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Please excuse me that
I'm such an idiot -
Kasparow in der "Harald Schmidt Show"
"Jeder
kennt den Mann mit den unzähligen Weltmeistertiteln.
Beinahe besiegte er sogar den unschlagbaren IBM-Computer
"Deep Blue" und ist - ganz nebenbei - ein
begnadeter Mathematiker, Computerexperte und Buchautor.
Er spricht übrigens fünfzehn Sprachen. Mal
sehen, welche er sich für heute ausgesucht hat."
Trailer der Harald Schmidt Show
Schachspieler gehören sicherlich nicht zu den Stammgästen
der Harald Schmidt Show, ja, bedenkt man die beiden
Auftritte der jungen Elisabeth Pähtz und natürlich
der Klitschkobrüder, so handelt es sich bei Kasparows
Erscheinen in dieser bizarren Veranstaltung um eine
Fastpremiere. Dass die Nachricht wie ein Lauffeuer sich
auf den dem Schach gewidmeten Internetseiten verbreitete,
mag diesem Umstand geschuldet sein. Doch was macht die
Meldung so mitteilenswert? Der öffentliche Auftritt
Kasparows? - davon gibt es genug. Oder sein Auftauchen
bei Harald Schmidt? Das wohl eher, denn dass da ein
Fremdkörper in die geschlossene Anstalt der Film-,
Musik- und Sportindustrie eindringen würde, das
war wohl, trotz Kasparows Medienerfahrung und -zuneigung,
von vornherein klar.
Fernsehen ist ein Medium, das sich vor
allem mit sich selbst beschäftigt; von seiner Notwendigkeit
will und muss es selbst - sich und die Zuschauer - überzeugen;
da sind Menschen, deren Attraktivität für
die breite Masse gering ist, eher störend, zumindest
in einer Sendung wie dieser. Auch wenn es für uns
schwer nachzuvollziehen bleibt, selbst ein schachlicher
Superstar wie Kasparow ist in der Welt der Schachignoranten
ein Nichts, ebenso wie vor wenigen Wochen die lächerliche
Frage nach dem ersten Schachweltmeister bei einem Kandidaten
Jauchs fast Panik auslöste. Wenn es also etwas
bei Schmidt und Kasparow zu erfahren gab, dann diese
nüchterne Einsicht.
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Garry Kasparow
zu Gast in der Harald-Schmidt-Show
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Die Harald Schmidt Show ist eine Meinungsmachersendung,
daran ändert auch ihre aufgeklebte Nonkonformität
nichts und auch nicht die berühmt berüchtigten
Zynismen und Ekelein ihres humoristisch und mediendienlich
hochbegabten Protagonisten. Sie muss sich dem Geist
der Menge anschließen und sie formt diesen umgekehrt.
Die tagtägliche akribische Quotenbilanz belegt
dies. Wenn es auch nur für eine beschränkte
Klientel zutrifft, so ändert das an der Sache nichts.
Sie ist zum anderen aber auch eine Ein-Mann-Show, bei
der die Gäste ebenso Staffage bleiben wie die Handlanger
Zerlett und Andrack. Nur weil sie Trend setzt, kann
es für Star und Sternchen überhaupt attraktiv
sein an ihr teilzunehmen, denn sich tatsächlich
präsentieren zu können ist nahezu unmöglich.
Man ist dabei gewesen und solange man für Schmidt
und Co. in Frage kommt, solange ist man irgendwie im
Geschäft. Aufmerksamkeit kann man überhaupt
nur erlangen, indem man gezwungenermaßen an der
Kalauerhitparade teilnimmt, auch mal austeilt und immer
schön zu allem lächelt. Deswegen sind die
Leute auch immer "so gut drauf". Die Schauspielerin
darf dann noch sagen, dass sie den neuen Film, die Sängerin
die neue CD und das Modell den neuen Kalender gemacht
hat und auch die Herren Politiker dürfen hin und
wieder was machen. Kurz: Sendungen wie diese funktionieren
als Stimmungsbarometer, sie garantieren die berüchtigten
15 Minuten Berühmtheit und die Gewissheit dazu,
dass es doch schon ein paar mehr waren.
Das alles trifft auf Kasparow nur bedingt
zu, denn weder gehört er zum deutschen noch überhaupt
zum gängigen Interessenmarkt. Wie er nach Köln
in dieses Studio gelangte, bleibt ebenso ein Rätsel
wie sein Motiv, sich stundenlange Vorbereitungen anzutun,
für sechs, sieben Minuten Gegeigel. War er überhaupt
im Bilde über den Charakter der Sendung? Hat er
naiverweise geglaubt, ähnlich dem Simultanschach,
das er ja "professionell erledigt" und "sehr
ernst nimmt", seinen Sport promoten zu können?
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Höfliches
Lächeln?
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Er trat auf als Exot und hat sich als
solcher ganz ordentlich geschlagen. Sein Lachen wirkte
zwar alles andere als frei, offen und unverstellt, aber
immerhin, es gab überhaupt etwas zu lachen, wenn
auch z.T. auf seine Kosten und vor allem in seiner Absenz.
Wer Kasparow kennt, der musste Schlimmeres befürchten.
Als Schmidt die schon vorher zur allgemeinen Belustigung
ausgeklügelte Frage nach "der Bedeutung der
Bauern" stellte, da schien der Schachmeister leicht
verunsichert, aber ein starkes Ego wie das Kasparowsche
lässt sich davon nicht erschüttern. Ganz im
Gegenteil trieb er den Entertainer sogar in die Enge,
denn der Arbeit als Showmaster wollte er in etwa ebenso
viel Anerkennung zollen wie Schmidts Fähigkeit,
ein Ei zu kochen. Und wenn dann noch die dankbare Frage
kommt: "Are you a genius?", mein Gott, was
will man mehr? Natürlich hätte er am liebsten
mit "Ja" geantwortet, aber das darf man nicht
und also kam er ins Stottern.
