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LITERATUR
30. September 2005

Geheimnis der 7 Schachfiguren

Sieben Schachfiguren!
Sie mußten irgendeine Bedeutung haben, überlegte sie.
Eine Schachaufgabe?


Lesley Chase’ jugendliche "Detektivin Jill Graham" bedient die Erwartungen und Träume pubertierender Mädchen, die sich nicht mit Pferde- oder Ballettgeschichten abspeisen lassen wollen. Obwohl: Das Pferd im Stall darf trotzdem nicht fehlen.

Dabei ist die Heldin schon 18 Jahre alt – im England der 70er hätte man sie sonst nicht mit einem befreundeten Mann gemeinsam Abenteuer bestehen lassen können. Ihre Träume sind auch noch ganz unschuldig, romantisch, naiv, von Abenteuern, Rittern und Prinzessinnen. In heutigen Träumen zeitgenössischer Girls würde das Wort "sexy" sicher nicht fehlen. Die Naivität und unterschwellige Prüderie macht nicht zuletzt einen gewissen Reiz dieses Jugendbüchleins aus.

Es ist nicht ihr erster Fall, der mit den geheimnisvollen Schachfiguren, die ihr nach und nach anonym zugesandt werden. Erst der weiße Springer, dann der schwarze Läufer und schließlich noch Turm, Dame König und Bauern. Jede der Figuren trägt eine Nummer unter dem Sockel. Was soll es bedeuten? Jill beginnt erfolglos zu grübeln. Kann es Zufall sein, dass sie ausgerechnet jetzt von zwei zwielichtigen Gestalten beschattet wird? Haben die beiden, Mann und Frau, mit den Figuren zu tun? "Hatten diese kleinen Schachfiguren vielleicht irgendeine verborgene Bedeutung?" Die halbe Geschichte besteht aus derartigen Fragereien, das halbe Buch beschäftigt sich mit solchen Grübeleien. "Sie grübelte und grübelte und drehte sich doch nur im Kreis und kam zu keinem Ergebnis. Unaufhörlich war sie auf der Suche nach einem neuen Gesichtspunkt. Immer wieder kam sie zurück auf die Schachfiguren. Sie bildeten den Mittelpunkt des Rätsels." Das – das ständige Kopfzerbrechen, die zahllosen Fragezeichen - soll Spannung schaffen und halten, wo wenig passiert, das soll aus einer etwas dünnen Geschichte ein Buch machen. Und es funktioniert sogar, nicht besser oder schlechter als bei anderen Mädchenromanen; der andauernde Verkaufserfolg solcher Softgeschichtchen spricht eine eigene Sprache.

Diesmal müssen eben ein paar Schachfiguren herhalten, den roten Faden zu imitieren. Tatsächlich nämlich gibt es überhaupt keinen Grund, besagte Spielsteine mit den dubiosen Gestalten und später gar mit alten Spionagegeschichten, Geldschätzen etc. in Verbindung zu bringen. Aber diese Leseklientel fragt nicht nach Unstimmigkeiten im Plot, sondern nach Stimmigkeiten im Abenteuer- und Seelenleben. Am Ende ist fast alles dabei: Polizei, Geheimdienst, Entführung und Schatzsuche, Einbrecher und einstige Nazi-U-Boote. Schließlich gehen ihr die ersten Dinge auf:

"Anfang? Um ein Schachspiel anzufangen, braucht man ein Schachbrett, und so ein Schachbrett hat viele Quadrate. War das vielleicht wichtig? Wenn ja, so leuchtete es ihr nicht ein."

…Noch nicht, denn wenig später verrät ihr ein Schachtraum die wichtigsten Zusammenhänge:

"Sie träumte, daß Sandmouth ein großes Schachbrett geworden war und daß sie in wilder Panik von einem Quadrat zum anderen rannte, auf der Flucht vor riesigen Schachfiguren. Und während sie noch lief, verwandelte sich das Schachbrett in eine Landkarte, und die führenden Schachfiguren, ein König und eine Dame hatten sie gefangen…"

Sie braucht nun nur noch auf die Stimme des Unbewußten hören und zack ist das Geheimnis gelöst und erneut kann ein pubertierendes Mädchen insgeheim aufstöhnen, zufrieden lächelnd das Licht der Nachttischlampe löschen und selbst beginnen von Abenteuern, Pferden und Prinzen zu träumen.

Man kann diesen Mädchen von der Lektüre solcher Bücher kaum abraten, irgendwann haben sie selbst genug, aber wenn es denn schon sein muß, warum nicht mal eines mit dem eher seltenen Motiv des Schachspiels probieren?

Lesley Chase: Detektivin Jill Graham: Geheimnis der 7 Schachfiguren. Balve 1982
Lesley Chase: The Puzzle of the Seven Chessmen. 1976

 

--- Jörg Seidel, 30.09.2005 ---


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