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Verdacht auf Größe.
Michele Mari: "Tutto il ferro della torre Eiffel"
Die dem Studenten, dem Spieler, dem Flaneur gemeinsame Spontaneität ist vielleicht die des Jägers, will sagen, der ältesten Art von Arbeit, die von allen mit dem Müßiggang am engsten verflochten sein dürfte.
Walter Benjamin
[1]
Adesso il primo
asmatico che puccia un biscottino nel the si fa chiamare
scrittore!
Michele Mari
Wenn ein Buch begeistert, fesselt, lachen
macht, zum Denken und Phantasieren anregt, wenn es zudem
Stilsicherheit verrät und den Leser trotzdem rat-
und sprachlos zurücklässt, dann steht es unter
dem dringenden Verdacht, ein großartiges, ein
wichtiges Buch zu sein. Michele Maris neuester Roman
"Tutto il ferro della torre Eiffel" (Alles
Eisen des Eiffelturms) erzeugt genau diese Reaktion.
Ein weiteres Indiz für eine mögliche Anwartschaft
auf literarische Größe ist die Unentschiedenheit
der Kritik [2], die nicht weiß, ob sie den verunsichernden
Effekt oder dessen Ursache höher bewerten soll.
Was zuerst überwältigt, ist
die unglaubliche Fülle, die eine beneidenswerte
Vertrautheit des Autoren mit der europäischen Kultur,
vor allem der Literatur, verrät. In schlaglichtartigen
Sequenzen, in denen historisch belegte, historisch mögliche
und einfach phantastische Begegnungen und Beziehungen
von Künstlern und deren Werken bedeutungsreich
inszeniert werden, entwirft der 1955 geborene Autor
eine Enzyklopädie der Kulturgeschichte des 19.
und 20. Jahrhunderts, besser noch ein Kaleidoskop, denn
Vollständigkeit wird nicht angestrebt, aber eben
ein enzyklopädisches Kaleidoskop. Und das ist wörtlich
zu verstehen; es fehlt kaum ein wesentlicher Name der
Geistesgeschichte, das gesamte mitteleuropäische
Alphabet wird durchbuchstabiert, von Adorno, Baudelaire,
Celan bis zu Verlaine, Woolf und Zweig ist fast alles
vertreten, was Rang und Namen hatte, insbesondere in
der deutschen und französischen Literatur und Philosophie.
Geografischer Mittelpunkt freilich ist
– was sonst? – Paris, das "chtonische
Paris Baudelaires", das Paris der "Haussmannisierung"
[3], das Paris der Passagen,
und Leitfigur durch dieses Labyrinth ist folgerichtig
der Schöpfer des monumentalen "Passagen-Werkes",
ist Walter Benjamin, in dem sich Literatur, Philosophie
und Kunst, Deutschland und Frankreich und Judentum so
exemplarisch verbinden. Exakt dies tut Mari: Verbinden.
"Es gibt Orte und Zeiten in der Geschichte, in
denen sich alles streift: das schmerzhafte und faszinierende
Spiel dieses Buches ist es, sich auf dieser Schnittstelle
aufzuhalten und zu versuchen, den ungesprochenen Worten,
den unwahrscheinlichsten Verwandtschaften, Leben einzuhauchen".
Und weiter: "Nur die Passagen vermischen die historischen
Zeiten derart, wobei sie die Lebenden und die Toten
sich treffen lassen, in einer traumhaften Unterwelt
(sottomondo), reich an Reminiszenzen und Weissagungen"
(Umschlagtext).
Bei seiner Flanerie – Benjamin untersuchte
und entwarf den modernen Typus des Flaneurs und machte
ihn soziologisch brauchbar [4]
– durch die Passagen entdeckt und erfindet der
Romanheld Benjamin, gemeinsam mit seinem Freund, dem
französischen Historiker Marc Bloch, unzählige
Beziehungen und Bedeutungen, sucht er Fetische und Literaturreliquien.
Dabei entstehen permanent ungeahnte Querverbindungen
– genannt und ungenannt – die dem Werk den
assoziativen Reichtum verleihen. Im potentiellen Verweisen
von allem auf alles, das den Zufall als geschichtsmächtige
Größe außer Kraft zu setzen scheint
und neue historische Linien zieht, fühlt man sich
gelegentlich an Ecos "Pendel" erinnert, ohne
freilich andeuten zu wollen, dass hier ein Vorbild gefunden
wäre. Tatsächlich scheint Maris Buch einzigartig
zu sein – die Einschränkung könnte nur
aufheben, wer alle Bücher der Welt kennt oder zumindest
ein vergleichbares -, ohne wirkliche Vorgänger,
es sei denn, man wollte die tausend historischen Künstler-
und Denkergestalten zu solchen machen. Man hätte
ein Recht auch dazu, insofern alle erwähnten Denker
als Inspiration dienten. Allen voran natürlich
Benjamin selbst und dessen unvollendet gebliebenes Passagen-Werk.
