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POLEMIK
22. August 2002

Ist Schach ein sauberer Sport?

"Who is the most irritating opponent you have faced?" - "I've played a few people who've used Tiger Balsam to excess during the game, and discovered that there are some smells that can literally knock you out at such close distance."
Peter Swidler

 

Wer schon mal Rugby bei englischem Wetter gesehen hat, der weiß, was ein dreckiger Sport ist, und wer schon mal Wasserball spielte, der weiß, was ein sauberer Sport ist; so porentief rein wie nach einer Stunde Gewühle im Wasser wird man sich selbst nach einer ausgedehnten Duschlektion nicht fühlen. Dabei gehört es zu den contact-Sportarten, die den non-contact-Sportarten, eben durch den körperlichen Kontakt mit dem Gegner, an Sauberkeit von vornherein unterlegen sind.

So gesehen dürfte das Schach zum Inbegriff des sauberen Sports geworden sein, denn vom anfänglichen und meist auch abschließenden Handschlag abgesehen und vielleicht noch einigen ungewollten, meist sanften Fußtritten, gibt es keine körperliche Berührung, sollte es zumindest nicht geben. Aber ist das Schach, aus rein hygienischer Sicht, tatsächlich so sauber? Und kann man Kontakt nur als taktil definieren? Allein schon der feuchtwarme Händedruck einer schwammigen Pranke und deren psychisch-problematische Wahrnehmung weist auf einen anderen Tatbestand hin.

Frauen haben einen ausgeprägt guten Geruchssinn, besonders was den Duft anderer Frauen betrifft und ganz besonders, wenn der eigene Mann diesen mit nach Hause bringt - habe ich mir zumindest sagen lassen. Ich bekomme das fast jede Woche einmal bestätigt, dann nämlich, wenn ich völlig erschöpft und doch meist beglückt, ausgelaugt und doch euphorisch, die letzten Nachklänge des gemeinsamen Glücks genießend, leise die Tür öffne, die Schuhe ausziehe um die Familie nicht zu wecken, ins Haus schleiche und dann doch bald hören muss: "Ach, kommst Du wieder von deiner Leidenschaft? Und so spät! Was habt ihr denn wieder gemacht so lange? Du riechst ja wieder wie ein Moschusochse!" - "Ähm, nichts, nichts, nur geblitzt…!" Dass wir uns hier nicht missverstehen: Es handelt sich keinesfalls um ein Quickie-Synonym.

Ja, sie riecht es, wenn ich vom Schach komme, und nicht etwa den Kneipengeruch, der zwar ähnlich untrüglich ist wie der des Schachs oder der Liebe, sondern tatsächlich das Schachspielen. Man kann Schach riechen!! Verantwortlich sind, so nennen wir das, die "Schachhormone", die jede intensive Partie unweigerlich freisetzt. Dabei handelt es sich um einen typischen und einzigartigen Schweißgeruch, der sich durch seine Penetranz deutlich vom normalen Fußballschweiß unterscheidet. Jener ist süßlich und weich, sehr wässrig, dieser hingegen hart, säuerlich und ein bisschen aggressiv, beißend gar, wenn er erkaltet und wiedererhitzt wird, daher auch kaum durch kosmetische Behandlung zu beseitigen. Im Gegenteil, ein ausgeprägter Schachduft gepaart mit einem moosigen Deodorant macht jedermann zum heimlichen Star eines Turniers, so zumindest ist die Befürchtung, wenn die eigenen Ausdünstungen in die Nase steigen, wenngleich ich beruhigender- und beängstigenderweise bei meinem meist männlichen Gegenüber oft ein ähnliches Phänomen feststellen muss. Bei mehrrundigen Turnieren habe ich es mir mittlerweile angewöhnt, die Wäsche in den Spielpausen zu wechseln, was zumindest den Effekt temporär verringert.

Aus ganz persönlicher Sicht ist der Geruch nicht übel, fast angenehm, so männlich irgendwie! Nur das schlechte Gewissen den anderen gegenüber zwingt zu eindämmenden Maßnahmen. Denn umgekehrt und ganz ähnlich dem berühmten Furz wird stets nur der Gestank der anderen als unerträglich empfunden, so sehr, dass er mitunter das Spielverhalten - nichts wie weg hier! - beeinflussen kann. Schlechtgesinnte Spieler mögen ihren Eigengeruch vielleicht sogar liebevoll pflegen, um die Wirkung auf das andere Gemüt wissend, so wie man das ja von notorischen Knoblauchfressern her kennt - aber dazu später mehr.

