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Kingpin? Mehr!
Hurra, die neue "Kingpin" ist
da, Englands lustigste Schachzeitung und überhaupt
die beste, die ich je zu Gesicht bekam. Kennen gelernt
hatte ich sie auf einem "congress", einem
Turnier, wo einige Handexemplare herumlagen. Erst zu
Hause wurde mir klar, welchen Schatz ich da an Land
gezogen hatte. Ich kam aus dem Lachen nicht mehr heraus.
Bis dahin wusste ich gar nicht, dass Schach lustig sein
kann, wenn man mal von William Hartstons - einem Engländer,
welch ein Zufall - "Wie man im Schach bescheißt"
absieht. Das Abo war wenige Tage später Geschichte
und natürlich machte ich von dem großzügigen
Angebot, alle noch vorhandenen Nummern zum Sonderpreis
gleich mit zu bestellen, Gebrauch.
Nun bin ich stolzer Besitzer fast aller
Hefte von Nummer 14 an und das reicht immerhin in das
Jahr 1988 zurück. Es ist zudem interessant zu verfolgen,
wie die Zeitschrift sich mauserte in all den Jahren,
vom dreißigseitigen Heftchen mit ein paar lustigen
Partiekommentaren bis zum nun fast siebzigseitigen,
großformatigen Glanzexemplar, aber auch vom 1,40
£ zum 4 £ - Produkt. Aber das ist es allemal
wert. Keines der Hefte hat enttäuscht. Schon der
Name ist Programm, nicht nur bedeutet er "Königsfesselung",
also Unsinn, nonsense, er lässt auch den antiken
chinesischen und klassischen erotischen Roman "Kin
Pin Meh" anklingen. Keine Sorge, den Leser erwartet
nun keine schwarz-weiß-karierte Gruselerotik
à la Peter Krystufek, sie ist ohnehin nur am
Rande ein Thema im eher prüden Albion, aber geballte
Ladungen Schlüpfrigkeit darf man sich schon erhoffen;
Verbalerotik auf englische Art, wenn man so will. Da
geht es schon mal hart zur Sache, aber eben immer mit
einem befriedenden Lächeln. Die Themen sind zugegebenermaßen
sehr englisch, wie auch der Witz. Unvergesslich bleibt
Stuart Conquests genialer Artikel "The Prizegiving"
(Heft 33). Warum, so fragt man sich, gibt es unter den
zahlreichen deutschen GM's, IM's, FM's scheinbar niemanden,
der an Witz, Sprachgewandtheit, Selbstironie und Lockerheit
da mithalten kann (Robert Hübner ist wohl die einzige
Ausnahme)?
Und fast alles, was auf der Insel Rang
und Namen hat, schreibt für das, im Vergleich zum
"British Chess Magazine" und "Chess",
noch immer wenig bekannten Blatt: Jim Plaskett, Chris
Ward, Malcolm Pein, Michael Basman, Graham Burgess,
John Emms, Nigel Davis, Tony Kosten, Cathy Forbes, Aaron
Summerscale, John Nunn ... und alle machen das auf sehr
lesenswerte Art und Weise. Das scheint den Engländern,
Schotten, Iren und Wallisern irgendwie im Blut zu liegen.
Selbst internationale Größen bereichern es:
Edward Winter, Shaun Taulbut, Eduard Gufeld, Yasser
Seirawan u.a. oft auf wirklich hohem, fast möchte
man sagen philosophischem Niveau. Regelmäßiger
Höhepunkt ist "Gary Lane's Agony Column",
in der der beliebte IM mit unnachahmlichem gepfefferten
Spott auf tatsächliche und erfundene Leserpost
antwortet. Tradition ist neben der "Hack Attack",
einer Eröffnungskolumne für den etwas anderen
Spieler, auch ein einführendes Interview mit einer
Schachgröße: Pia Cramling, Peter Swidler,
Bent Larsen, Michael Adams, um nur die berühmtesten
zu nennen, haben sich der Prozedur schon unterzogen.
