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AKTUELLES
2. Dezember 2006

Verstreute Gedanken zum sogenannten Duell Mensch gegen Maschine.

"Beim strategischen Handeln fehlt dieser Hintergrundkonsens (Wahrheit, Richtigkeit, Wahrhaftigkeit – J.S.): Wahrhaftigkeit der geäußerten Intention wird nicht erwartet, und die Nonkonformität einer Äußerung wird in einem anderen Sinne vorausgesetzt, als beim kommunikativen Handeln, nämlich kontingenterweise. Wer beim Schachspielen wiederholt sinnlose Züge macht, disqualifiziert sich als Schachspieler; und wer anderen Regeln folgt, als denen, die das Schachspiel konstituieren, der spielt eben nicht Schach."

Jürgen Habermas

 

Die ersten beiden Partien zwischen Weltmeister Kramnik und dem Schachprogramm Deep Fritz 10 deuten bestätigend an, was an dieser Stelle bereits vor 5 Jahren behauptet wurde: die Computer können nicht gegen die besten Schachspieler gewinnen und werden es bis auf weiteres auch nicht, mögen dies auch noch so viele Autoritäten behaupten. Zwar mag der Computer dem menschlichen Hirn wie das Auto den Beinen prinzipiell überlegen sein, aber im Rahmen des Schachs lässt sich das nicht beweisen, genauso wenig wie sich die Motorengeschwindigkeit oder -ausdauer bei einem 10m Sprint nachweisen ließe. Deswegen ist die fortgesetzte Leier vom Kampf der "menschlichen Spezies" gegen die "Rechenknechte" so alt wie fruchtlos.

 

In diesem Kampf zwischen technischer und humaner Intelligenz dürften auch die Rahmenbedingungen nicht außer Acht gelassen werden, die in ihrer Konkretheit jeweils eine Seite benachteiligen. Diese sind aber rein willkürlich oder historisch willkürlich, jedenfalls menschlich und nicht "objektiv", festgelegt. Es wäre ein leichtes, sie zum Vorteile der Biomasse zu verändern. Etwa in Hinblick auf die Dauer des Wettkampfes oder der Partien. Andere Bedenkzeiten dürften den Ausgang ebenso beeinflussen wie differente Intervallzeiten (Ruhephasen) oder die Matchlänge. Da es sich bei den Kombattanten um inkommensurable Größen handelt, kann es eine wirklich befriedigende Lösung gar nicht geben, nur eine mehr oder weniger befriedigende. Da der Computer per se keine Bedürfnisse hat, warum nicht die seines Widerparts zufrieden stellen? [...]

 

Dieser Artikel wurde in das Buch "Metachess. Zur Philosophie, Psychologie und Literatur des Schachs" (Edition Grundreihe, 2009, ISBN: 978-3-937206-07-3, Paperback, 14,8 x 21 cm, 426 Seiten, 22,90 Euro) aufgenommen und kann dort in voller Länge gelesen werden.


Dieser Text ist geistiges Eigentum von Jörg Seidel und darf ohne seine schriftliche Zustimmung in keiner Form vervielfältigt oder weiter verwendet werden. Der Autor behält sich alle Rechte vor. Bitte beachten Sie dazu auch unseren Haftungsausschluss.

 

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