Peggy Nicholson: Checkmate
Chess robbed
him of everything. He sacrificed everything else in
his life for one single-minded purpose.
A grandmaster,
like Richard he would see five, six, seven moves ahead
of where he was playing at any point in a chess game.
And in life? She wondered.
An kaum einem Ort erwartete man eine
Hasstirade gegen das "Königliche Spiel
weniger als in einer gewöhnlich harmonietriefenden
Liebesschnulze. Und doch! Hier stehts! Als die
liebende und noch sehr attraktive und noch wirklich
gut im Saft stehende junge Mutti mit dem seltsam lächerlichen
Namen "Coffee" von einem Fremden erfährt,
der gerade mit ihrem neunjährigen Sohne "ein
Spiel, ein Brettspiel" spiele, da schreit es in
angstvoller Hysterie ganz plötzlich in ihr auf
und aus ihr heraus:
"A game. There was only one game
she feared
Chess
It sounded like
the hiss of the river, black water on icy rock.
Und sie erinnert sich:
"The look on the Russians
face had been fear – a fear so deep, so physical,
that her own stomach had twisted with pity and revulsion.
They called this a game? No one should be made to feel
such fear!
"And wasnt that what chess
was all about – the ruthless and systematic removal
of your opponents choices until he was driven
to the final square of his defeat?
Und sieht darin eine
"
dark seductive world of combat
and obsession. Death in miniature, meted out on a black
and white checked battlefield.
Und gesteht sich:
"I hate chess because it makes
a person narrow-obsessive.
"Im tired of game players.
Im tired of games.
Und fasst schließlich zusammen:
"Because although the word chess
brought an innocent pastime to mind to most people,
to Coffee Dogan it mean something else entirely. Shed
not let it destroy her son.
Diese erschütternde Szene, von der
hier nur wenige Ausschnitte gegeben wurden, spielt sich
in einem idyllischen Urlaubsort in den schneebedeckten
nordamerikanischen Bergen ab, wo nur vergnügungssüchtige
Touristen sich verlaufen, wo man glücklich sein
kann und die Wunden der Vergangenheit zuheilen. Und
dann taucht dieser Mann auf, Dodge Phillips, und spielt
mit dem unschuldigen Kinde ausgerechnet Schach und sieht
auch noch verdammt gut aus und passt doch eigentlich
so ausgezeichnet, mit seiner breiten, behaarten Brust,
den dunklen Haaren und schwarzen Augen, zur liebesentwöhnten
blondmähnigen Coffee, die so lange, so verflucht
lange schon nicht mehr den Duft eines prächtigen
Mannsbildes freudvoll einsaugen durfte. Alles könnte
wie im Märchen sein, wäre er doch nicht ausgerechnet
– Schlimmeres kann man sich nicht denken –
Schachgroßmeister: "rating 2520, if that
means anything to you".
Coffee weiß Bescheid. Schon einmal
hat sie das alles durch, als sie noch mit Richard verheiratet
war, mit Richard Dogan, dem Richard Dogan, dem
einstigen Schachweltmeister, der in seinem Leben nur
eines kannte – Schach -, der nie lachte, der selten
nur da war und der sich schließlich, nach dem
Gewinn des höchsten Titels, offenbar des Lebenssinns
beraubt, in die Berge zum Sterben begab.
"The game that had stolen all Richards
joy in life, and had than taken his life".
Nun bedroht es den Sohn, dessen tief
eingewurzelte Schachinstinkte unüberlegt geweckt
wurden:
"Jeffie had already moved into
danger – had been placed in terrible danger by
this meddling stranger! For three long years, since
the death of her husband, Coffee had kept Jeffie save
from chess. Shed thrown out every chessboard
in the house, had locked all the scrapbooks of Richards
victories away in the attic along with his trophies.
Shed forbidden Maureen, Richards own mother
from even saying the fatal word in Jeffies presence.
And now this stranger had opened the door she thought
shed locked forever.
"A shaft of pure terror shot through
her. Phillips reopened the Pandoras box of Jeffies
terrible craving for chess.
Man greift wohl nicht zu weit, hinter
beiden Masken, der des Vaters und des Sohnes, die mythische
Gestalt Bobby Fischers - zu Beginn und nach dem Ende
seiner Karriere - zu sehen, und muss Peggy Nicholsons
literarische Verarbeitung des auf menschlicher Tragödie
beruhenden Schachmärchens als Bedauern und Bemitleiden
dieses kümmerlichen-genialen Geistes begreifen
[1].
Dodge Phillips jedenfalls kam, die Biographie
des legendären Richard zu schreiben und Informationen
aus erster Hand zu sammeln; fast nebenbei infiziert
er dabei den Jungen mit dem tödlichen Schachvirus.
Wen wunderts also, dass Coffee den Fremden so
schnell als möglich wieder loswerden möchte,
um die verlorene Seele des Kindes erneut zu retten?
Aber Dodge lässt sich nicht abspeisen, er will
die Story, er will das Buch und – er will das aufkeimende
Genie des Wunderknaben entfalten. "Cant you
see that?", fragt er die machtlose Mutter, "Its
in his blood. You try to lock the talent up inside of
him, and Jeffs going to ex-plode". Tatsächlich,
alles was Jeff von nun an denkt ist Schach! Und auch
Coffee, aus ganz anderem Winkel, sieht plötzlich
an allen Ecken und Enden nur noch bedrohliche Schachmuster
und -symbole. Der doppelte Grundkonflikt ist entwickelt.