Was nun den Reiz dieses Odeurs auf das andere Geschlecht ausmacht, so ist hier leider eine prinzipielle Wahrnehmungsänderung zu beklagen. Haben sich urige bayerische Burschen noch vor 150 Jahren mit ihren dreitägig getragenen Socken eingerieben, bevor es zum Tanze ging - denn der eberhafte Geruch wirkte als erotischer Lockstoff, wirkte sexuell erregend auf ebenso urige bayerische Madeln, was diese natürlich nicht wussten, aber trotzdem darauf hereinfielen -, so darf man sich heutigentags bei einer derartigen Maßnahme vor dem Eintritt in den Tanztempel seiner Seelenruhe gewiss sein, denn nichts meidet der moderne Mensch mehr als den animalischen Eigengeruch seines Nächsten. Allein die Existenz einer so widernatürlichen Erfindung wie das Intimspray sagt alles, wo doch jeder gewöhnliche Straßenköter weiß, wo es wirklich was zu schnuppern gibt. Auch dies ist eine Form der Menschwerdung, sprich der Entfernung von den natürlichen Wurzeln.

Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass durch "Schachhormone" hervorgerufenes Arom die Paarungschancen selbst innerhalb der Schachspielerinnenkreise signifikant erhöhen würde, eher sollte das Gegenteil zu erwarten sein. Eine ausgedehnte Dusche vor jedem Match - meine Herren! - sollte daher zur Partievorbereitung gehören, ganz gleich aus welchem Blickwinkel man das betrachtet. Die eigene Note wird sich ohnehin bald wieder durchsetzen, spätestens dann, wenn man erschrocken bemerkt - erster Adrenalinstoß -, dass der andere doch wieder besser aus der Eröffnung gekommen ist.

Unter uns Männern! Geruchsintensität und Alter/Fettleibigkeit sind in der Regel direkt proportional, genauso wie Alter/Fettleibigkeit und vitales Interesse am anderen Geschlecht indirekt proportional sein sollten. Auf gut Deutsch: Auch Alter und Fettleibigkeit kann man riechen, gepaart mit Schachmiasmen umso deutlicher. Daher die Erinnerung an alle Alten - das sind, ganz kleine Regel eigentlich, alle die älter sind als ich selbst: Das mit dem Duschen gilt vor allem für Sie! Ja, Sie! Davon abgesehen: Keiner ist zu jung dafür. Und hinsichtlich der zweiten Komponente, kommt's doch am Lebensabend nicht mehr ganz so drauf an, oder?

In den weisen Worten Woody Allens: "Ist das hohe Alter wirklich so schrecklich? Nicht, wenn man sich gewissenhaft die Zähne geputzt hat."

 

Gewarnt sei allerdings auch vor dem gegenteiligen Fehlschluss: Dass man als geruchliche Litfasssäule, die die künstliche olfaktorische Identität wie die neueste Nachricht marktschreierisch vor sich herträgt, dass man als parfümiertes Wunder der Mitwelt ein Gutes tue. Aftershave, Deodorant, Eau de Cologne, Eau de Toilette, Cremes, Salben und Puder, Duschbad, Lotion, Kernseife, Gesichtwasser usw., alles gut und schön, aber nur in Maßen! Bitte! Nach den natürlichen Stinktieren sind die artifiziellen skunks das zweite große Hindernis eines ungetrübten Schachabends. Überhaupt muss man sich fragen, was Menschen, die sich täglich und öfter duschen um sich danach noch einzudieseln, für eine schlechte Meinung von sich haben; der wirkliche Dreck, den wir an unsere Haut heranlassen, ist doch der ganze Chemoscheiß!

Nachgewiesenermaßen ist der Ausstoß der "Schachhormone" während der Partie durchaus nicht gleichmäßig, er ändert sich qualitativ und quantitativ während der verschiedenen Partiephasen. Das ist wissenschaftlich bewiesen worden und mehrfach bestätigt - von mir und meinem Kaugummi!

