche die Züge ausrufen. Nach
einer Weile: "Ich betrat erneut den Saal. Die frohe
Miene Ni Bins machte mich zuversichtlich. – Wie
läuft es? – fragte ich ihn -. Ich habe vom
Schach keine Ahnung -. Sich das Haar in Ordnung bringend,
antwortete er: - Wundervoll, Wundervoll. Noch nie habe
ich einen solchen Kampf gesehen. Stell Dir vor, er allein
gegen neun, neun Partien auf einmal. Eine Schlacht an
so vielen Fronten! Ich will meinem Vater alle Züge
dieser Partien schicken -. In diesem Moment erhoben
sich zwei der Spieler, verneigten sich vor Wang Yisheng
und sagten: Wir erklären uns geschlagen
und gingen. Wang Yisheng nickte mit dem Kopf und warf
einen Blick auf ihre leeren Sitze" (73). Sechs
weitere Gegner ereilt nach und nach - Stunden vergehen,
der Tag dunkelt - das gleiche Schicksal. Schließlich
wird nur noch an einem Brett gespielt, an dem des Meisters,
der seine Züge vom Hause aus übermittelt.
Man wartet lange auf seinen Zug. "Die roten Steine
blieben lange unberührt. Ungeduldige schauten auf
die Straße, in Erwartung des Kuriers auf dem Fahrrad.
Plötzlich bewegt sich die Menge der Menschen und
beginnt sich nach und nach zu öffnen. Ein Alter
mit kahlem Kopf erscheint bedächtig, von einer
Person an seiner Seite begleitet. Seinen Lippen zittern,
während er die acht Spielbretter betrachtet. Unter
den Anwesenden verbreitet sich blitzschnell das Gerücht,
dass dies der Meister sei. ... Nachdem er sich von der
begleitenden Person befreite, ging der Greis einige
Schritte nach vorn, blieb stehen, schlug die Hände
über dem Bauch zusammen und sprach mit lauter Stimme:
"Junger Mann, ich bin alt und leidend und deshalb
konnte ich nicht persönlich auf dem Kampffeld erscheinen,
sondern musste Kuriere nutzen, um die Züge mitzuteilen.
Trotz deines jungen Alters, so konnte ich feststellen,
besitzt du eine große Meisterschaft im Schachspiel.
Du hast verschmolzen die Methoden des Taoismus und des
Zen und du bist sehr begabt im Planen deiner Züge.
Wie die großen Generäle der Vergangenheit
und der Gegenwart, weißt du, wie man die Initiative
übernimmt, dabei deine Kräfte entfaltend,
und weißt, wie wichtig es ist, deinen Gegner zuerst
angreifen zu lassen. Dir gelingt es, den Drachen zu
jagen und die Wasser zu bändigen, dein Lebenshauch
ist in Einklang mit den Prinzipien des yin und des yang.
Dieser leidende Alte ist glücklich, dich getroffen
zu haben. Es bewegt mich zu wissen, dass die Kunst des
Schachspiels in China nicht sterben wird. Ich wünschte,
eine Freundschaft könnte mich mit dir verbinden,
die den Altersunterschied überwindet. Ich beende
hiermit die Partie, ich habe gespielt, um mich zu unterhalten.
Wärest du in der Lage ein Unentschieden in Erwägung
zu ziehen und das Gesicht des leidenden Alten zu wahren?"
Wang Yisheng "nach langer Pause, sprach mit schwacher
Stimme: Und Gleichheit sei" (76ff.).
Wenig später bricht er zusammen, nachdem er schluchzend
folgende Worte hervorbrachte: "Mama, dein Sohn
heute ... Mama ..."
Es
lohnt, glaube ich, noch einmal konzentriert den Blick
auf die schachspezifischen Aussagen zu werfen, weitere
Zentralaussagen vorzustellen und deren geistesgeschichtlichen
Hintergrund anzudeuten, bevor abschließend einige
Worte zum Autor fallen werden.
Unabhängig davon, dass es sich hier
um das Chinesische Schach handelt, werden Mitteilungen
gemacht, die das Verständnis auch des europäischen
Schachliebhabers erschüttern können. Und selbst
dort, wo die Besonderheiten spezifisch chinesisch sind,
ist die Überlegung lohnenswert, ob es sich nicht
um eine reichere Form des Spiels handelt oder aber,
ob wir von einem spirituellen Verlust sprechen müssen,
wenn wir heutzutage Schach thematisieren. Das würde
bedeuten, dass der hier nur angedeutete Reichtum sich
im Laufe des Fortschrittsdenkens aus der westlichen
Variante verflüchtigt hat oder nie auch nur ausgelebt
wurde. Auch eine dritte Möglichkeit kann nicht
außer Acht gelassen werden; es könnte sich
allein um literarisch fiktionale Bedeutungen handeln,
dem Geist des Autors entsprungen und ohne Realverständnis.