Wer nicht für Kingpin schreibt, der ist offensichtlich
ein "major target" für das Blatt, insbesondere
der umtriebige Bonvivant Raymond Keene, zeitgleich mit
Tony Miles Englands erster Großmeister, der heutzutage
hinter den Kulissen die Fäden zieht und dabei Millionen
bewegt, aber auch Nigel Short, dessen mitunter brachiale
Sprache unangenehm anrührt und dessen Auswanderung
nach Griechenland man ihm scheinbar nicht so recht verzeihen
will, werden selten verschont, ja, dass Kasparow regelmäßig
sein Fett abbekommt, kann niemanden überraschen.
Dabei ist die Zeitschrift nicht nur "fun".
Man findet ausgiebig interessantes Material auch zu
den üblichen Themen: Eröffnungen - wenn auch
mitunter ganz verrückte Sachen -, Partieanalysen,
Turnierberichte, Schachgeschichte, Buchkritik, regelmäßig
ein Interview mit einer "chess celebrity...",
das gesamte Spektrum wird abgedeckt und alles im Tone
der Leichtigkeit. Der macht hier die Musik, eine in
Deutschland wohl bislang unerhörte.
Also, wer kann und will, der sollte auf
die nächste Nummer nicht verzichten. Einen ersten
Einblick gibt die folgende Webseite: http://www.chesscenter.com/kingpin/Kingpin/
Das Jahresabo für Europa kostet
14 £, unbedingt überlegenswert ist es, für
20 £ gleich die noch vorhandenen circa 15 Hefte
zu erwerben!! Einziger Nachteil ist das unregelmäßige
Erscheinen der Zeitschrift, die zwar als Vierteljahresveröffentlichung
geführt wird, man aber trotzdem auch mal ein drei-viertel
Jahr warten muss, um die langersehnte neue Ausgabe in
den Händen zu halten.
Bestellungen sind möglich unter:
27, Quebec Road,
Ilford,
Essex IG1 4TT,
England
Tel : +44 (0)20 8252 - 1233
E-Mail: jon_manley@msn.com
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Raymond Keene, der Mann hinter
den Kulissen |
Noch einige Stimmen:
'Please, do people really believe what
they read in Kingpin? I am amazed! It's like taking
a satirical show and mistaking it for the news.' (Raymond
Keene, OBE Chess Café)
'an entertaining, irreverent chess magazine
that takes you over to the lighter side with verve and
panache' (Chess Café)
'unquestionably the funniest chess magazine
in the world' (Chess Horizons)
'Both serious and funny, I recommend
it to anyone who wants to smile as he reads.' (Jeremy
Silman, Inside Chess)
'one of my favorite magazines' (Yasser
Seirawan)
'The joy of chess is nowhere celebrated
to such climactic excesses as in Kingpin...' (William
Hartston, The Independent)
'It seems to me that you haven't quite
achieved the manic, off-the-wall style of humour that
Informator manages so well, but you run them a pretty
good second.' (Stephen Fry)
'Kingpin is the magazine I most enjoy
... Gary Lane's agony column is a must for all chess
addicts.' (Susan Lalic, Your Chess Questions Answered)
'Britain's most entertaining chess magazine'
(Scotland on Sunday)
'Aside from being funny, Kingpin is often
pretty controversial too, with many an allegation or
insinuation strewn amongst its pages.' (James Plaskett,
New Statesman)
'Utterly irreverent ... genuine wit ...
good instruction for club players.' (William Hartston,
The Independent)
'Undoubtedly the most interesting and
witty chess magazine available...' (Angus Dunnington,
Yorkshire Post)
'Its rather coarse satirical manner may
not appeal to everyone - just the majority of us who
enjoy sharp games and low humour.' (George Botterill,
New Statesman)
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Gambit kommt von "Bein"
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Typisch englischer Humor: hart
und historisch
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Der neue Weltmeister
(hier zusammen mit A. Karpow)
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Stuart Conquest beim Bier
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