Apropos Kaugummi.
Mundgeruch ist, so glaube ich, das schlimmste aller Übel! Wir alle haben damals Salman Rushdie gelesen, aber das einzige was in Erinnerung blieb, das war der höllische Gestank aus Gibril Farishdas Maul. So ist das: Mundgeruch bleibt unvergesslich!! Dabei wäre er so einfach zu verhindern. Allerdings nicht mit Hilfe von Zigaretten, Zwiebel oder Knoblauch, wie einige "Schachfreunde" noch immer zu glauben scheinen.

Man kann die Menschen, die unter Mundgeruch leiden, in zwei Klassen unterteilen: jene, die tatsächlich leiden, und jene, die leiden lassen. Ich wünsche niemandem etwas Böses, aber preise alle, die darunter leiden, sprich, die sich des Problems gewärtig sind und dagegen ankämpfen. Wozu Mutter Natur den Mundgeruch geschaffen hat, wird auf ewig ein Rätsel bleiben, denn der einzige evolutionäre Vorteil, den man sich vorstellen kann - allerdings ist dabei nicht ganz klar, wie dies zur Arterhaltung beitragen soll - ist die garantierte Ungestörtheit der Intimsphäre, oder anders gesagt: die Einsamkeit. Solange diese wichtige Frage noch nicht restlos geklärt ist, kann ein vernünftiger Mensch nicht an die Evolution glauben.

Nichts ist grausamer im Schach, als gegen einen dicken, heftig schnaufenden Gegner antreten zu müssen, der seine Verdauungsprobleme als Fahne öffentlich herumträgt und mit jedem Luftzug kundtut: "Leute, meine Mund- oder Darmflora ist nicht in Ordnung und das tut mir überhaupt nicht leid." Dabei ist es keinem gestandenen Schachmaniaken ein Geheimnis, dass der unreine Odem im Laufe einer Partie spürbar zunimmt. Bei derartigen Gegnern tendiere ich zu waghalsigen Gambitspielen oder Tricksereien, deren Verwicklungen leider meist unübersehbar werden und umso länger ans Brett fesseln. Dabei gibt es einige einfache Grundregeln zu beachten, wenn man sich diese Art von Aufmerksamkeit nicht zuziehen will.

Erstens: Nicht auf nüchternen Magen spielen! Ein leerer Magen ist die Bruthölle giftiger Dämpfe und stößt sie aus wie feurige Vulkane giftige Schwefeldünste.

Zweitens: Auf keinen Fall auf leeren Magen Kaffee trinken! Kaffeeexhalationen sind, ebenso wie beim weißen Wein, immer unangenehm, umso mehr, wenn sie aus der leeren Giftküche schwelen.

Drittens: Ganz klar, Zähne putzen! Und möglichst vor dem Spiel, das hat den positiven Nebeneffekt, dass dein Spielpartner, den du beim Handschlag freundlich anlächelst, nicht die Speisereste zwischen deinen Zähnen sehen muss.

Der vorbildliche Schachspieler
wenige Minuten vor der Partie.

Viertens: Kaugummi kauen!