(Wenn Maris Buch den Sprung in den literarischen Kanon
geschafft haben wird, dann wird es lohnenswerte Untersuchungen
geben, inwieweit es eine Interpretation des Benjaminschen
opus magnus ist und dessen Strukturen nutzt [5].
Hier können nur gelegentliche Verweise andeutend
beigesteuert werden.) Aber ließe sich so etwas
überhaupt beenden und könnte man sich Maris
Buch abgeschlossen vorstellen? Nein! Das ist ja gerade
der Sinn des Labyrinths [6]
oder gar des Rhizoms – wie viel weiß Mari
vom Postmodernismus und von Deleuze?
– eben unabgeschlossen und damit offen zu sein.
Ein "offenes Kunstwerk", um noch einmal Eco
einzubringen, kennzeichnet sich durch ein "Anbieten
von Möglichkeiten", darin "liegt ein
Akzeptieren des Unbestimmten und eine Ablehnung der
einsinnigen Kausalität" [7]. Wir haben es hier
mit einem Paradebeispiel eines Werkes zu tun, das "wesensmäßig
offen ist für eine virtuell unendliche Reihe möglicher
Lesarten, deren jede das Werk gemäß einer
persönlichen Perspektive, Geschmacksrichtung, Ausführung
neu belebt" [8], das sich die Aufgabe stellt, "uns
ein Bild von der Diskontinuität zu geben: sie erzählt
sie nicht, sondern ist sie" [9]. Schon von
daher versteht sich die Aussichtslosigkeit einer Interpretation.
Maris Buch ist nun aber auch mehr als
"nur" ein "offenes Kunstwerk", es
ist als solches das Spiel mit zahllosen anderen (offenen)
Kunstwerken und zugleich die ironische Hinterfragung
der Offenheit, denn indem es die beiden Hauptfiguren,
Benjamin und Bloch, als auch den Erzähler alle
möglichen und unmöglichen Formen von Zusammenhängen
herstellen lässt, wird Offenheit als Maske einer
angenommenen darunterliegenden Geschlossenheit, sprich:
Notwendigkeit, enttarnt. Schließlich bleibt es
auch ein esoterisches Werk, das nur die bereits von
der europäischen Literatur Initiierten werden lesen,
verstehen und genießen können.
Es ist eine Literatur, die sich ausschließlich
mit sich selbst beschäftigt und nur denjenigen
zugänglich sein wird, die sich selbst mit Literatur
beschäftigen, für die das geschriebene Wort
die eigentliche Welt ist. Diese Welt ist offensichtlich
anachronistisch geworden, man kann ihr nachtrauern.
Sie hatte der jetzigen Zeit – der Zeit des "Kunstwerkes
im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit"
– eines voraus (und dies umschreibt den melancholischen
Teil des Buches): die Aura [10]. Unter ihrem Vorzeichen
wird Benjamin eingeführt – "Der hat gerade
ein Buch geschrieben über das Kunstwerk im Zeitalter
seiner technischen Reproduzierbarkeit. Du reproduzierst
es ein bisschen, das Kunstwerk, und Tschüss Aura!"
(6). "Das war die Aura" (276), lautet auch
Maris allerletztes Wort.
Die inneren Zusammenhänge werden
nicht zum Erklärungsmodell, sondern strenger noch,
sogar als organisierte Verschwörung gedacht, die
Verschwörung der Zwerge gegen die Geistesriesen.
Führer der Zwergenwelt ist Karl Fischerle –
einem Roman Canettis entsprungen -, der sich mysteriöserweise
als "Schachweltmeister" vorstellt, und sie
gipfelt in einer konspirativen Sitzung, in der die Idee
des "Überzwergs" entworfen und die Gründungsurkunde
des "Supernanismus" [11] ausgeschrieben wird. Nur
eines scheinen die unheimlichen Zwerge zu fürchten:
Eisen – "Eisen schützt vor Hexereien
und boshaftem Neid" (35) -, weshalb sich Benjamin
gelegentlich damit behilft, sich "alles Eisen des
Eiffelturms" vorzustellen, um den zwergenhaften
Alpträumen Herr zu werden.