Die wohl entscheidendsten Eindrücke
erlangt Wang Yisheng von einem alten armen Schlucker,
einem Manne, der davon lebte, Altpapier und Lumpen zu
sammeln. "Er war wirklich außergewöhnlich
und ich bot ihm also an, mit mir zu spielen. Der Alte
ließ mich den ersten Zug machen. Wir spielten
im Geist, gegenüber der Müllhalde, ich verlor
fünf Partien nacheinander. Die ersten Züge
des Alten waren nichts Besonderes, aber sein Spiel war
wirklich schlau und heimtückisch. Er schlug ein
wie ein Blitz, er wusste, wie man ein Netz auswirft
und wie man es so schnell einzieht, dass man nicht mehr
entwischen kann. Von da an spielten wir jeden Tag im
Kopf, gegenüber der Deponie. Wenn ich nach Hause
kam, überdachte ich die Taktik seines Spiels und
nach und nach gelang es mir auszugleichen und auch eine
Partie zu gewinnen. Um ehrlich zu sein, diese Partie
gewann ich in gerade mal zwölf Zügen. Der
Alte schlug lange mit seinem Haken, den er zum Papiersammeln
nutzte, auf die Erde und mit einem Seufzer sprach er:
Du hast gewonnen. Ich war zufrieden und
ich sagte ihm, dass ich nach Hause gehen wollte. Er
warf mir einen Blick zu und sagte: Du bist zu
voll von dir selbst!; danach gab er mir eine Verabredung
an der Deponie für den folgenden Abend. Am Abend
darauf ging ich hin und ich sah ihn von fern mit seinem
Korb ankommen. Als er mir nahe war, zog er aus seinem
Korb ein Stoffbündel und gab es mir in die Hand.
Er sagte, dass es sich um Abschriften zum Spielen handelt
und dass ich sie studieren solle und sehen, ob ich etwas
davon verstünde. Dann sagte er, dass ich zu ihm
auf die Halde kommen könne, wenn ich Schwierigkeiten
hätte und die Probleme besprechen könne. Sogar
er war in der Lage sie zu lösen. Ich beeilte mich,
nach Hause zu kommen und begab mich an das Studium der
Darstellungen, aber, verdammt noch mal, ich verstand
nichts. Es war ein seltsames Buch, ein Manuskript voller
Randnotizen und vollkommen zerknittert. Wer weiß,
aus welcher Epoche es war! Das, was es enthielt, schien
wirklich nichts mit dem Schach zu tun zu haben, sondern
mit irgendeiner anderen mysteriösen Sache. Am Tag
darauf ging ich, den Alten zu suchen und ich sagte ihm,
dass ich nichts verstanden hätte. Er brach in ein
lautes Lachen aus, sprach, dass er mir eine Passage
erklärt hätte, weil ich einen Schlüssel
zur Lektüre haben könnte. Als er seine Erklärung
begann, blieb ich wie versteinert. Der Abschnitt sprach
über die Beziehung zwischen Mann und Frau. Das
gehört zu den <vier alten Sachen> (quattro
vecchiumi [4]), sagte er.
Der Alte stöhnte: Was ist alt? Ist nicht
das Papier, das ich tagtäglich sammle, alt? Und
dennoch, wenn ich es aussortiert habe, so verkaufe ich
es doch wieder, um mir das Geld zum Leben zu verdienen;
ist das nicht vielleicht etwas Neues? Die alten Taoisten
sprechen von den Prinzipien des yin und des yang. Dieses
erste Kapitel erläutert das yin und das yang, es
bedient sich dabei des Mannes und der Frau. Das yin
und das yang durchdringen einander und wechseln sich
ab. Man darf am Anfang nicht zu kräftig sein, denn
zuviel Kraft verursacht Zerstörung, eine übermäßige
Schwäche verursacht Zerstreuung. Dein Fehler ist
es, zu viel Kraft zu haben. Wenn der Gegner aggressiv
ist, so musst du ihm mit Weichheit begegnen und zugleich
die Strategie ausarbeiten, die dich zum Sieg führt.