Hier gibt es freilich einiges zu beachten und damit zurück zum wissenschaftlichen Selbstversuch. Ich gehöre zu den überzeugten Kaugummiessern (aber nur ohne Zucker!). Wichtig ist dabei die Dezenz der Ausführung. Lautes Schmatzen und Katschen oder gar das Knallenlassen von Kaugummiblasen (was im Zustand geistiger Abwesenheit allerdings schon mal passiert), sollte unbedingt unterlassen werden und zählt ohne Zweifel zur umweltverschmutzenden Lärmbelästigung. Ansonsten ist gegen einen Minzekaugummi, von gelegentlich gezogenen Plomben abgesehen, wirklich nichts einzuwenden, mehr noch, er sollte zur Grundausrüstung eines jeden Turnierspielers gehören. Aber Vorsicht, man sollte vor dem Gebrauch wissen, wie der Gummi auf den Verlauf des hitzigen Geschehens reagiert, genau gesagt auf den ungleichmäßigen und mitunter ruckartigen Ausstoß von Hormonen, Enzymen und Fermenten. Normale Wrigley's neigen im Mittelspiel zu Verhärtungen und können Krämpfe der Kiefernmuskulatur verursachen. Um Verspannungen zu vermeiden sollte man den Atemgummischutz in dieser Phase diskret (ich empfehle ein Taschentuch) entfernen und gegebenenfalls erneuern. Eine halbe Stunde kaugummifreie Zeit ist allerdings erlaubt, bis dann erste bittere Geschmackswahrnehmungen im Rachenraum auf das Grundproblem wieder aufmerksam machen. Am wichtigsten aber ist die entscheidende Phase, in der sich das Spiel endgültig zum Endergebnis neigt, ganz gleich ob Verlust, Gewinn, Remis. Diese Phase sollte aus Sicht des Kaugummis möglichst um zwei drei Züge antizipiert werden - Katscher raus! Wenn das Spielgeschehen nicht genügend Anhaltspunkte gibt, dann kann ein Blick auf die Uhr hilfreich sein. Zeitnotphasen brauchen keinen Kaugummi, schon aus Sicherheitsgründen, da zu aufgeregtes Kauen oft zu schmerzhaftem Zungen- oder Lippenbiss führt. Der Moment jedenfalls, in dem die Spannung sich definitiv legt, in dem man tiefinnerst überzeugt ist, den Partieausgang zu wissen, der zur sofortigen inneren Ruhe führt, den Teenager als "besser als einen Orgasmus" beschreiben würden, ist zumeist mit einem Ausstoß riesiger Mengen an Enzymen in der Mundhöhle verbunden, die unweigerlich des besten Kaugummis Todesglöcklein läuten und einen irreparablen Zersetzungsprozess initiieren. Dieser emotionalen Macht ist kein nahrungsmittelchemisches Produkt gewachsen, innerhalb weniger Sekunden verliert es seine Konsistenz und löst sich schicksalhaft in seine Einzelbestandteile auf, wobei er, wegen der aufgeschäumten Spucke, an Volumen zunimmt. Dies ist sehr sehr unangenehm. Es kann sogar zum Brechreiz führen. Sofortige Entsorgung des Breis ist unabdingbar, der Gang zur oftmals weit entfernten Toilette ein Muss, oder aber, für die Hartgesottenen und wenn die Zeit dazu nicht mehr vorhanden sein sollte: runter mit dem Zeug.

Sollten eine natürliche Symbiose bilden: frische Airwaves und Schach

Trotz aller Risiken und Nebenwirkungen (exzessiver Verbrauch wirkt abführend), der faire und verantwortungsbewusste Schachspieler, insbesondere wenn er zur bedauernswerten Kategorie der Mundgeruchträger zählt, darf sie nicht scheuen.

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt ist die Bekleidung. Leider scheinen auch hier ältere Herrschaften eher zur Nachlässigkeit zu neigen. Insbesondere wenn sie

a) Engländer [1], mit Verlaub
b) sehr dick oder
c) beides sind.

Möglicherweise haben einige dicke Menschen die Selbstachtung schon so weit verloren, dass sie es nicht mehr für nötig erachten, auf ihr Äußeres zu achten und als Schachspieler schon gar nicht, denn als solcher darf man sich kleine Geistesabwesenheiten wohl mal erlauben. Jeans, die fast stehen vor Dreck, ein löchriges altes T-Shirt, garantiert nabelfrei und eine behaarte Speckwulst stolz präsentierend, auf dem unter den Achselhöhlen dicke Ränder von früheren Schachschlachten ebenso Zeugnis ablegen wie verschiedenste Speisereste - bevorzugt italienische Küche auf englische Art (Rot-Ketchup, Weiß-Mayo, Fettflecken) - von Schlachten am Büfett [2], dunkle Flecken unterhalb des Ortes, wo die Kundalinischlange wohnt, die auf regelmäßige taktile Kontrolle - ob noch alles da ist - hinweisen, öliges ungewaschenes Haar, abgeknaupelte und doch schmutzrandige Fingernägel, nikotingefärbte Finger, ein ungepflegter Bart, manchmal noch ein speckiges Base Cap, stinkend wie ein Zoopuma, all dies und noch viel mehr haben einige Schachspieler in offenen Turnieren, bevorzugt Kategorie B und C, zu bieten. Man kann sich vorstellen, wie ich innerlich juchzte, als ein derart zu beschreibender Gegner mit fuchsigem Geruch doch tatsächlich auf meine "Falle" - wie gesagt, man neigt dann zu Alles-oder-Nichtsvarianten - hereinfiel und schon in der Eröffnung eine ganze Figur verlor, nach…

1.e4 c6
2.d4 d5
3.Sc3 dxe4
4.Sxe4 Sd7
5.Lg5?! h6?? (Haha!)

6.Sd6+!!  

