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Verstreute Gedanken zum sogenannten Duell Mensch gegen Maschine.
"Beim strategischen
Handeln fehlt dieser Hintergrundkonsens (Wahrheit, Richtigkeit,
Wahrhaftigkeit – J.S.): Wahrhaftigkeit der geäußerten
Intention wird nicht erwartet, und die Nonkonformität
einer Äußerung wird in einem anderen Sinne
vorausgesetzt, als beim kommunikativen Handeln, nämlich
kontingenterweise. Wer beim Schachspielen wiederholt
sinnlose Züge macht, disqualifiziert sich als Schachspieler;
und wer anderen Regeln folgt, als denen, die das Schachspiel
konstituieren, der spielt eben nicht Schach."
Jürgen
Habermas
Die ersten beiden Partien zwischen Weltmeister
Kramnik und dem Schachprogramm Deep Fritz 10
deuten bestätigend an, was
an dieser Stelle bereits vor 5 Jahren behauptet wurde:
die Computer können nicht gegen die besten Schachspieler
gewinnen und werden es bis auf weiteres auch nicht,
mögen dies auch noch so viele Autoritäten
behaupten. Zwar mag der Computer dem menschlichen Hirn
wie das Auto den Beinen prinzipiell überlegen sein,
aber im Rahmen des Schachs lässt sich das nicht
beweisen, genauso wenig wie sich die Motorengeschwindigkeit
oder -ausdauer bei einem 10m Sprint nachweisen ließe.
Deswegen ist die fortgesetzte Leier vom Kampf der "menschlichen
Spezies" gegen die "Rechenknechte" so
alt wie fruchtlos.
In diesem Kampf zwischen technischer
und humaner Intelligenz dürften auch die Rahmenbedingungen
nicht außer Acht gelassen werden, die in ihrer
Konkretheit jeweils eine Seite benachteiligen. Diese
sind aber rein willkürlich oder historisch willkürlich,
jedenfalls menschlich und nicht "objektiv",
festgelegt. Es wäre ein leichtes, sie zum Vorteile
der Biomasse zu verändern. Etwa in Hinblick auf
die Dauer des Wettkampfes oder der Partien. Andere Bedenkzeiten
dürften den Ausgang ebenso beeinflussen wie differente
Intervallzeiten (Ruhephasen) oder die Matchlänge.
Da es sich bei den Kombattanten um inkommensurable Größen
handelt, kann es eine wirklich befriedigende Lösung
gar nicht geben, nur eine mehr oder weniger befriedigende.
Da der Computer per se keine Bedürfnisse hat, warum
nicht die seines Widerparts zufrieden stellen? [...]
Dieser Artikel wurde in das Buch "Metachess.
Zur Philosophie, Psychologie und Literatur des Schachs"
(Edition Grundreihe, 2009, ISBN: 978-3-937206-07-3,
Paperback, 14,8 x 21 cm, 426 Seiten, 22,90 Euro)
aufgenommen und kann dort in voller Länge gelesen
werden.
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Jörg Seidel und darf ohne seine schriftliche Zustimmung
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