Weichheit bedeutet nicht Schwäche [5],
sie bedeutet Fassen (contenere [6]),
Empfangen, Bergen. Während du den Gegner (er)fasst
(bändigst...), wirst du ihn in die Strategie, die
du kreierst, hineinlocken. Und du musst sie entsprechend
des Prinzips des "Nicht-Handelns" (non agire
[7]) gestalten. "Nicht-Handeln"
ist das Tao [8] und begründet
die unveränderliche Natur des Schachs. Versuche,
es zu ändern und es wird das Schach nicht mehr
sein. Du wirst nicht nur verlieren, sondern du wirst
nicht mal mehr in der Lage sein, zu spielen. Man kann
nicht gegen die Natur des Schachs handeln, sondern du
musst für jede Partie deine eigene Gewinnstrategie
entwerfen. Wenn du einmal die Natur des Schachs verstanden
hast und wenn du in der Lage bist, deine Strategie zu
verwirklichen, dann wird es nichts geben, wozu du nicht
fähig wärest. All dies ist ziemlich mysteriös,
aber wenn du aufmerksam darüber nachdenkst, dann
wirst du dir klar darüber werden, dass es wahr
ist. Derart formuliert, ist es sehr einleuchtend,
sagte ich, aber im Schach existieren tausende
Möglichkeiten: wie kann man sich da sicher sein,
zu gewinnen?. Genau hier beginnt die Kunst,
eine Strategie zu erschaffen, antwortete der Alte,
Die Strategie definiert sich in den kritischen
Momenten. Zöge niemand, so gäbe es kein Spiel.
Aber es genügt, dass der Gegner einen Zug macht,
denn du verwirklichst die Strategie und führst
das Spiel. Hast Du es mit einem Gegner auf hohem Niveau
zu tun, so wird es schwierig sein, die Strategie zu
verwirklichen und du wirst Niederlagen erleiden. Er
wird einen Stein verlieren, dann wirst du einen verlieren.
Zu allererst wirst du seine Attacken ablenken müssen
oder einen schwachen Punkt finden, wo du ihn festnageln
kannst. Hast Du seine Strategie einmal blockiert, so
wirst du deine entfalten. An diesem Punkte musst du
dich nicht mehr sorgen zu verlieren. Die Strategie wird
sich verändern entsprechend der Situation. Eine
Strategie erzeugt eine andere, eine Falle die andere.
Man beginnt mit einer kleinen Strategie, die aufgeht
in eine höhere. Derart müssen sie verschmolzen
sein, damit der Gegner keinen Ausweg findet. Der
Alte sagte, dass ich wüsste, Fallen zu stellen,
aber von Strategie verstünde ich nicht viel. Ich
war in der Lage eine Falle auszurechnen auf viele Züge
im Voraus, aber keine Strategie besitzend, führte
mich dies nicht zum Sieg. Jedenfalls war ich intelligent,
fügte er hinzu, und so werde ich es sicher schaffen.
Er erklärte mir, dass ich deshalb in der Lage war,
ihn zu schlagen, weil ich seine Strategie zerstört
hatte und dass es keinen Sinn gehabt hätte, weiter
zu spielen. Er sagte, dass ihm nicht mehr viel Zeit
zum Leben bliebe und dass er, da er keine Söhne
hatte, mir seine Kunst übertragen möchte.
Euere Meisterschaft im Schach ist so groß,
sagte ich, warum habt Ihr sie nicht zur Profession
gemacht?. Er seufzte und antwortete, dass die
Fähigkeiten im Schach ihm von seinen Vorfahren
überliefert wurden, die ihn allerdings auch gelehrt
haben, dass man das Schachspiel nicht zum Mittel des
Lebensunterhalts machen darf. Das Schach war ein Mittel,
die eigene Natur zu kultivieren, während das materielle
Leben diese Natur beschädigen kann. Deshalb darf
man nicht zu viel machen, um zu verdienen. Dann fügte
er hinzu, dass diese Lehren ihn benachteiligt haben,
weil er nie ein Handwerk erlernt hat, in dem er genügend
verdiente, um zu leben.
Ich hatte den Eindruck, etwas über
das Schach gelernt zu haben, und dennoch war ich ratlos:
- Aber warum gibt es diese Differenz zwischen den Prinzipien
des Schachs und denen des Lebens? – Auch ich stellte
mir diese Frage, besessen wie von einem Dämon,
befragte ich den Alten zu den Begebenheiten der Welt.