Hinzu kommt noch Anke, die blonde Deutsche mit ihrem
blonden Kind, von der man früh schon ahnt, welche
Rolle sie spielt - Richards heimliche Turnierliebe –
und wozu sie dient: dem unausweichlichen Happy End aller.
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Alle Sinne ziehen Coffee hin zu diesem
Mannesmagnet (weiß die Autorin etwa nicht, dass
ein attraktiver, muskelgestählter, braungebrannter
Schachgroßmeister fast eine contradictio in adjectio
ist?) und doch stoßen alle rationalen Überlegungen
von ihm ab. Ursache und Austragungsfläche dieses
inneren Zwistes ist, wir wissen es nun, das teuflische
Spiel, welches Coffee fürchtet wie die Pest, wie
der Teufel das Weihwasser, wie der Vampir den Knoblauch.
Schachspieler in ihren schönen Augen sind Aussätzige,
leblose Monster, die ihr einst warmes Herz beim Schachmichel
gegen den kalten Erfolg hingaben. Dem Erfolg wurde auch
die frühe Liebe und Ehe geopfert und nun droht
der Sohn der Schachhölle geopfert zu werden. Zuviel
für Coffee: "No, you cant have him.
Ive given one to chess, Ill not give another".
Doch sie kämpft gleich gegen drei starke Ströme
an: die Beharrlichkeit Dodges, der nicht eher
Ruhe geben wird, bis er alles über Richard weiß,
und die plötzlich erwachte Schachliebe des Kindes,
das bald schon nicht mal mehr ein Brett braucht, um
das vermaledeite Spiel zu spielen; am schlimmsten fast
ist die Sehnsucht
. Ihr Verstand entscheidet sich
für das Wohl des Jungen, ihr Herz will den Mann.
Sie wird zu Kompromissen gezwungen und ist im doppelten
Sinne verloren, gewinnt aber in einem plötzlichen
Anfall von Erleuchtung beides. Es folgen heiße
Liebe auf kaltem Schnee und Einsicht in die prinzipielle
Verträglichkeit von Schach und Leben. Man muss
nur die richtige Mischung finden, die ganze Weite des
kulturellen Spektrums eröffnen.
"I want him to have friends, a wide
range of interests. I dont want him to live like
a little racehorse in blinkers, only able to see and
breathe and think one thing. Theres so much more
to life than just chess.
Das Buch ist aber besser als man an dieser
schnulzigen Stelle hätte vermuten können,
denn nach diesem scheinbaren Glückshöhepunkt
folgt ein unerwarteter erneuter Einbruch, der, auch
wenn er sich als nur vorübergehend entpuppt und
am glücklichen Ende nichts ändert, dem Machwerk
doch eine gewisse literarische Würde verleiht.
Mitten im scheinbaren Glück beginnen die beiden
unverbesserlichen Schachfanatiker eine Blindpartie,
die Coffee das Rückgrat zu brechen droht: "Anger
didnt replace grief, it combined with it in a
lacerating emotion that tore at her throat.
This was what Ive been afraid of since the minute
you set foot in this town. Youre ruining everything!
Now will you please, please, please get out of
our lives, and let me start picking up the pieces?"
Es bedarf noch der Beinahe-Katastrophe
und deren konzertierte Überwindung, um das Dilemma
– das Spiel zu hassen, den Spieler zu lieben –
zumindest aushalten, später auch – glücklich
verheiratet, erneut schwanger, stolz auf den erfolgreichen
Sohn – überwinden zu können. Am Ende
wird sogar das Schach vom schrecklichen Verdacht entlastet,
tödlich sein zu müssen. Richards vermuteter
Selbstmord entzaubert sich als unglücklicher Unfall
und hinter seiner leblosen Maske wurde das lebende Herz
wenigstens postum sichtbar. Jeder bekommt – ein
untrügliches Zeichen der Trivialliteratur –
etwas ab vom großen Glückskuchen.
Doch
enthebt dies das Schach der Verantwortung? - so muss
man sich nach der Lektüre des Frauenromans fragen.
Der Erzähllogik folgend muss die Antwort, trotz
Friede-Freude-Eierkuchen, deutlich "Nein!"
lauten, denn es hätte das Schach sein können,
denn es liegt tatsächlich in der Macht des "mächtigen
Spiels", wenn es denn in die falschen Finger und
ungeeigneten Köpfe gerät, zu verderben und
zu verwüsten. Dies thematisiert zu haben ist nicht
das geringste Verdienst von Soapautorin Peggy Nicholson,
deren Groschenroman "Checkmate" somit direkt
an die vorderste Front der Schachbelletristik marschiert.
Und über eines darf man sich bei diesen Trivialautoren
gewiss sein: sie verstehen, ganz im Gegenteil zu den
meisten schreibenden Schachspielern, ihr Handwerk.
Peggy Nicholson: Checkmate. Harlequine
Romances 1993 (Mills&Boon. Richmond 1993). 187 Seiten
http://www.cora.de/cora/cora_cms.nsf/authors/CMSBDFC91AD3242ACF1C1256D4F003A9FA0?
OpenDocument&refDoc=autoren#bio
http://www.eharlequin.com/cms/authors/authorDetail.jhtml?authorID=392
--- Jörg Seidel, 06.01.2004 ---
[1]
vgl. die Lesart Reuben Fines: Bobby Fischer's Conquest
of the World's Chess Championship. New York 1973
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