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LITERATUR
7. Januar 2003

Tanya Jones: "Trotter's bottom"

The idea of competitive chess was gruesome, involving, she was sure, ritual humiliation of an intensity unknown outside the more barbaric rites of cannibals or American college students.

Tanja Jones


Eigenartiges Buch – kommt als Krimi daher und entpuppt sich als Komödie, wenn nicht als Klamauk. Stilistisch schwankt es wild hin und her, von Shakespeare bis Miss Marple, von der Volkskomödie zum Gesellschaftsgemälde. Ein gutes Buch? Ein schlechtes Buch? Keine Ahnung! Auf jeden Fall jede Menge "fun", mitunter zur Last, meist zur Lust.

Zhukowsky, ein ausgedienter russischer Großmeister, glaubt seine englischstämmige Frau ermordet. Im biederen Kleinstädtchen Rambleton, wo die Menschen sich als "Rambletonians" definieren, ein unerhörter und unerwünschter Vorfall. Lediglich Ophelia O., alias Oliver, Anwältin, Mutter von sechs Kindern und vieles mehr, schenkt dem Glauben und "recherchiert", d.h. sie schlittert von einer Kalamität in die andere. Jede davon ist Teil einer eigenen kleinen Geschichte mit vielen vielen Personen – das Ganze soll wohl eine Art impressionistisches Gemälde werden, dessen Gesamtheit sich erst aus größerer Betrachterdistanz vereinigt und geht am Ende vielleicht sogar auf, wenn sich (fast) alle beteiligten Personen – die hundertjährige Nonne wie der Dorftrottelpolizist, der Großmeister und der Mörder, der biedere Advokat und der Kriegsveteran und zig andere – beim Schachturnier treffen, wo – gut shakespearianisch - die Bombe platzt, im wahrsten Sinne des Wortes, die Sau, die zu allem Übermaß auch noch eine Rolle spielt, rausgelassen wird.

Überall in diesem Tohuwabohu, in diesem liebevoll-hausfraulichen Erzählstrickwerk, wo kein Mensch mehr kapiert, ob alle gesponnen Fäden aufgenommen und welche Maschen stillschweigend fallengelassen wurden, taucht das Schach auf, nicht selten um einen Lacher beizusteuern. Das Grundmuster ist schwarzweiß kariert. Da gibt es:

- "chess groupies" (" would never give their love to any men less than International Master" – good news für IM’s aufwärts),

- sinnige Diskussionen um Frauenschach (denn Frauen sind so gut in vielen wichtigen Dingen! Zum Beispiel? Eh, Err…zum Beispiel Schach! Oh Schach, wir sprachen über wichtige Dinge!),

- da gibt es hasenfüßige Halbgenies, die nach vernichtender Niederlage nie wieder spielen wollen und sich stattdessen mit obigen Schachgroupies umgeben und für drittrangige Schachmagazine schreiben,

- oder aber Schachmachos ("Blackburn was a man… a real man. Drank like a man, fought like a man, played chess like a man. No wonder the nebbichs couldn’t stand him. … If a man’s not got the stamina to spend all night across the chess board, he’s no business calling himself a chess player at all” (201),

- da hat Ophelia sogar ein mystisches Schacherlebnis ("She looked down the tables towards her daughter, and was struck suddenly by the hundreds of pieces, and thousands of squares, no board showing the same position, each pawn poisoned or active, the servant of it’s masters skill, hazard or inattention. For a moment she saw what Mother Thérèse had meant by ‘the Dance’, felt herself caught up by the magic of the ancient game, dizzied by the forces of will, desire and intellect which were concentrated in the tiny figures”; 284).

- vor allem aber gibt es jede Menge schalkhafter Dialoge: "Interested in chess? A pretty girl like you?" undsoweiterundsofort.

Wie kann es auch anders sein, in einem Buch, das Kapitelüberschriften wie "An English Opening", "The Moscow Variation" oder "The Corkscrew Countergambit" trägt? Irgendwie löst sich dann, über "Opening Preperation" und "Bishops Ending" alles auf, der Schandtäter wird entlarvt und mit ihm viel prototypische englische Spießbürgerlichkeit; dies alles während besagten Superturniers, über das die Enkel noch berichten werden. In der Autorin Worte: "…required close inspection and a degree of lateral thinking which was, thankfully, quite common among chess players". Derart eben sind die Späße und davon gibt es satt.

Es ist wahr: Tanya Jones hat außergewöhnlichen Sinn für Humor und sie ist ein schriftstellerisches Talent - wie der "Peterborough Evening Telegraph" schrieb – auch wenn beides in diesem Buch mitunter durchgeht. Sie hätte mit Sicherheit mehr Erfolg, wenn sie sich gelegentlich zügeln könnte, vor allem aber wenn "The Daily Telegraph" so über sie urteilen würde. Da die Autorin mit ihren drei Ophelia O.- Romanen noch kaum jemandem bekannt sein dürfte, bleibt dieses unglaublich schnelle, witzige Buch – das man allerdings nur mit einem guten Dictionary bewaffnet lesen kann (viel Slang!) – ein kleiner Geheimtipp.

(Tanya Jones: Trotter’s bottom. Headline Book Publishing. London 1997. 314 Seiten)
http://www.twbooks.co.uk/authors/tanyajones.html

 

--- Jörg Seidel, 07.01.2003 ---


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