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Harald Schmidt
beim Eierausblasen
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Interessant ist auch, dass Kasparow sowohl
zu Beginn als auch am Ende des Gespräches die Initiative
ergreift, beide Male in unübersehbarer ironischer,
wenn nicht zynischer Stimmung, beide Male auf die Person
Schmidts gemünzt; zum einen wehrt er sich damit
gegen die Einordnung – quasi als Störung des
fröhlichen Ostereierkochens –, zum anderen
als Revanche für die respektlose Behandlung seines
Buches inklusive Widmung und dem unausgesprochenen Vorwurf
irgendwo aus der Pampa, nämlich aus Baku, zu kommen.
Das Gespräch zwischen diesen beiden
Ereignissen muss für jeden interessierten
Zuhörer – aber gibt es den nachts um halb
zwölf auf Sat.1? – enttäuschend gewesen
sein. Es dauerte nicht länger als eine halbe Viertelstunde
Berühmtheit und hatte den Informationswert eines
Windgeflüsters. Ob er Wodka trinke, wie viel man
in Russland durchschnittlich konsumiere, ob Schach ein
Sport sei, ob man Gewicht dabei verliere, was Kasparow
esse, ob er ein Genie sei, wie lange er trainiere und
ob mit oder ohne Trainer und Computer, ob er Simultanschach
spiele und schließlich ob er tatsächlich
Urlaub in Kroatien mache – so lauteten die im Zusammenhang
belanglosen Fragen, die scheinbar weder einem Konzept
folgten noch auch nur auf Beantwortung aus waren. Schmidt
hangelte sich von einem Aufhänger zum anderen:
Sport hat was mit verlieren zu tun, Gewicht kann
man verlieren, kommt drauf an, was man isst
und was man und ob man trinkt usw. Kasparow agierte
eher naiv und beantwortete kurz – aber in diesem
Rahmen noch immer zu weitläufig - und offen, um
doch nie den Eindruck los zu werden, dass dies eigentlich
kein Schwein interessiere. Besonders deutlich wurde
dies bei der Starfrage, der nach der Bedeutung des Bauern
im Schach. Großes Gelächter! Hier zeigt sich
Schmidt aber auf der Höhe des Geschehens, denn
diese Frage war von Beginn an motivisch inszeniert und
musste besagten Effekt herbeiführen, hatte er sie
doch ausgiebig im vorweggenommen (Selbst-)Gespräch
als besonders absurd herausgearbeitet. Eine enorm wichtige
Frage für alle Schachspieler, aber für all
diejenigen, die in Schachspielern ohnehin nur Spinner
sehen, ein unwiderstehlicher Joke.
Man darf eben eines nicht vergessen:
Die Harald Schmidt Show ist keine Bildungssendung, also
gibt es nichts zu erfahren, sie ist auch keine Informationssendung,
also wird man nicht informiert, sie ist einzig und allein
eine Unterhaltungssendung und was unterhält bleibt
immer Geschmacksfrage. Schmidt und Raab unterhalten
nun schon seit Jahren auf Kosten anderer, dafür
werden sie geliebt und gehasst. Es ist deren Aufgabe,
alles ins Lächerliche zu ziehen, allem die eigene
Lächerlichkeit vorzuhalten, ein Großteil
des Schmidtschen Witzes basiert auf Schadenfreude und
dort, wo der Schaden nicht auf der Hand liegt –
wie meist bei sich selbstkarikierenden Politikern –,
dort muss er ihn selbst herstellen – hier geschehen
in dem imaginierten Vorabgespräch. In all dem ist
aber sein medialer Wert zu sehen. So gesehen war die
Sendung gelungen, keine Frage, zumal solch eine abgefahrene
Lebensbeschäftigung wie Schachspielen regelrecht
zum Spott des Zynikers und des Proleten einlädt;
immerhin gibt es noch immer Leute, die jeden Tach richtig
auf Arbeit gehen. Nichts anderes als gehobener Proletenwitz
wird aber präsentiert, der sich sowohl auf die
klassischen Vorurteile und Klischees beruft als sie
auch persifliert. Deswegen die Unsinnsfragen nach dem
Genie und deswegen die Klischeefragen nach dem Sport
und das klassische Schachspielerklischee vom polylingualen,
mathematikbesessenen Superhirnhirn. Dass Kasparow 15
Sprachen soll sprechen können, dass er 2,5 Mio.
Stellungen im Kopf habe, dass er seit 17 Jahren "Weltmeister
der Schachspieler sei" usw. zeugt also nicht nur
von Schmidts Unkenntnis der Materie und Desinteresse
sondern es spiegelt auch die frivole Meinung und den
Hang zur Mythisierung der durchschnittlichen Bild-Leser
wider und die zählen nach Millionen.
Bedenkt man all dies, dann erlangt diese
kurze und im medialen Rauschen schon wieder versunkene
Szene doch einen anderen Betrachtungswert: Sie zeigt
uns einerseits, wie Schach in der Außenwelt noch
immer wahrgenommen wird und andererseits, wie die führenden
Repräsentanten des Spiels dieses in der Öffentlichkeit
verkaufen.
P.S. Die Quote am Mittwoch:
14-49 jährige: 0,87 Mio
15,9 % Marktanteil
österlicher Marktführer!
(Quelle + Fotos: http://www.sat1.de/haraldschmidt/)
--- Jörg Seidel, 30.03.2002 ---
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