Walter Benjamin
(Quelle: http://www.johncopeland.com/illustrations/index.html)
Eine der einprägsamsten Szenen des
gesamten Buches ist ohne Zweifel die denkwürdige
Fernschachpartie zwischen Benjamin und Erich Auerbach.
Auf dem Spiel steht viel: die jeweilige Sammlung von
Literaturreliquien. Auerbach, als Philologe und inspiriert
durch die offenbarende Lektüre der "Illustrierten
Geschichte der Pasta", während der er erkennt,
dass "das Wort Pasta aufgrund seiner
hundertfachen Ausformungen eine platonische Lüge"
sei und die Realität nur "in der Partikularität
und im Individuum" vorzufinden ist, beginnt fieberhaft
alles zu sammeln, "was ein Kunstwerk erinnernswert
macht", eine Leidenschaft, die er mit Benjamin
teilt [12]. Dinge wie: der Spleen von Paris, Brechts "Dreigroschen",
die Anführungsstriche Cèlines, das Pissbecken
Duchamps, den scharlachroten Buchstaben Hester Prynns
oder Magrittes Pfeife, die keine Pfeife ist oder Kafkas
"Odarek". Eine ähnliche Obsession treibt
Bloch, der Suizide und unnatürliche Tode sammelt
[13] – bei denen nicht selten ein Zwerg namens Karol
Fiserka oder Charles Fisher oder Carlos Pescador zugegen
ist - und eine erschreckende Zahl von namhaften Selbstmorden
auftreiben kann (vier Jahre später, 1940, wird
Benjamin einen unnötigen Freitod wählen und
auch Bloch wird der Erschießung durch Deutsche
1944 nicht entgehen).
Benjamin jedenfalls ist schwerlich als
Schachexperte zu bezeichnen, währenddessen sein
Kontrahent Meisterkandidat und glühender Bewunderer
Aljechins ist. Glücklicherweise will Bloch helfen,
seines Zeichens Spieler der dritten Kategorie, aber
noch immer kein ernsthafter Gegner für Auerbach.
Schließlich findet man im Dadaisten Tristan Tzara,
erste Kategorie, einen brauchbaren Verbündeten.
Der kann zwar auch nur die Überlegenheit des Gegners
feststellen, bemerkt nach dem außergewöhnlichen
Zug Springer h4 aber immerhin, dass man sich auf den
Spuren von Aljechin – Botwinnik, Helsinki 1925
bewegt, einer Partie, die Weiß im 62. Zuge für
sich entschied.
- "Wie Aljechin?" –
fragte Benjamin, der noch nicht mal wusste, wer das
ist.
- "Aljechin, Aljechin, richtig,
ausgerechnet einen faschistischen Spieler musste er
sich aussuchen. Da hätte ich auch eher drauf
kommen können, beknackt wie ich bin!"
- "Und, ist der stark?"
- "Ob er stark ist? Ob er stark
ist, fragt er? Hast du das gehört Marc? Der stärkste
Spieler der Welt, zusammen mit Capablanca
"
Kurzzeitig überlegen die
Verbündeten aufzugeben, denn welche Chance hätte
man schon gegen Aljechin. Andererseits:
- "Du weißt sicherlich,
dass Aljechin sich seinen Ruf als Faschist aufgrund
seiner antisemitischen Äußerungen eingehandelt
hat? Du weißt, dass er sich im vorigen Jahr anmaßte,
Simon Goldenblum einen ganzen Turm vorzugeben, weil
dieser minderwertig (inferiore) sei?"
Tzara erinnert sich an eine ähnliche
Partie Aljechins, Buenos Aires 1927 gegen Capablanca,
die der neue Weltmeister verlor und in der der Kubaner,
in einem "Gulden-Mároczy" Läufer
f1 fand und gewann.
"Als Auerbach bewusst wurde, dass
Benjamin nicht mehr wie Botwinnik, sondern wie Capablanca
spielte, war es zu spät" (83).
Schach findet aber nicht nur in dieser,
hier sehr gekürzten Zentralszene Eingang in Maris
zauberhaftes Buch, es verbindet an verschiedenen Stellen
diverse Erzählfäden und skurrile, meist ironisch-witzige
Ideen voller assoziativer Kraft. So wird z.B. der Großverleger
Denoël vom Großverleger Gallimard zu einer
Partie herausgefordert, und Automagnat Renault von Automagnaten
"Signor Volkswagen" und dies unter Androhung
der Disqualifikation bei Nichterscheinen, so, wie es
die "Weltkommission für die Reinheit des Schachspiels,
in der Person seines Sekretärs, des Oberaufseher
(original Deutsch) Ernst Jünger", vorschreibt
(66f.). Schließlich trifft Benjamin Aljechin persönlich
– auch er Mitglied im Kabinett der hypothetischen
Selbstmörder:
- "Aljechin! Er auch?
