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Tanya Jones: "Trotter's
bottom"
The idea of competitive chess was gruesome, involving, she was sure, ritual humiliation of an intensity unknown outside the more barbaric rites of cannibals or American college students.
Tanja Jones
Eigenartiges Buch – kommt als Krimi daher und entpuppt
sich als Komödie, wenn nicht als Klamauk. Stilistisch
schwankt es wild hin und her, von Shakespeare bis Miss
Marple, von der Volkskomödie zum Gesellschaftsgemälde.
Ein gutes Buch? Ein schlechtes Buch? Keine Ahnung! Auf
jeden Fall jede Menge "fun", mitunter zur Last, meist
zur Lust.
Zhukowsky,
ein ausgedienter russischer Großmeister, glaubt
seine englischstämmige Frau ermordet. Im biederen
Kleinstädtchen Rambleton, wo die Menschen sich
als "Rambletonians" definieren, ein unerhörter
und unerwünschter Vorfall. Lediglich Ophelia O.,
alias Oliver, Anwältin, Mutter von sechs Kindern
und vieles mehr, schenkt dem Glauben und "recherchiert",
d.h. sie schlittert von einer Kalamität in die
andere. Jede davon ist Teil einer eigenen kleinen Geschichte
mit vielen vielen Personen – das Ganze soll wohl
eine Art impressionistisches Gemälde werden, dessen
Gesamtheit sich erst aus größerer Betrachterdistanz
vereinigt und geht am Ende vielleicht sogar auf, wenn
sich (fast) alle beteiligten Personen – die hundertjährige
Nonne wie der Dorftrottelpolizist, der Großmeister
und der Mörder, der biedere Advokat und der Kriegsveteran
und zig andere – beim Schachturnier treffen, wo
– gut shakespearianisch - die Bombe platzt, im
wahrsten Sinne des Wortes, die Sau, die zu allem Übermaß
auch noch eine Rolle spielt, rausgelassen wird.
Überall in diesem Tohuwabohu, in
diesem liebevoll-hausfraulichen Erzählstrickwerk,
wo kein Mensch mehr kapiert, ob alle gesponnen Fäden
aufgenommen und welche Maschen stillschweigend fallengelassen
wurden, taucht das Schach auf, nicht selten um einen
Lacher beizusteuern. Das Grundmuster ist schwarzweiß
kariert. Da gibt es:
- "chess groupies" ("
would never give their love to any men less than International
Master" – good news für IMs aufwärts),
- sinnige Diskussionen um Frauenschach
(denn Frauen sind so gut in vielen wichtigen Dingen!
Zum Beispiel? Eh, Err
zum Beispiel Schach! Oh Schach,
wir sprachen über wichtige Dinge!),
- da gibt es hasenfüßige Halbgenies,
die nach vernichtender Niederlage nie wieder spielen
wollen und sich stattdessen mit obigen Schachgroupies
umgeben und für drittrangige Schachmagazine schreiben,
- oder aber Schachmachos ("Blackburn
was a man
a real man. Drank like a man, fought
like a man, played chess like a man. No wonder the nebbichs
couldnt stand him.
If a mans not
got the stamina to spend all night across the chess
board, hes no business calling himself a chess
player at all (201),
- da hat Ophelia sogar ein mystisches
Schacherlebnis ("She looked down the tables towards
her daughter, and was struck suddenly by the hundreds
of pieces, and thousands of squares, no board showing
the same position, each pawn poisoned or active, the
servant of its masters skill, hazard or inattention.
For a moment she saw what Mother Thérèse
had meant by the Dance, felt herself caught
up by the magic of the ancient game, dizzied by the
forces of will, desire and intellect which were concentrated
in the tiny figures; 284).
- vor allem aber gibt es jede Menge schalkhafter
Dialoge: "Interested in chess? A pretty
girl like you?" undsoweiterundsofort.
Wie
kann es auch anders sein, in einem Buch, das Kapitelüberschriften
wie "An English Opening", "The Moscow
Variation" oder "The Corkscrew Countergambit"
trägt? Irgendwie löst sich dann, über
"Opening Preperation" und "Bishops Ending"
alles auf, der Schandtäter wird entlarvt und mit
ihm viel prototypische englische Spießbürgerlichkeit;
dies alles während besagten Superturniers, über
das die Enkel noch berichten werden. In der Autorin
Worte: "
required close inspection and a degree
of lateral thinking which was, thankfully, quite common
among chess players". Derart eben sind die Späße
und davon gibt es satt.
Es ist wahr: Tanya Jones hat außergewöhnlichen
Sinn für Humor und sie ist ein schriftstellerisches
Talent - wie der "Peterborough Evening Telegraph"
schrieb – auch wenn beides in diesem Buch mitunter
durchgeht. Sie hätte mit Sicherheit mehr Erfolg,
wenn sie sich gelegentlich zügeln könnte,
vor allem aber wenn "The Daily Telegraph"
so über sie urteilen würde. Da die Autorin
mit ihren drei Ophelia O.- Romanen noch kaum jemandem
bekannt sein dürfte, bleibt dieses unglaublich
schnelle, witzige Buch – das man allerdings nur
mit einem guten Dictionary bewaffnet lesen kann (viel
Slang!) – ein kleiner Geheimtipp.
(Tanya Jones: Trotters bottom.
Headline Book Publishing. London 1997. 314 Seiten)
http://www.twbooks.co.uk/authors/tanyajones.html
--- Jörg Seidel, 07.01.2003 ---
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