Er antwortete, dass das Schach aus einer präzisen
Zahl von Figuren besteht und einem Schachbrett mit großartigen
Möglichkeiten. Die Regeln, die dort galten, waren
immer dieselben, nur die Situationen änderten sich.
Die Spielsteine waren immer alle gut sichtbar. In den
Begebnissen der Welt statt dessen, gab es zu viele Dinge,
über die man nichts weiß. Es gibt jeden Tag
neue dazibao [9], aber wenn
man auch nur einen Teil nicht durchsehen kann, so wird
man es nie erreichen, die ganze Wahrheit zu erfahren.
Nicht alle Figuren sind auf dem Brett; es ist eine Partie,
die man nicht spielen kann" (21ff.).
Man müsste die Kraft haben, eine
solche Rede unkommentiert zu lassen. Nur das Ungenügen
kann einen weiteren Eingriff rechtfertigen: nicht das
Ungenügen der Rede, das gibt es nicht, wohl aber
unser Ungenügen des Verstehens, aber auch das Ungenügen
der Übersetzung. Diese Zeilen darf man nur im Bewusstsein
lesen, dass es sich hier um eine Übersetzung der
Übersetzung handelt, und dort, wo der Alte die
taoistischen Prinzipien erläutert und nutzt, dort
übersetzt auch er schon die klassischen Texte der
alten Meister; das sind Zhuangzi, vor allem aber –
die eingefügten Fußnoten belegten es –
Laotse. Unser Ungenügen verbietet uns, hier abschließende
Urteile zu fällen, zumal über ein uns weit
entfernte Kultur, aber darüber hinaus, ist es der
Taoismus selbst, der Urteile inhärent verbietet
(daher nur wenige weiterführende statt abschließende
Worte). Er selbst, der Taoismus – an dem Wort ist
schon der Ismus nicht stimmig – beinhaltet die
Denkfigur des Nicht-Sagen-Könnens [10].
Daher die oft paradoxale, zirkuläre, für europäische
Ohren so widersprüchliche Rede, etwa wenn der Alte
betont, von diesen Lehren, die er gerade eben noch als
höchste Form lobte, benachteiligt worden zu sein.
Und natürlich haben diese Lehren den Alten bevorteilt,
wie sie jeden Menschen bevorteilen, der sich ihrer annimmt,
es ist sogar erst diese Bevorteilung, die ihn jene Benachteiligung
begreifen lässt. Es muss und wird immer diesen
Rest Unklarheit geben; es ist überhaupt nur ernst
zu nehmen, wenn er auf das Aussprechen der Wahrheit
verzichtet, auf das Aussprechen überhaupt:
wer weiß, spricht nicht
wer spricht, weiß nicht [11]
Aber weiß denn dann Laotse nicht
etwa? Nein, denn was Laotse weiß, sagt er eben
nicht, oder anders: es sagt das Nicht-Sein und das Nicht-Handeln
und das Nicht-Sagen aus.
nicht aus dem hause gehn
doch alles wissen
nicht aus dem fenster blicken
und doch das Dau des himmels sehn
je weiter hinaus man geht
desto weniger weiß man
darum geht der weise nicht hinaus
und weiß doch
blickt nicht hin
und kann doch der dinge namen nennen
handelt nicht
und vollendet doch [12]
Das vom Alten besprochene Prinzip des
Nicht-Handelns heißt nichts anderes, als die Dinge
ihren Lauf nehmen lassen [13]
und das wiederum bedeutet durchaus nicht, nichts zu
tun (daher hier das Nicht-Handeln statt des Nicht-Tun),
sondern sich diesem Lauf eingliedern, die Bewegungen
des Laufes mitgehen und zwar so, dass dieser Lauf in
keinerlei Form beeinträchtigt wird, so als sei
man nicht präsent. Nicht-Handeln hieße dann
Als-Ob-Nichts-Tun. Das Schach spielt hierbei auf der
einen Seite nur eine verdeutlichende, also dienende
Rolle, aber andererseits ist es auch Bote der Botschaft,
Träger der Botschaft, ja die Botschaft selbst und
um so besser geeignet, da die Botschaft selbst unaussprechbar
ist. Deshalb begründet das Nicht-Handeln "die
unveränderliche Natur des Schachs", so weit,
dass im taoistischen Blick eine Zuwiderhandlung das
Schach per definitionem beendet: "Ändere es,
und es wird das Schach nicht mehr geben". Der Alte
führt hier einen ersten Begriff – so wie Aristoteles
eine Erste Philosophie – des Schachs ein! Es ist
nicht schwer zu sehen, wie weit unser heutiges Verständnis
davon entfernt ist. So wie die Erste Philosophie eine
Lebenseinstellung war und gerade kein Lehrsystem, so
ist es das Erste Schach, und so wie der moderne Philosoph
den Ersten Philosoph den Philosophenstatus abspricht [14]
, so würde es der moderne Schachspieler tun und
umgekehrt würde der Erste Philosoph heutigen Systemverwaltern
den Status aberkennen. Die Rede von der Ersten Philosophie
oder dem Ersten Schach ist natürlich nicht zeitlich
zu interpretieren, sollte allerdings jemand glauben,
damit dem Schach den philosophischen Status verleihen
zu können, dann müsste man sagen: Ja, das
Schach ist oder enthält, erst recht im Sinne des
Alten, eine Philosophie, die freilich bislang unentdeckt
blieb. Achengs Text ist meines Wissens der erste, der
diese Dimension andeutet.
