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This Crazy World of
Chess – Maybe!
This reminds
me of an old joke about the difference between a diplomat
and a lady: If a diplomat says "yes, it means
maybe. If a diplomat says "maybe, it means
no. If a diplomat says "no, hes no
diplomat. If a lady says "no, it means maybe.
If a lady says "maybe, it means yes. If a
lady says "yes, shes no lady.
Larry Evans
Wahrer Glaube braucht den Zweifel, nur
im ultraskeptischen Bedenken [1]
kann sich religiöse Hingabe bewähren –
alles andere ist Alter-Oma-Glaube oder Gebrauchs- und
Fertigreligion. Jedes ernst zu nehmende Glaubenssystem
kennt mindestens ein Werk, das seine Existenz durch
den absoluten Widerspruch legitimieren kann. Larry Evans
will dieser Antichrist sein, sein neuestes Buch verspricht
mit messianischer Geste vollmundig dieses für die
Schachwelt noch fehlende Schlüsselwerk darzustellen,
es preist sich selbst als "the most controversial
book on chess ever written" an und verspricht dem
Leser das ultimative Blasphemieerlebnis: "After
reading this book, youll never look at chess the
same way again!"
In 101 Artikeln will er die Welt des
Schachs bloßlegen, aber schon Nummer 1, ein bislang
unveröffentlichter Brief Fischers, der schon wegen
seiner gestelzten Sprache wenig authentisch wirkt, sollte
eine Bombe vorstellen und zündet nicht. Es folgen
in schnellem Fluss verschiedene Fischer-Memorabilia
sowie Kasparow-Devotionalien und daraufhin mündet
es im Mittelteil in ein Happy-FIDE-slapping (zum Drogenthema
und über strukturelle Inkompetenz), das zweifelsohne
straffrei ausgehen sollte, verrinnt danach in diverse
Interviews und mindere Artikel über verschiedene
Betrugsphänomene im Turnierschach, und mäandert
zu guter Letzt in viele kleine unschuldige Geschichtchen
und Anekdötchen aus, die vom marktschreierisch
verkündeten Anspruch so weit entfernt sind wie
der Big Bang von der Milchstraße. Es geht eigentlich
nur um Skandale und Skandälchen, Intrigen und Kabale
auf dem kleinen Schachplanet, der in weiten elliptischen
Bahnen den Stern Wirklichkeit umkreist. Das meiste davon
ist noch nicht mal Anti-, sondern Pro-Chess, vor allem,
wenn es um den pädagogischen Wert des Schachspiels
geht. (Hier hakt auch die Politik ein und wenn wir Evans
glauben können, so dürfte sich der mutmaßlich
nächste Präsident der USA – Barack Obama
– in die Reihe der Schachliebhaber einreihen; das
ist nach dem jetzigen doch auch schon was – for
a CHANGE.)
Die eigentliche Perle unter den Glossen,
die nichts anderes sind als wieder abgedruckte Zeitschriftenartikel,
dürfte ausgerechnet der einzige Nichtschachtext
sein, ein Alltagsbericht während des Länderkampfes
der USA in der UdSSR 1955, wo Evans sich als aufmerksamer
Beobachter erwies und erstaunt die Wahrnehmungsunterschiede
der sowjetischen von der amerikanischen Bevölkerung
aufzeichnete und nebenbei ein kleines historisches Dokument
fabrizierte.
Zeitungsartikel sind in der Regel und
im günstigsten Falle lediglich informativ und auch
das nur, solange sie aktuell sind. Das lässt sich
über die hier vorliegenden Aufsätze kaum sagen;
zudem verlangen sie oft Insiderwissen und es ist schwer
abzusehen, wie ein Leser, der nicht schon in die szeneinternen
Tücken eingeweiht ist, mit all den Namen, Orten,
Daten umgehen soll. Zu allem Überdruss wimmeln
die Beiträge – eben ihres Pressecharakters
wegen – vor zahllosen Wiederholungen.
Ist es nun gelungen oder nicht? Kurz
und gut, das Beste, was man zu diesem Buche sagen kann,
bleibt: Es ist ein ideales Klo-Buch, bedingt unterhaltsam
und lehrreich für die tägliche Fünf-Minuten-Terrine.
Wollte man diplomatisch darauf antworten, so müsste
die Antwort wohl lauten: Maybe!
Larry Evans: This Crazy World of Chess. New York 2007
--- Jörg Seidel, 20.02.2008 ---
[1]
d. h. entweder in der Mystik: Meister Eckhart vollbrachte
das Kunstwerk durch völliges Eingehen in Gott,
diesen selbst abzuschaffen, auf ihn verzichten zu können
oder im Pantheismus: Spinoza annullierte Gott, indem
er ihn zugleich zur Natur erhöhte und degradierte.
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