Abigail Bosanko: Lazy Ways to Make a Living
Mögen Sie Bridget Jones? Gefällt
Ihnen "Sex and the City?" Stehen Sie auf intelligente
Comedy, auf rasendschnelle Dialoge? Dann werden Sie
von diesem Buch begeistert sein!
In ihrem Erstling entfacht Abigail Bosanko
ein wahres Ideenfeuerwerk, das um so mehr überwältigt,
als der berühmte erste Eindruck einmal mehr trügt.
Was die Verlagspräsentation verspricht, sind jede
Menge Schmalz, Herz und Schmerz. Und tatsächlich,
das Buch trieft; man kann fast jene verstehen, die das
unerträglich finden. Aber sie werden dem Buch durchaus
nicht gerecht, denn es hat außerdem fast alle
Zutaten, die ein gelungenes Buch heutzutage braucht:
es ist wohlkonstruiert, intelligent strukturiert, es
ist konsistent, sehr flott und abwechslungsreich geschrieben,
frisch, frivol und unglaublich lustig. Was zählen
da noch scheinbar unerträgliche Klischees - sie
können in diesem Kontext doch nur selbstironisch
gemeint sein. Man muss schon ein sehr verbitterter Leser
sein, wenn man sich an derartigen Oberflächlichkeiten
aufreibt.
Rose Budleigh, die mittlere dreier hellwacher
und bildhübscher Schwestern, übt den ungewöhnlichen
Beruf einer Lexikographin aus und so herausragend sie
im Fache sein mag, ein so seltenes Interesse kann keinen
allgemein anerkannten Erfolg bringen. Sie lebt in der
zurückgezogenen akademischen Welt der Sprache und
Etymologie, aus der sie durch die große, die ganz
große Liebe herausgerissen wird. Jamie, ein einstiger
Schachturniergegner - man lernte sich (aufregender geht
es kaum) bei einem zünftigen Königs- und Muziogambit
kennen - scheint die Verwirklichung aller Träume
zu sein, solange zumindest bis eine zu lang verheimlichte
Lüge zu Tage tritt. Als der Traum vorüber
ist, regiert das blanke Chaos in Roses Gefühlsleben.
Über tausend Umwege versuchen die beiden Liebeskranken
wieder zueinander zu finden und verfehlen sich doch
beständig. Es gibt überhaupt nur noch zwei
Konstanten in ihrem Leben: die Liebe und das Schach
- die man gut und gerne auch zusammenfassen kann. Rose
übersetzt Liebe in Schach und Schach in Liebe und
das ist weiß Gott nicht der schlechteste Übersetzungsfehler,
den man machen kann. Er enthält nicht nur die Liebe
zum Schach, sondern auch eine tiefe Wahrheit über
beides: die Liebe und das Schach. Fast immer, wenn sie
ihre innigsten Gefühle zur Sprache bringt, greift
Rose auf Schachbegriffe, -analogien und -allegorien
zurück und gelangt durch diese Gleichstellung zu
sehr originellen Aufschlüssen.
"One of the reasons I like the game
is because everything is visible. No secrets, no hidden
cards, no deception. There is nothing but the truth
of the position. - How do you explain a discovered check,
then? - Check is the truth of the position. It's only
a discovered check if you didn't see it coming"
(130f.)
"
theatre, chess, music and
sex. All the things I care for in life require a perfect
sense of timing" (88).
Damit erschöpft sich die Rolle des
Spiels nun keineswegs, denn es webt auch gestalterisch
den roten Faden und findet zahllose weitere Referenzen,
ohne je aufdringlich im Vordergrund zu stehen, aber
dieser ausdrucksstarke Liebes-Schach-Gedanke glänzt
von allen am hellsten.
"Falling in love meant gambling
everything on a piece of hopeful speculation" (92).
"Compromise is what makes a marriage
work. Sacrifice is what makes it last.
When does
a compromise become a sacrifice? When you don't get
something of equal value in return. Think of Exchanges.
When you surrender a piece, you might well be
compromised. Obviously, you've made a sacrifice, but
if it turns out you win you can call it a gambit"
(258f.).
um nur zwei Beispiele zu geben.
Will man dieses quicklebendige Werk auf
eine Formel bringen, dann bietet sich die werkeigene
vielleicht am besten an: "a passionate chess-sex-cash
tryst". Kann so eine Geschichte denn anders als
mit einem peinlichen Happy End schließen?
Abigail Bosanko schreibt wie Bob Ross
malt: sie macht die Dinge so kinderleicht aussehend;
alles scheint schnell hingeworfen und ergibt zum Abschluss
doch ein täuschend echtes, farbenfrohes, lebendiges
Bild, das man fast für ein Kunstwerk hätte
halten können. Dabei ist alles nur Handwerk, aber
perfekt beherrschtes. Bosanko is a natural.
Dem Genre mag man, will man sich zu einer
numerischen Bewertung herunterlassen, fünf von
zehn Punkten geben, das Buch jedoch, in jenen Grenzen,
verdient die volle Punktzahl.
Abigail Bosanko: Lazy Ways to Make
a Living. London 2002. 314 Seiten
Das Buch ist unter dem Titel " Weiße Dame
setzt auf Liebe " auch auf Deutsch erschienen.
--- Jörg Seidel, 08.09.2004 ---
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