In der Aussage, die "Dinge ihren
Lauf nehmen zu lassen", verbirgt sich auch, welche
vergleichbare westliche Tradition hier herangezogen
werden kann. Das ist insofern sinnvoll, als es uns das
Verständnis der chinesischen Texte zumindest erleichtert.
Es sind die Denker des Lassens, der Gelassenheit. Die
Gelassenheit ist vielleicht der einzige Begriff der
europäischen und vor allem deutschen Philosophie
– es gibt in den meisten europäischen Sprachen
gar kein vergleichbares Äquivalent -, der ähnlich
zahlreiche signifikante Aufladungen vorweisen kann wie
das fernöstliche "Tao" . Sein Konzept
vereint die antiken Denker des Kynismus und Stoizismus
– Diogenes, Seneca, Mark Aurel -, mit den christlichen
Mystikern – allen voran Meister Eckhart -, und
führt über den Pantheismus in die Neuzeit
zu Nietzsche und Heidegger, den großen Denkern
des Seins, schließlich zu einigen Denkern der
Postmoderne. dass dies alles gar nicht so weit weg von
unserem Gegenstand ist, vielmehr mit ihm vielfach verwoben,
zeigt exemplarisch die Geschichte des Begriffes der
"Einfalt", eine Eigenschaft, die wir Wang
Yisheng zusprechen mussten. An ihrer Entfaltung wird
sich klären, ob der Typus damit korrekt charakterisiert
ist. Einfalt, das kann man in jedem x-beliebigen Synonymwörterbuch
nachlesen, wird heutzutage als naiv, kindlich, bieder,
gutgläubig, harmlos, töricht bis hin zu unbedarft,
blöde und doof ... definiert.
Dagegen wurde sie bei Mark Aurel noch mit Freiheit des
Geistes, Gleichmut und Sittenreinheit, mit Tugend, Reinheit,
Würde, Natürlichkeit, Gottesfurcht und Gerechtigkeitsliebe
auf eine Stufe gestellt, im Neuen Testament als christliche
Einfalt gefeiert, selbst Paulus, der vor "Philosophen
und Stoikern" warnte, sprach verschiedentlich von
der notwendigen "Einfalt des Herzens" (Kol.
3.23; Eph.6.5). Erst in der Renaissance begann sich
der Begriff zu wandeln, nun sah man Einfalt und Torheit
(Paracelsus), Einfalt und Niedrigkeit (Agrippa), Einfalt
und Unwissenheit (Montaigne) als unlösbare Wortpaare
und nur ein pantheistischer Denker wie Spinoza beharrte
am alten Begriff und sprach von der Einfalt und Wahrhaftigkeit.
Kant schließlich komplizierte und löste zugleich
den Widerspruch auf moderne Weise, in dem er "weise
Einfalt" von "dummer Einfalt" trennte.
Und wiewohl der "König des Schachs" natürlich
zur weisen Einfalt zu zählen wäre, so bleibt
diese Trennung im chinesischen Sinne doch verfehlt;
sie ist zu kompliziert und sofern das "Eine"
in ihr aufgelöst wird, auch irrig.