- 24. März 1946, in Estoril.
Nicht alle erkennen die Selbstmordhypothese an, aber
sie wird schon wahr sein.
Benjamin klopfte an der Scheibe: Aljechin
gab ihm, ohne ihn anzuschauen, das Zeichen, hereinzukommen.
- Sie müssen der Anfänger
sein, der zusammen mit dem Kubaner gegen mich spielt.
Und hervorragend. Die haben Ihnen erklärt, dass
der Läufer diagonal zieht, nehme ich an
und dass ich ein Nazi bin, nicht wahr?
Der
Meinung Ihrer Freunde nach spiele ich mit Schachfiguren
wie diesen: für einen Augenblick erschien
auf den schwarzen Figuren das rote Zeichen der SS
und auf den weißen der Davidstern.
- Die Wahrheit aber ist, dass
ich Franzose werden wollte, als ich Russland verließ,
und nicht Deutscher; die Wahrheit ist, dass 1939,
bei der Nachricht des Kriegsausbruchs, ich, der die
französische Mannschaft auf der Olympiade führen
werde, diese zum Rückzug bewegen werde, um nicht
gegen die deutsche Mannschaft zu spielen; die Wahrheit
ist, dass meine einzige Schuld darin bestehen wird,
zwischen 1941 und 1943 ein paar individuelle Turniere
im okkupierten Europa zu spielen, aber ich mache Sie
darauf aufmerksam, dass dies alles Möglichkeiten
sein werden, den germanischen Stolz zu demütigen,
sogar ein Simultan mit zwölf deutschen Meistern
werden sie mich spielen lassen, zwölf Spieler,
von denen keiner länger als bis zum 27. Zug übersteht.
Das ist die Wahrheit" (73).
Danach gibt Aljechin noch einige Gewinnwege
für Benjamins Partie preis.
Schließlich laufen ihm noch Doktor
Caligari und Doktor Mabuse über den Weg, die ihn
dringlichst daran erinnern,
"dass es nach der Rochade nichts
Besseres gibt, als Th1, ein Abwartezug. Tg1, Th1, Tg1,
Th1; und so weiter! Rechts, links, rechts, links: wichtig
ist, den Gegner zu entnerven
gar nicht wahr, dass
Schach ein schwieriges Spiel sei, es reicht, wenn man
die Beharrlichkeit besitzt, immer derart zu ziehen,
Tg1, Th1, Tg1, Th1, Tg1, Th1
"(76).
Andere illustre Schachgrößen
im Roman sind Marcel Duchamp, der am 14. August 1933,
"am Tag, an dem sich in Palermo Roussel selbst
tötete", verzweifelt versucht, die versteckte
Schachpartie in dessen Buch "Locus solus"
zu entziffern und in der er den geheimen Grund des Suizids
seines Freundes vermutet.
"Die Grundidee, ganz einfach, war,
dass Martial Canterel (Hauptfigur im Roman), Erfinder
wie Roussel, der weiße König wäre und
der Tod der schwarze König: und dass der Villapark
das Schachbrett wäre. " (129).
Oder Capablanca selbst, der auf den Strassen
von Havanna gegen einen geheimnisvollen Zwerg auf nie
zuvor gesehenem Brett verliert: ein Brett, auf dem die
Figuren sich von selbst bewegen, ja sogar selbst die
Züge wählen (152f.).
Viel Wunderbares gibt es zu entdecken
in diesem überreichen und hochintelligenten Buch.
Der Wert der schachmotivischen Verwirklichung, in einem
vermutlich erstrangigen literarischen Werk derart prominent
repräsentiert zu sein – vielleicht zum dritten,
vierten Mal in der Geschichte der europäischen
Literatur -, liegt nicht in einer vermeintlichen Ehre
für das "Königliche Spiel" und seine
Adepten und auch nicht in der "Liebe des Autoren
zu unserem Spiel", wie voreilige Rezensenten schnell
versuchten, das Geheimnisvolle in szeneinterne Gemütlichkeit
zu retten [14], sondern
dass das Schach, das einst noch auratische Schach,
gleichberechtigt mit und neben Literatur, Malerei, Musik,
Film, Theater und selbst der Esoterik, einfach und effektlos
"genutzt" wird. Bevor Mari die sinnlose und
plakative Frage stellt, ob Schach Kunst, Wissenschaft,
Spiel oder Sport sei, beantwortet er sie. Auch dies
ist ein Indiz, das den dringenden Verdacht erhärtet,
es mit einem wirklich bedeutenden Buch, vom Schlage
eines Jorge Luis Borges, zu tun zu haben.