 

… und wie böse meine Hoffnung auf eine baldige, wenn nicht umgehende Aufgabe bestraft wurde, denn als wolle er sich für eine begangene Untat rächen, ließ er sich das forcierte Matt in 30 Zügen und zwei Stunden purer Pein doch tatsächlich vorführen. Dieser Stinker!

Zusammen mit einem englischen Schachfreund:
über die Schönheiten im Schach diskutierend

Dass Schach selbst ein gewisses Gesundheitsrisiko mit sich bringen kann, zeigt nicht nur die Herzinfarktstatistik, sondern wird jeder persönlich bestätigen können, der sich dem feuchten Auswurf eines Hustenden oder Niesenden schon einmal wehrlos ausgesetzt fühlte. Der sportliche Ehrgeiz mancher Fanatiker verführt sie zu dem Trugschluss, dass es sich um eine Geste der Fairness handele, wenn man sich dem Kampf am Brett in jeder Lebenslage stellt; dem ist aber nicht so! Man mag für Tony Miles Verständnis haben, als er sich aufgrund von Rückenproblemen liegend Kortchnoi stellte und diesen aus vorteilhafter psychologischer Position heraus auch besiegte, denn immerhin sind Rückenverspannungen nicht ansteckend, bei Viruserkrankungen sollte dagegen auf den Einsatz verzichtet werden.

Tilburg 1985

Weit weniger gefährlich, aber nicht minder unangenehm ist eine andere weit verbreitete Unsitte, und diesmal können die Frauen nicht ausgeschlossen werden, sind es doch vor allem sie, die dazu tendieren, während der Partie die Schuhe auszuziehen. Die Geruchsbelästigung mag sich, von wenigen wirklichen Extremfällen abgesehen, meist in Grenzen halten, da es in der Regel nur der erste Schwall ist, den man bemerkt, aber die psychologische Wirkung ist nicht zu unterschätzen. Mir jedenfalls geht es immer so, dass ich permanent an die nackten Füße unter dem Tisch denken muss und dies die Konzentrationsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt.

 

Die biologische Überlegenheit der Frau beweist sich am besten im Fakt, dass sie meist vom altersbedingten Haarausfall verschont bleibt. Auch aus dieser Sicht ist es zu bedauern, wenn noch immer kaum Frauen ans Brett finden, denn für uns erhöht sich damit signifikant die Wahrscheinlichkeit, einem Gegner gegenüberzusitzen, der seinen Kopf zum Haarschneiden nicht mehr braucht: sie fallen von allein, aber nicht ganz allein - meist leisten Schuppen ihnen noch Gesellschaft. Da es sich hier ausschließlich um Probleme der Männlichkeit handelt, unternehmen davon betroffene Spieler nicht selten während der Partie den Versuch, das Corpus delicti mit keckem Finger vom Brett zu wischen und seltsamerweise fast immer während der Bedenkzeit des Gegners. Man selbst traut sich dies ja meistens nicht, da es sich um einen Eingriff in die Intimsphäre handelt und man dem anderen nicht das offensichtliche Problem mitteilen will oder es nicht wagt. Vor allem Karpow zeigt auffallend häufig diese Bewegung: Ob Toljas Tolle, die ohnehin meist aussieht, als wäre sie mit Gel behandelt (ist sie aber nicht!), da einiges zu wünschen übrig lässt? Vielleicht wäre ein fesches Haarnetz die Lösung für ihn gewesen, auch um sich gegen Kasparows Gesichtsverzerrungen zu wehren? Doch das wäre schon wieder ein neues Thema …

 

--- Jörg Seidel, 22.08.2002 ---


[1] Engländer meint den Typus, nicht die Nationalität, und um ehrlich zu sein, so viele Engländer wie in Deutschland gibt's nur noch in England selbst.
[2] Um nicht sofort als Deutscher erkannt zu werden, ziehe ich mir beim Schach meinen Garagenpullover über, mit dem ich sonst unter dem Auto liege. Dies gelingt immer solange, bis ich das für die deutsche Zunge unaussprechbare Wort "vulnerable" ausspreche.


Dieser Text ist geistiges Eigentum von Jörg Seidel und darf ohne seine schriftliche Zustimmung in keiner Form vervielfältigt oder weiter verwendet werden. Der Autor behält sich alle Rechte vor. Bitte beachten Sie dazu auch unseren Haftungsausschluss.

 

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