In Laotses Worten:
das Dau gebar das eine
das eine gebar die zweizahl
die zweizahl gebar die dreizahl
aus der dreizahl wurde die vielzahl
der dinge vielzahl
getragen vom Yin, umfangen vom Yang
geeint werden sie durch den allumfassenden Krafthauch
[15]
Nur das eine hat direkte Verbindung zum
Tao, nur die Einfalt, nicht die heutzutage so viel gelobte
Vielfalt oder Pluralität, entspricht dem Tao, lässt
den Dingen ihren Lauf, äußert sich in einer
Gelassenheit. Das Schach selbst ist der primäre
Ort der Gelassenheit, nicht nur in ihm soll der Lauf
der Dinge gelassen werden, mehr noch, es selbst schafft
den Raum der Gelassenheit. Hier findet der wahre Spieler
die Harmonie, hier erfährt er, was es heißt,
in Harmonie mit sich selbst, mit den anderen, mit der
Natur zu leben. Das ist weniger eine Flucht als ein
Rückzug. Indem Wang spielt, entzieht er sich dem
Weltlauf - dann vergisst er alles, dann sind Gegner
Freunde – und erprobt ihn zugleich in seiner kleinen
Welt, denn für den Taoisten ist klar, dass trotz
aller Härte und Geschwindigkeit, letztendlich die
taoistischen Prinzipien siegen. Härte ist nur ein
Zeichen von Schwäche. Im China der Kulturrevolution
kommt dem natürlich auch eine politische Dimension
zu, aber man ginge wohl fehl, Wang Yisheng auf das Politische
reduzieren zu wollen. Schon im Taoismus ist stets diese
politische Komponente aktiv gewesen, da er sich seit
je als Gegenentwurf des Konfuzianismus verstand, dessen
Hauptziel das Erreichen moralischer Vollkommenheit war;
"Sittlichkeit", "Mitmenschlichkeit",
Pflichterfüllung" sind Zentralkategorien des
Konfuzianismus und wurden vom Maoismus intensiv rezipiert.
Demgegenüber vertritt der Taoismus, der zwar nicht
realhistorisch aber "astrologisch gesehen" [16]
der weite Ältere ist, einen amoralischen, einen
prämoralischen Standpunkt, er ist also grundlegender:
Jede Moral ist eine Domestikation, die versucht, das
entlaufene Tier im Menschen einzuholen, um es ins Kulturgatter
zu sperren. Das Entlaufen aber geht dem Einholen voraus;
es hat also schon immer etwas nicht funktioniert, es
hat etwas den natürlichen Lauf der Dinge verlassen,
bevor ein Moralnetz gestrickt werden kann. Wer primär
ethisch argumentiert, zu lösende Probleme unter
ethischem Paradigma anzugehen versucht, was heute, wie
die dauernde Leier vom Werteverfall ebenso wie der Ruf
nach neuen Werten hinlänglich beweist, weitestgehend
gesellschaftlichen Grundkonsens darstellt, vergisst
zumeist oder weiß noch nicht mal, dass jegliche
Ethik, jede Moraltheorie erst die Antwort, also der
zweite Schritt ist, der auf ein verlorenes Gleichgewicht
folgt. Wo die Moralweiche gestellt wird, da ist schon
etwas entgleist, da ist schon etwas schief gelaufen,
etwas passiert, das dann mit Hilfe einer Ethik wieder
in eine, wenn schon nicht seine Bahn gebracht wird,
wo ethische Paradigmen entstehen, da ist schon etwas
aus den Fugen, da muss schon reagiert werden - damit
die Fahrt weitergehen kann.
An
diesem Grundlegenden wird auch deutlich, dass ein Begriff
wie "Strategie" vollkommen anders belegt ist,
als im herkömmlichen Schachspielervokabular, er
ist wesentlich abstrakter und beinhaltet wohl eher eine
Lebenseinstellung, eine Metaphysik denn einen Plan nach
beengtem Regelwerk entsprechend bestimmter Positionsbilder.
Obwohl das Chinesische Schach noch viel eher ein Kriegsspiel
darstellt, so sind die Strategie- und Taktikbegriffe
im Verständnis des taoistischen Meisters wesentlich
weiter zu fassen als in der Kriegs- und herkömmlichen
Spieltheorie. Strategie ist ein spirituelles Konzept:
"Heute wissen alle, dass Ni Yunlun (ein Vorfahre
Ni Bins) einer der vier großen Talente der Yuan-Epoche
war, kalligrafischer Poet und ein hervorragender Maler,
aber ignorieren, dass er auch ein Schachspieler war.