(Michele Mari: Tutto il ferro della
Torre Eiffel. Einaudi. Torino 2002)
--- Jörg Seidel, 23.04.2003 ---
[1]
Walter Benjamin: Das Passagen Werk. In: Gesammelte Schriften
V.II. S. 969
[2] "Michele Mari,
con Tutto il ferro della Torre Eiffel, ha spaccato in
due la critica italiana: segno di enorme vitalità
di una scrittura. http://www.clarence.com/CONTENTS/CULTURASPETTACOLO/SOCIETAMENTI/
ARCHIVES/000885.HTML
[3] vgl. Walter Benjamin:
Das Passagen-Werk. Gesammelte Schriften V.I., Frankfurt
1991; S. 179ff.
[4] "Im Flaneur feiert
die Schaulust ihren Triumph. Sie kann sich in der Beobachtung
konzentrieren – das ergibt den Amateurdetektiv;
sie kann im Gaffer stagnieren – dann ist aus dem
Flaneur ein badaud.
Der schlichte Flaneur ist
immer im vollen Besitz seiner Individualität"
(Walter Benjamin: Charles Baudelaire. Ein Lyriker im
Zeitalter des Hochkapitalismus. In: Gesammelte Schriften
I.II. S. 572)
[5] "Methode dieser
Arbeit: literarische Montage. Ich habe nichts zu sagen.
Nur zu zeigen. Ich werde nichts Wertvolles entwenden
und mir keine geistvollen Formulierungen aneignen. Aber
die Lumpen, den Abfall: die will ich nicht inventarisieren
sondern sie auf die einzig mögliche Weise zu ihrem
Recht kommen lassen: sie verwenden" (Walter Benjamin:
Das Passagen Werk. In: Gesammelte Schriften V.I. S.
574)
[6] "Das Labyrinth
ist der richtige Weg für den, der noch immer früh
genug am Ziel ankommt. Dieses Ziel ist für den
Flaneur der Markt"
"Die Stadt ist die
Realisierung des alten Menschheitstraumes vom Labyrinth.
Dieser Realität geht, ohne es zu wissen, der Flaneur
nach" (Walter Benjamin: Das Passagen Werk. In:
Gesammelte Schriften V.I. S. 427 und 541)
[7] Umberto Eco: Das offene
Kunstwerk. Frankfurt 1990. S. 221
[8] ebd. S. 57
[9] ebd. S. 165
[10] "
was im
Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerkes
verkümmert, das ist seine Aura"
"Diese
letztere definieren wir als einmalige Erscheinung einer
Ferne, so nah sie sein mag"
Die Einzigkeit
des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein
in den Zusammenhang der Tradition. Diese Tradition selber
ist freilich etwas durchaus Lebendiges, etwas außerordentlich
Wandelbares. Eine antike Venusstatue z.B. stand in einem
andern Traditionszusammenhange bei den Griechen, die
sie zum Gegenstand des Kultes machten, als bei den mittelalterlichen
Klerikern, die einen unheilvollen Abgöttin ihr
erblickten. Was aber beiden in gleicher Weise entgegentrat,
war ihre Einzigkeit, mit einem anderen Wort: ihre Aura"
(Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner
technischen Reproduzierbarkeit. Dritte Fassung. In:
Gesammelte Schriften I.II. S. 477, 479 und 481)
[11] nano = Zwerg
[12] "Es ist beim
Sammeln das Entscheidende, dass der Gegenstand aus allen
ursprünglichen Funktionen gelöst wird um in
die denkbar engste Beziehung zu seinesgleichen zu treten.
Diese ist der diametrale Gegensatz zum Nutzen und steht
unter der merkwürdigen Kategorie der Vollständigkeit."
"Man muss nämlich wissen: dem Sammler
ist in jedem seiner Gegenstände die Welt präsent
und zwar geordnet. Geordnet aber nach einem überraschenden,
ja dem Profanen unverständlichen Zusammenhang"
(Walter Benjamin: Das Passagen Werk. In: Gesammelte
Schriften V.I. S. 271 und 274)
[13] "So erscheint
der Selbstmord als die Quintessenz der Moderne"
(Walter Benjamin: Das Passagen Werk. S. 455)
[14] Ferruccio Pezzuto:
Ultimo scacco a Parigi. In: Torre & Cavallo 1/2003.
S. 49
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