Nachdem er sich zum Zen-Buddhismus bekehrte, kombinierte
er die Regeln des Schachs mit den Prinzipien dieser
Religion, womit er eine eigene Spielstrategie entwarf,
die bis auf uns gekommen ist" (53). Dies könnte
möglicherweise den wohl rätselhaftesten Punkt
in der Rede des Alten erklären, der seltsame Bezug
auf die Weisheit der alten Meister, einer Redefigur,
auf die selbst Laotse, als der schon älteste und
bekannte Meister, immer wieder zurückgreift. Hier
scheint es noch die alten Geheimnisse zu geben, uralte
Manuskripte werden an ausgewählte Schüler
weitergereicht, bestimmte Züge zur oft jahrhundertealten
Tradition gerechnet, es wird der Untergang der Schachkunst
befürchtet und nicht etwa, weil der Remistod drohe
oder die Meister sich egalisieren würden, sondern
weil die Weisheit früherer Jahrhunderte sich zu
verflüchtigen droht. Dahinter verbirgt sich ein
gänzlich unmodernes Konzept der Entwicklung.
Dieses kleine unauffällige Buch
stellt den ersten Band einer "Königstrilogie"
dar. Ihm folgten "Der König der Bäume"
(Il re degli alberi), der die Geschichte eines Mannes
erzählt, der an der Seite eines Baumes in den Bergen
aufwächst, mit diesem seelisch vereint und der
stirbt, als der Baum eines Tages in Flammen aufgeht.
"Der König der Kinder" (Il re dei bambini)
erzählt die Geschichte eines unkonventionellen
Lehrers, der seine Schützlinge bewusst ohne den
bürokratischen Lehrplan unterrichtet, um so einen
neuen Bewusstseinszustand zu ermöglichen. Alle
dieses Bücher schrieb Acheng bereits in Los Angeles,
wo er, 1949 in Peking als Sohn eines bekannten Cinematografen
geboren, seit 1979 lebt. Er gilt als ein Hauptvertreter
der neuen Generation chinesischer Autoren. Sein oft
ruhiger, märchenhafter Grundton, mit dosiertem
Pathos versehen, aber auch mit Dramatik und Ironie,
findet in der europäischen Literatur wohl nur wenige
Vergleiche; man müsste schon an den norwegischen
Nobelpreisträger Knut Hamsun, an einige Titel Ernst
Jüngers vielleicht, auch an Robert Walser erinnern,
um überhaupt vergleichende Vorstellungen zu erwecken.
Auffallend groß war sein Erfolg
in Italien, wo er den renommierten "Premio Nonino"
gewann und wo der Großteil seiner Werke in beachtlichen
Auflagen erschien. Eine englische Übertragung der
Trilogie - Ah Cheng: Three Kings – ist leider vergriffen.
Vom vorliegenden Buch gibt es meines Wissens keine deutsche
Übersetzung [17]. Sie wäre dringendst notwendig!
Acheng: Il re degli
scacchi. Vorwort von Goffredo Fofi. Einleitung von Maria
Rita Masci. Übersetzung von Maria Rita Masci. Originaltitel:
Qiwang. Roma – Napoli 1989. Verlag Edizioni theoria
s.r.l. Ausgabe: "I grandi tascibili. Giugno 1992.
86 Seiten
Ah Cheng: Three Kings. The Harvill Press. London. ISBN:
0002710331. Translator: Bonnie McDougall
--- Jörg Seidel, 14.11.2001 ---
[1]
Die wörtliche Übersetzung lautet: Maus des
Schachbrettes. Da der Begriff des "Bücherwurms"
mit "Topo di biblioteca" übertragen wird,
könnte man auch vom Wurm sprechen. Im Sinne der
Erzählung scheint mir allerdings der Begriff der
Ratte am angebrachtesten, also "Schachratte",
so wie man im Deutschen von der "Leseratte"
spricht. Um hier Klarheit zu erlangen, müsste man
den Originaltext heranziehen.
Harald Jeschke ist folgende Anmerkung zu danken: "Der
Spitzname von Wang Yisheng ist Qidaizi, was soviel wie
Schachidiot, Schachnarr bedeutet; Qi ist das Schachspiel
(Xiangqi z.B. das chinesische), und das dai in daizi
bedeutet dumm, also z.B. Shudaizi ist der Büchernarr
(oder dann eben auch der Bücherwurm, weil wir so
sagen).
[2] vgl. Wurmann, David:
Chinesisches Schach leicht gemacht. Reinbek 1993. S.
6 sowie: Chinesisches Schach. Koreanisches Schach. Frankfurt
1991. S. 7f.
[3] Der Umschlag fand wohl
bereits im klassischen griechischen Denken statt und
lässt sich anhand von Sophokles' Werk exemplarisch
nachvollziehen. Im "König Ödipus"
tritt Iokaste, Mutter und Frau des Ödipus, mit
folgenden Worten vor den Apolloaltar, zu bitten, die
selbstquälerischen Zweifel des Sohnes/Mannes zu
beenden: "Was er auch hört, es regt ihn auf,
er prüft nicht mehr, verständig wägend,
Neues am Vergangenen". (914f.)
Ödipus ist mit dem Trieb zum Wissen der "moderne"
Vertreter, der den herkömmlichen Verstandesbegriff
revolutioniert – zu seinem Unheil, wie wir wissen.
Iokaste hingegen, die mütterliche Macht, beharrt,
trotz aller Schuld, auf der bewährten, verständigen
Praxis, Neues doch am Alten zu messen. Ödipus sticht
sich die Augen aus und eröffnet damit den philosophischen
Wettlauf, der mit dem Auseinanderklaffen von Wahrnehmung
und Wahrheit formell beginnt. Um Wahrheit zu erlangen,
dienen die Sinne nach ihm nur noch bedingt, statt dessen
werden Zweifel und Methode inthronisiert. (zum Gesamtkomplex
siehe: Peter Sloterdijk: Ödipus oder das zweite
Orakel. Köln 1999)
[4] der alten Kultur, den
alten Ideen, den alten Gewohnheiten, und den alten Sitten
[5] Laotse (78):
nichts in der welt ist weicher und schwächer
als wasser
und doch gibt es nichts, das wie wasser
starres und hartes bezwingt
unabänderlich strömt es nach seiner art
das schwaches
über starkes siegt
starres geschmeidigem unterliegt
wer wüsste das nicht?
doch wer handelt danach!
[6] Bedeutungsvielfalt:
enthalten, fassen, bändigen, zurückhalten,
aufhalten, einschränken usw.
[7] das taoistische Prinzip
des wu-wei, des Nicht-Tuns, wie es in der deutschen
Literatur zumeist übersetzt wird. Im Italienischen
auch als "non-azione" (vgl. Tagliaferri: Il
taoismo. Roma 1996. S. 16)
[8] Laotse (37): das Dau
tut nichts, und nichts bleibt ungetan
[9] Plakate (die man abreißen
kann, um sie als Altpapier zu verkaufen)
[10] Laotse (14):
so nenn ich es gestaltlose gestalt
ding der nichtdinglichkeit
[11] Laotse (56)
[12] Laotse (47)
[13] vgl. Moritz, Ralf:
Die Philosophie im alten China. Berlin 1990. Seite 108ff.
[14] vgl. etwa Hegel:
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie.
Bd. 1. Leipzig 1982. S. 458 oder Habermas: Die neue
Unübersichtlichkeit. Frankfurt 1985. S. 123
[15] In diesem 42. Abschnitt
des Taoteking wird übrigens zum einzigen Male von
yin und yang gesprochen, jenen beiden Begriffen, die
im New-Age-Rummel zur wertlosen Spielmarke verkamen;
selbst "McDonald's" legitimiert seine unappetitlichen
Chinawochen mit dem yin-yang-Symbol [.
Es wundert daher nicht, dass es sich beim yin und yang
um die meistinterpretierten und meist fehlinterpretierten
Begriffe der chinesischen Philosophie handelt und es
sagt vieles, dass die beiden Begriffe Mode werden konnten,
vor allem zeigt es die moderne Hybris, die glaubt, alles
verstanden zu haben. Dieser Glaube jedoch ist der sicherste
Beweis des Gegenteils. Der Alte nutzt den Begriff häufiger
als die klassische Vorlage.
[16] Jünger, Ernst:
Sämtliche Werke. Erste Abteilung Bd. 4. Siebzig
verweht I. Stuttgart 1982. S. 141
[17] Abgesehen von einer
Teilübersetzung in der Anthologie: Die Auflösung
der Abteilung für Haarspalterei. Texte moderner
chinesischer Autoren. Herausgegeben von Helmut Martin
und Christiane Hammer. Reinbek 1991, wo Katharina Wenzel-Teuber
auf den Seiten 147-154 den Abschnitt des Blindsimultanspiels
Wangs gegen die neun Gegner unter dem Titel "Das
Tao des Schachs" aus dem Chinesischen übertrug.
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